26 Okt 2017

Abfindung an Arbeitnehmer, Teil 1: Wann und wie viel?

Eine Abfindung ist die einmalige Geldzahlung eines Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer im Zusammenhang damit, dass das Arbeitsverhältnis endet. Sie ist sozusagen die Entschädigung dafür, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz und die damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten verliert.

Der Sozialplan bei einer Massenentlassung sieht häufig Abfindungen vor. Oft werden sie auch individuell vereinbart, dann verzichtet der Arbeitnehmer in der Regel im Gegenzug auf eine Kündigungsschutzklage oder andere arbeitsrechtliche Schritte.

Anspruch auf Abfindung besteht eher selten

Zunächst einmal: Das Arbeitsrecht sieht grundsätzlich keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung vor, wenn ein Mitarbeiter gekündigt wird oder dieser einen Aufhebungsvertrag unterschreibt. Es gibt aber eine Reihe von Ausnahmen, in denen der bisherige Mitarbeiter doch eine Abfindung beanspruchen kann. Das kann der Fall sein, wenn …

  • das Arbeitsverhältnis durch ein Urteil des Arbeitsgerichts beendet wird.
  • die Abfindungszahlung Teil eines Vergleichs ist (gerichtlich oder außergerichtlich).
  • ein Aufhebungs- oder ein Abwicklungsvertrag abgeschlossen wurde, der die Abfindung vorsieht.
  • ein Sozialplan oder ein zwischen Betriebsrat und Management vereinbarter „Interessensausgleich bei Betriebsänderung“ (§ 112 BetrVG) die Abfindung vorsieht.
  • ein Tarifvertrag die Abfindung regelt.
  • der individuelle Arbeitsvertrag bereits einen Abfindungsanspruch enthält.

Kündigungsschutzklagen sind kein Instrument, um gezielt eine Abfindung einzufordern. Zweck der Klage ist ja zunächst einmal, dass der Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungsangebot

Ein weiteres Szenario für eine Abfindung ist die betriebsbedingte Kündigung: Dabei kann der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmern eine Abfindung anbieten, wenn diese keine Kündigungsschutzklage erheben.

Diese Variante ist so im Kündigungsschutzgesetz enthalten (§ 1a KSchG). Auch wenn der Paragraph den Titel „Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung“ trägt, ist dieser Tauschhandel für den Arbeitgeber freiwillig. Der Anspruch entsteht nur, wenn die Kündigung das Abfindungsangebot enthält und der Arbeitnehmer im Gegenzug auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet.

Die Höhe der Abfindung

Im Fall des Abfindungsangebots bei betriebsbedingter Kündigung (und nur in diesem) ist auch die Höhe der Abfindung schon gesetzlich festgelegt. Diese Regelabfindung beträgt ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.

Bei einer durch gerichtlichen Vergleich geschlossenen Abfindungsvereinbarung gilt eine Höchstgrenze (§ 10 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG). Sie beträgt:

  • im Regelfall 12 Monatsverdienste
  • 15 Monatsverdienste, wenn der Arbeitnehmer 50 Jahre oder älter ist und das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat
  • 18 Monatsverdienste, wenn der Arbeitnehmer 55 Jahre oder älter ist und das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat.

Ansonsten gilt: Über die Höhe der Abfindung muss verhandelt werden. Allgemein gibt es eine grobe Faustformel: ein halbes bis volles Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann diesen Rahmen aber durchaus über- oder unterschreiten.

Was ist mit Sonder- und Einmalzahlungen?

Komplizierter wird es bei der Frage, ob Zuschläge, Überstunden oder gar Einmalzahlungen in das Monatsgehalt mit einzubeziehen sind. Falls dies gewollt ist, kann für die Berechnung das gezahlte Jahresgehalt durch zwölf geteilt werden. Damit ergibt sich in der Regel ein deutlich höheres rechnerisches Monatsgehalt, als wenn nur die zurückliegenden drei Monate zur Berechnung herangezogen werden.

Ein Muss stellt die Berechnung auf Jahresbasis keineswegs dar. Auch das ist reine Verhandlungssache. Grundsätzlich gibt es aber gute Argumente dafür: Schließlich will sich der Arbeitgeber mit der Kündigung ja von der gesamten Belastung befreien, sowohl der durch das Grundgehalt wie den variablen Bestandteilen.

Entscheidend sind die juristischen Aussichten

Die Faustformel passt nicht immer. Aus Sicht des Arbeitgebers stellt sich in jedem Fall die Frage: „Wie hoch sind die Kosten, die uns als Unternehmen entstehen, wenn sich die gerade ausgesprochene Kündigung als unwirksam erweist? Und wie hoch sind die arbeitsrechtlichen Hürden für eine wirksame Kündigung?“

Die möglichen Folgekosten umfassen z.B.: Anwalts- und Gerichtskosten, die Kosten für die Nachzahlung des Gehalts bei unwirksamer Kündigung sowie die Zahlung einer – wesentlich höheren – Abfindung nach negativem Urteil. Wenn dieses Kostenrisiko viel höher ausfällt als der Wert, den die oben genannte Faustformel ergibt (Jahresbrutto : 12 * 0,5 bzw. * 0,75, * 1 etc.), dann ist es sinnvoll, dem Arbeitnehmer mehr anzubieten und ihn so von der Trennung zu überzeugen. Schließlich verpflichtet er sich im Gegenzug zum Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage.

Umgekehrt kann sich nach der Faustformel auch eine zu hohe Abfindung ergeben, wenn der Schaden aufgrund einer unwirksamen Kündigung niedriger ausfallen würde.

Arbeitsrechtliche Hürden

Maßgebliche Kriterien sind unter anderem

  • die Dauer des Arbeitsverhältnisses
  • die voraussichtlichen Chancen bei einer Kündigungsschutzklage
  • die Dauer einer Erkrankung des Arbeitnehmers
  • möglicher besonderer Kündigungsschutz

Es kommt also sehr darauf an, wie ein sachkundiger Arbeitsrechtler die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass ein Arbeitsgericht die Kündigung als wirksam erachtet. Je mehr rechtliche Hürden sich abzeichnen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber mit der Kündigung scheitert.

Besonderheiten der Arbeitsgerichte: Vor der ersten Instanz des Arbeitsgerichts zahlen beide Seiten ihre Anwaltskosten selbst, unabhängig vom Ausgang. Die Gerichtskosten der Arbeitsgerichte liegen vergleichsweise niedrig. Außerdem urteilen Arbeitsrichter tendenziell eher arbeitnehmerfreundlich. All das kann Arbeitnehmer zur Klage gegen eine Kündigung motivieren.

Abfindungen als Königsweg, wenn die Kündigung rechtlich schwer wird

Beispielsweise kann die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Stilllegung einer Betriebsabteilung schnell scheitern. Es lässt sich dem Arbeitsgericht wohl nur sehr schwer vermitteln, dass dieser Mitarbeiter, der besonderen Kündigungsschutz genießt, nicht in einer anderen Abteilung eingesetzt werden kann. Ein überzeugendes Abfindungsangebot muss in so einem Fall in der Regel deutlich höher ausfallen als nach der Faustformel.

Das gilt für alle Fälle, in denen eine Kündigung arbeitsrechtlich gesehen von vornherein auf schwachen Beinen steht. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn Sonderkündigungsschutzrechte greifen.

Wenn die Kündigung dagegen unproblematisch erscheint, macht ein Abfindungsangebot zumindest juristisch betrachtet wenig Sinn. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn im Betrieb das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist (Kleinbetriebe mit höchstens 10 Mitarbeitern) oder wenn ein grobes und vielleicht sogar wiederholtes Fehlverhalten klar beweisbar ist und bereits mit einer Abmahnung geahndet wurde. (Aber Vorsicht – die Beweis- und sonstigen Anforderungen sind hoch).

Sonderfall: Leitende Angestellte

Wenn bei Führungskräften das Arbeitsverhältnis durch Zahlung einer Abfindung beendet werden soll, muss genau geprüft werden, ob sie leitende Angestellte gemäß. § 14 Abs. 2 KSchG sind. In diesem Fall sieht die Verhandlungsbasis anders aus: Dann gilt die oben beschriebene Deckelung des § 10 KSchG für gerichtlich festgelegte Abfindungen nicht.

 

Im Beitrag "Abfindung - Teil 2" befassen wir uns noch einmal mit Abfindungszahlungen. Dann wird es um die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer gehen.

Themen:

Abfindung Lohnsteuer

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