23 Feb 2017

Mitbestimmer im Unternehmen – Impertinenz?

Mit Einführung eines Betriebsrates erlangt die Mitarbeitervertretung in Ihrem Unternehmen eine ganze Reihe von Mitbestimmungsrechten. Wohl dem, der sich mit diesen Rechten frühzeitig auseinandergesetzt hat und bei der Entwicklung seines Unternehmens darauf achtet, die Interessen der Mitarbeiter zu hören und keine allzu konfliktträchtigen Regelungen zu etablieren.

Die lieben Mitarbeiter. Es ist fast wie in der Familie. Irgendwas ist immer, einer ist immer unzufrieden. Aber wie in einer echten Familie verbietet es sich heutzutage auch im Unternehmen, alles alleine entscheiden zu wollen. Schlimmer noch – im Unternehmen besteht in vielen Fragen gar ein Rechtsanspruch des Betriebsrates auf Mitbestimmung – die schärfste Waffe, die Ihre Mitarbeitervertretung hat.

Diese Aspekte sollte man tunlichst schon frühzeitig ganz besonders im Auge haben. Dann kann man betriebliche Regelungen so treffen, dass mit Einführung eines Betriebsrates nicht gleich eine ganze Lawine an Regelungsbedarf losgeschlagen wird. Auch hier gilt also: Lieber frühzeitig zusammen mit den Mitarbeitern gestalten, als sich später mit (womöglich verbiesterten) Betriebsräten herumärgern.

Mitbestimmungspflichtige Punkte

§ 87 BetrVG zählt einen ganzen Katalog von Mitbestimmungsrechten auf. Bei all diesen Angelegenheiten dürfen Sie als Arbeitgeber keine Maßnahmen oder Regelungen treffen, wenn der Betriebsrat nicht zustimmt. Einige der wichtigsten Punkte:

  • die Lohngestaltung (!), zum Beispiel Regeln zu Lohnerhöhungen nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, aber auch die Einführung von flexiblen Lohnanteilen wie Boni, Akkordlohn oder Lohnersatzleistungen
  • die Urlaubsplanung im Unternehmen
  • der Beginn und das Ende der Arbeitszeit sowie Pausenregelungen
  • die Nutzung technischer Mittel, mit denen sich Arbeitsverhalten und Leistung der Mitarbeiter erfassen oder überwachen lassen
  • das Festlegen einer Betriebsordnung (die beispielsweise eine Kleiderordnung vorschreiben, private Internetnutzung verbieten oder das Parken auf dem Werksgelände einschränken kann)
  • Maßnahmen, die Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle verhindern sollen.

Paragraph 87 BetrVG greift nur, wenn das jeweilige Thema im konkreten Fall nicht ohnehin schon durch ein Gesetz oder einen Tarifvertrag geregelt wird. Das bedeutet: Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes oder eine für Ihr Unternehmen gültige Tarifvereinbarung über vorgeschriebene Pausen lassen sich selbst mit Zustimmung des Betriebsrats nicht aushebeln.

Dort, wo diese Vorgaben Ihnen dagegen Spielraum geben, können Sie als Arbeitgeber gestalten – aber eben nur mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter. Jedenfalls, soweit es um Angelegenheiten des Katalogs aus § 87 BetrVG geht.

Einige praktische Beispiele

In der Praxis hat die Mitarbeitervertretung also Einiges mitzureden. Einige praktische Beispiele:

  • Sie brauchen seine Zustimmung, wenn festgelegt werden soll, ob und bei welchen Gelegenheiten Ihre (männlichen) Mitarbeiter Anzug und Krawatte tragen müssen.
  • Ein weiteres brisantes Thema ist die Einführung eines generellen Rauchverbots auf dem gesamten Betriebsgelände. (Wenn allerdings die Nichtraucher nur auf diese Weise geschützt werden, denn dann gibt es nichts zu beraten – dann müssen Sie als Chef das generelle Rauchverbot erlassen, § 5 Arbeitsstättenverordnung).
  • Die Einführung von Gleitarbeitszeit ist mitbestimmungspflichtig.
  • Wenn Sie daran denken, in den Sommerferien für zwei Wochen Betriebsurlaub einzulegen, weil dann ohnehin alle Eltern Urlaub beantragen, dann hat der Betriebsrat dabei ein Wort mitzureden. Ebenso, wenn im Monat vor dem alles entscheidenden Produkt-Launch im August eine Urlaubssperre gelten soll.
  • Selbst beim Catering für Ihre Kantine darf der Betriebsrat mitsprechen – weder die Preisgestaltung für die angebotenen Speisen noch die Zeiten, zu denen es Essen gibt, können Sie allein mit dem Caterer aushandeln. Und wenn Sie’s gerne rein vegetarisch hätten, einige der Arbeitnehmer aber hartgesottene Fleischesser sind – tja …
  • Ein besonders wichtiger und konfliktträchtiger Punkt der Mitbestimmung betrifft Maßnahmen wie das Installieren von Überwachungskameras oder mögliche Anwesenheitskontrollen – beides mitbestimmungspflichtig.
  • Aber auch bei positiven Dingen wie der Einführung eines betrieblichen Vorschlagswesens kann der Betriebsrat das „ob“ und „wie“ mitgestalten.

Ein großer Vorteil: Auch der Betriebsrat muss in geeigneter Weise herausfinden, was Ihre Mitarbeiter wirklich brauchen und wollen. Er kann also nicht uneingeschränkt agieren. Und Sie können sich bei Ihren Vorschlägen auf das konzentrieren, was für das Geschäft gut ist.

Vetorecht bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung

Um eine mildere Form des Mitbestimmungsrechts handelt es sich beim Zustimmungsverweigerungsrecht. In Betrieben mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern kann der Betriebsrat bei Einstellungen und Versetzungen aus bestimmten Gründen (z. B. Missachtung bestehender Auswahlrichtlinien, Benachteiligung des Betroffenen) ein Vetorecht ausüben (§ 99 BetrVG).

Mitbestimmung bei Löhnen und Gehältern
Eines der heißesten Eisen in Bezug auf das Mitbestimmungsrecht ist die Gestaltung von Löhnen und Gehältern (falls kein Tarifvertrag gilt). Solche Konflikte landen immer wieder vor dem Arbeitsgericht.

So hat der Betriebsrat zwar nur dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um kollektive Regelungen geht. Doch diesen Begriff haben die Richter des Bundesarbeitsgerichts sehr weit ausgelegt (BAG, Urteil vom 10.10.2006, 1 ABR 68/05): Sie gestatten dem Betriebsrat Einblick und Mitsprache selbst bei individuellen außertariflichen Sonderzulagen. So soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber mit jedem Arbeitnehmer eine individuelle Vereinbarung schließt, ohne allgemeine Regeln für Löhne und Gehälter aufzustellen.

Überhaupt bezieht der Betriebsrat wachsende Befugnisse daraus, dass das Achten auf innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zu seinen Aufgaben gehört. Das geplante "Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern" räumt Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf Informationen zum Gehalt ein. In Betrieben mit Tarifbindung soll dieser Anspruch über den Betriebsrat geltend gemacht werden. Diese Entwicklung zeigt, dass sinnvolle innerbetriebliche Transparenz in Gehaltsfragen auch aus Arbeitgebersicht die sinnvollere Alternative darstellt.

Im Zweifel für die Angestellten – und denen ist der Betriebsrat verpflichtet

Ein weiteres Beispiel für betriebsratsfreundliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts: Wenn bei eigentlich mitbestimmungspflichtigen Arbeitszeit- und Arbeitsentgeltregelungen die Mitbestimmungsrechte missachtet werden, sind genau die Punkte in den Vereinbarungen unwirksam, die dem Arbeitnehmer einen Nachteil bringen (BAG, Urteil vom 18.9.2002, 1 AZR 668/01, und vom 11.6.2002, 1 AZR 390/01).

Wenn Sie als Arbeitgeber Maßnahmen am Betriebsrat vorbei eingeleitet haben, bei denen sie ihn hätten einbinden müssen, kann er einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf diese Maßnahme durchsetzen – jedenfalls dann, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Zuständig ist das Arbeitsgericht.

Das Arbeitsrecht geht sogar so weit, dass es den Hund zum Jagen trägt: Der Betriebsrat kann weder auf sein Mitbestimmungsrecht verzichten noch darf er dem Arbeitgeber einfach das Feld überlassen, wenn der eine mitbestimmungspflichtige Regelung einseitig festlegen will. Im Zweifel muss der Betriebsrat solche Ansprüche gerichtlich durchsetzen.

Fazit

Sie tun sich als Arbeitgeber selten einen Gefallen, wenn Sie einfach auf Konfrontationskurs gehen. Kluger Pragmatismus ist gefragt. Es gibt zwar keine Patentrezepte, die im Umgang mit den Arbeitnehmervertretern den Erfolg garantieren. Aber Intelligenz, Fingerspitzengefühl und der Blick über den Tag hinaus sind auf jeden Fall unerlässlich.

Pragmatismus und Lösungsorientierung sind gefragt. Dass die Mitbestimmung den Unternehmenserfolg nicht bremsen muss, dafür gibt es schließlich genug Beispiele.

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