25 Mai 2017

High Potentials erkennen und als Führungskräfte aufbauen

Ihr Unternehmen soll und wird wachsen. Irgendwann benötigt es Führungskräfte – Leute, die Abteilungen oder bestimmte Geschäftsführungsbereiche übernehmen, Ihnen den Rücken freihalten und mithelfen, dass das Unternehmen auf Erfolgskurs bleibt.

Mitarbeiter mit Potenzial von Anfang an im Auge behalten

Auf dem Arbeitsmarkt sind Kandidaten mit Führungspotenzial heiß begehrt und entsprechend teuer. Wer nachgewiesen hat, dass er mit Personalverantwortung umgehen und eine Abteilung nach oben bringen kann, weiß, was er verlangen kann. Ein Abteilungsleiter oder Mitgeschäftsführer von außen ist zwangsläufig immer ein Experiment. Wenn der Kandidat nicht passt, haben Sie Zeit, Energie und Geld für die Abfindung verloren. Falls Sie überhaupt jemand finden.

Warum überhaupt in die Ferne schweifen? Wenn Sie Ihre Führungspositionen mit einem Mitarbeiter aus den eigenen Reihen besetzen können, hat das viele Vorteile. Es gibt einen entscheidenden Informationsvorsprung – in beide Richtungen. Sie kennen den Kandidaten. Und er kennt das Unternehmen, die Unternehmenskultur, die Anforderungen, die Sie an Mitarbeiter stellen.

Suchen und finden: mit Profil

Ob intern oder extern: Finden kann man nur, wenn man weiß, was man sucht. Deshalb geht es vor der Auswahl darum, sich Gedanken über ein Anforderungsprofil der Führungskraft zu machen.

Zu diesem Profil gehören nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch persönliche Eigenschaften und Soft Skills. Manche Qualitäten sind in jedem Fall notwendig – Einsatzbereitschaft etwa. Andere hängen sehr davon ab, um welche Tätigkeit es geht. Jemand, der die Vertriebsmannschaft führen soll, muss selber verkaufen können. Der Leiter für die IT braucht dagegen die Neugier, sich fortlaufend weiterzubilden.

Das sind jedoch nur Voraussetzungen – nicht die Eigenschaften, die eine Führungskraft ausmachen.

Das Individuum unter der Lupe

Wie identifiziert man unter den eigenen Mitarbeitern die richtigen Leute mit Aufstiegspotenzial? Kompetent und pflichtbewusst sind viele Mitarbeiter. Nicht jeder davon ist als Vorgesetzter auf dem richtigen Posten.

Am Ende entscheidet der subjektive Eindruck sicher mit. Aber allein darauf sollte man sich nicht verlassen, denn Systematisieren lassen sich Beobachtung und Beurteilung schon:

  • Feedback: Was sagt der Betreffende über sich selbst, wie ist sein Selbstbild? Und wie gut passt das mit dem zusammen, was seine jetzigen Vorgesetzten, Kollegen und gegebenenfalls die ihm unterstellten Mitarbeiter sagen? Eine potenzielle Führungskraft muss nicht perfekt sein, aber sie sollte ihre Stärken und Schwächen in etwa einschätzen und damit umgehen können. Und sie muss von ihrem Umfeld respektiert werden, fachlich und als Mensch.
  • Krisenresistenz: Wenn es das nächste Mal Schwierigkeiten im Arbeitsalltag gibt, aus welchem Grund auch immer, ist das eine hervorragende Gelegenheit für Hinweise auf die Führungstauglichkeit. Reagiert der Kandidat rasch und entschlossen, aber ruhig? Trägt er dazu bei, dass Schuldzuweisungen, Konflikte im Team und andere Sackgassen vermieden werden und stattdessen eine Lösung zustande kommt?
  • Emotional stabil: Ganz klar – wer die Richtung vorgibt, muss sich selbst auf Kurs halten können. Sprunghaftigkeit, Labilität, Jähzorn oder mangelnde Impulskontrolle, das kennzeichnet Alptraum-Chefs in Comedy-Serien (und im richtigen Leben). Ihr Führungsnachwuchs sollte nicht dadurch auffallen.
  • Ideen: Hat der oder die Betreffende eigene Ideen, was den Arbeitsalltag betrifft? Denkt er mit – und über den Tellerrand hinaus? Wenn Sie solche Punkte in einem Gespräch ausloten, lernen Sie nicht nur etwas über den geistigen Horizont des Kandidaten, sondern auch über sein Engagement und darüber, wie sehr er sich mit dem Unternehmen identifiziert.
  • Lernbereitschaft: Wie schnell und wie bereitwillig eignet sich der betreffende Mitarbeiter neue Fähigkeiten an? Hat er die Flexibilität, eingetretene Pfade zu verlassen und sich auf neues Terrain zu begeben, wenn die Umstände es erfordern? Das wird von ihm verlangt werden, wenn er aufsteigt.
  • Kommunikationsfähigkeit: Führen ist immer auch Kommunikation. Sicher kann man persönliche Defizite durch Training und Coaching ein gutes Stück weit ausgleichen. Aber jemand, dem von vornherein das Talent fehlt, Ziele, Wünsche, Kritik und Notwendigkeiten klar und sachorientiert mittzuteilen und umgekehrt anderen zuzuhören und empathisch auf sie einzugehen, der wird ihr Unternehmen als Führungskraft nicht wirklich weiter bringen.
  • Zielstrebigkeit: Phlegma oder die Neigung, sich zu verzetteln, sind KO-Kriterien. Ohne Hartnäckigkeit kommt man zu nichts – das gilt für die eigene Karriere und – falls man doch in eine Führungsposition gehievt wird - dann für die gesamte Abteilung.
  • Ehrgeiz: Es macht keinen Sinn, jemand zu befördern, der vor Verantwortung Angst hat oder sich dadurch in seiner Ruhe gestört fühlt. Sicher, übertriebener Ehrgeiz ist ein Nachteil. Wer über die sprichwörtliche Leichen geht, ist als Führungsfigur fehl am Platz. Ein gesundes Maß an Ambition ist aber unerlässlich. Die Position als Entscheider ist mit Stress und Druck verbunden – man muss sie deshalb schon wollen.

Zur Führungskraft geboren? Führungskraft wird man durchs Führen

Was macht eine geborene Führungskraft aus? Dazu gehören die genannten Merkmale, etwa Ehrgeiz, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität, Offenheit und so weiter. Aber nicht jeder, der Talent zur Menschenführung hat, fällt schon von Anfang an als Alphatier auf. Es kann sich durchaus lohnen, Leute in Führungspositionen auszuprobieren, die nicht seit jeher das große Wort geführt haben.

Wichtig ist dann natürlich, dass es den Aufgestiegenen gelingt, in der neuen Position die nötige Souveränität zu entwickeln. Führung lernt man wie so vieles nur „on the job“. Führungskompetenz muss man sich erarbeiten. Die Chance dazu müssen Sie Ihrem Nachwuchs geben.

Viele schwächer ausgeprägte Eigenschaften lassen sich ausgleichen, durch Coaching, Weiterbildung und die Bereitschaft, an sich zu arbeiten. Theoretische Grundlagen lassen sich in Führungskräfteseminaren erwerben: Strategien und Techniken für Innovation und Leadership. Kommunikative Fertigkeiten kann man trainieren – wie man an der richtigen Stelle die richtigen Fragen stellt, im richtigen Maß Lob und Anerkennung verteilt oder ergebnisorientiert kritische Rückmeldungen gibt.

All das hilft nicht weiter, wenn die Mitarbeiter der Führungskraft die neue Rolle nicht zutrauen oder gönnen. Vertrauen muss erarbeitet werden, Respekt ebenfalls. Als Chef des neuen Chefs können Sie viel dafür tun, dass Ihre Beförderungen funktionieren. Übernehmen oder organisieren Sie Mentoring, beobachten Sie genau, wie der Beförderte sich in der neuen Position macht, stärken Sie ihm den Rücken.

Verzeihen Sie Fehler, soweit sich diese im erwartbaren Rahmen halten. Wenn sich die Besetzung sich als klarer Fehlschlag erweist, muss man reagieren. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der frischgebackene Vorgesetzte jetzt, wo er die Hebel in die Hand bekommen hat, auf einmal den Tyrannen in sich entdeckt und ein neues Wesen erscheinen lässt.

Aber abgesehen von solchen Verwandlungen sollte man jedem neuen Chef eine Lernkurve zugestehen. Echte Führungsqualitäten strahlt man selten von Anfang an aus. Denken Sie nur an die am Anfang ihrer Karriere gern belächelte Kanzlerin. Heute sprechen auch politische Andersdenkende ihr kaum mehr ab, ein echtes Talent für Führung (und Macht) zu haben.

Diversität

Apropos: Sind Frauen die besseren Führungskräfte? Verschiedene Studien kommen zu solchen Ergebnissen. Etwa eine Untersuchung der Credit Suisse: Wenn im Vorstand des Unternehmens mindestens ein Stuhl mit einer Frau besetzt ist, erwirtschaftete das Unternehmen eine höhere Rendite. Der Norwegian Business School zufolge sind Frauen im Hinblick auf Klarheit, Innovationskraft, Unterstützung und zielgerichtete Genauigkeit den Männern eine Nasenlänge voraus. Dagegen sah diese Studie Männer in Bereichen wie emotionale Stabilität und Stressresistenz vorn.

Aber eigentlich kommt es gar nicht darauf an, ob Sie diesen Studien glauben oder nicht. Jede geeignete Frau, die Sie für eine Führungsposition finden, bringt Ihrem Unternehmen einen Vorteil – zumindest solange, bis die Hälfte aller Führungspositionen weiblich besetzt ist. Das gilt auch für andere Kandidaten, die nicht dem Einheitsbild von Management-Nachwuchs entsprechen: weiß, männlich, verheiratet, Hauptverdiener, etc.

Zum einen deshalb, weil Diversität und Fairness eine positive Außenwirkung haben und vom Gesetzgeber immer mehr gefordert und gefördert werden. Zum anderen von der Sache selbst her. Monokulturen mögen die Produktivität scheinbar steigern, in Wirklichkeit untergraben sie langfristig die Anpassungsfähigkeit des Bestands. Das gilt im Personalmanagement wie in der Landwirtschaft.

Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Die Führungskraft hat vielleicht bald die Aufgabe, ein Team von IT-Spezialisten in Indien und einen Stab von Fachleuten in Kanada zu koordinieren. Sie muss Projektarbeit organisieren und externe Dienstleister einbinden können. Geschäftsmodelle und Zusammenarbeit werden sich weiter ändern. Deshalb sind Flexibilität und Offenheit wichtige Führungsqualitäten. Der richtige Stallgeruch ist dagegen keine echte Qualifikation mehr. Aber das war er ja eigentlich noch nie.

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