U1 und U2: Die Verfahren zum Ausgleich der Entgeltfortzahlung bei Mutterschaft und Krankheit

November 2016 - Die Verfahren U1 und U2 sind zum Ausgleich der Entgeltfortzahlung im Krankeitsfall oder bei Mutterschaft gedacht. Sie bieten vor allem für kleine Unternehmen eine wichtige Absicherung. Zudem sind sie essentieller Bestandteil der Lohnabrechnung, denn bei Betriebsprüfungen wird regelmäßig kontrolliert, ob die Umlagen ordnungsgemäß berechnet und abgeführt wurden.

Die Umlagen U1 und U2 führen im Vergleich zu anderen Bestandteilen der Lohnnebenkosten ein gewisses Schattendasein. Sie machen ja auch nur einen relativ geringen Anteil an der Belastung für den Arbeitgeber aus. So finden sie in einschlägigen Ratgebern und Informationen oft weniger Raum als Sozialversiche-rungsabgaben oder Lohnsteuer.

Dennoch sind die gesetzlichen Ausgleichsverfahren ein essentielles Element der Lohn- und Gehaltsabrechnung. Bei Betriebsprüfungen der Rentenversicherung wird regelmäßig auch die ordnungsgemäße Berechnung und Abführung der Umlagen kontrolliert (§ 28p SGB IV).

Grund genug, diesem Aspekt einen gründlichen Blick zu gönnen. In dieser Ausgabe stellen wir die Umlagen U1 und U2 vor.

Das Ausgleichsverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Bei der Umlage U1 handelt es sich um einen Pflichtbeitrag zur Finanzierung der Entgeltfortzahlungen, die Arbeitgeber an Arbeitnehmer im Krankheitsfall leisten müssen. Der Pflichtbeitrag trifft allerdings nur einen bestimmten Teil der Arbeitgeber: Unternehmen, die in der Regel nicht mehr als dreißig Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigen. Mit diesem Ausgleichsverfahren sollen gerade kleinere Unternehmen vor finanzieller Überlastung durch Entgeltfortzahlungen an erkrankte Mitarbeiter bewahrt werden.

Die gesetzliche Grundlage bilden das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) sowie das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkasse zu den Regelungen des AAG.

Eine ganze Reihe von Körperschaften sind von dem Umlageverfahren explizit ausgenommen:

  • Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts
  • Vereinigungen, Einrichtungen, Unternehmen mit Bindung an Tarifverträge des öffentlichen Dienstes
  • Verbände von Gemeinden, Gemeindeverbänden und kommunalen Unternehmen sowie deren Spitzenverbände
  • Zivile Arbeitnehmer bei Dienststellen ausländischer Streitkräfte und der NATO
  • Hausgewerbetreibende und gleichgestellte Personen
  • Nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte versicherte mitarbeitende Familienangehörige eines landwirtschaftlichen Unternehmers
  • Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und ihre Untergliederungen, Einrichtungen und Anstalten, für sie besteht allerdings die Option zur freiwilligen Teilnahme. Ferner findet das AAG keine Anwendung auf Betriebe, bei denen Arbeitgeber mit Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) Einrichtungen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen errichtet haben.

Die Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, selbst zu prüfen, ob der Betrieb am an diesem Umlageverfahren teilnehmen muss (beziehungsweise kann: das Verfahren ist ja durchaus mit Vorteilen verbunden). Dies muss immer zu Beginn eines Kalenderjahres für die Dauer dieses Jahres festgestellt werden. Wenn sich im laufenden Kalenderjahr die Beschäftigtenzahl dann verringert oder erhöht, hat das bis Jahresende keine Auswirkungen.

Prüfung auf U1-Pflicht

Die Voraussetzung, dass nicht mehr als dreißig Arbeitnehmer beschäftigten werden, gilt dann als erfüllt, wenn dies im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens acht – nicht zwingend aufeinanderfolgenden – Kalendermonaten der Fall war. Selbst wenn ein Unternehmen durch kurzfristig beschäftigte Aushilfen mehrfach die 30-Mitarbeiter-Schwelle überschreitet, ist die weitere Teilnahme am Umlageverfahren also nicht ausgeschlossen. Stichtag für die Zahl der Mitarbeiter ist in der Regel der Monatserste.

Für die Errechnung der Anzahl an Arbeitnehmern gelten einige Besonderheiten.

Schwerbehinderte Mitarbeiter gemäß SGB IX sowie Auszubildende werden nicht mitzugerechnet.

Teilzeitbeschäftigte werden anteilig berücksichtigt, und zwar gemäß folgendem Schema:

  • wöchentlich bis 10 Stunden beschäftigt:
  • Faktor 0,25
  • wöchentlich bis 20 Stunden beschäftigt: Faktor 0,5
  • wöchentlich bis 30 Stunden beschäftigt: Faktor 0,75

Unterhält ein Einzelunternehmer mehrere Betriebe gleichzeitig, wird die Teilnahme einheitlich für alle Betriebe beurteilt, die Anzahl der Beschäftigten in den einzelnen Betrieben wird dafür addiert. Haben die Betriebe dagegen die Rechtsform einer juristischen Person, müssen sie einzeln beurteilt werden. Ein Zusammenrechnen von Mitarbeitern darf weder bei juristischen Personen noch zwischen Einzelunternehmen und juristischer Person, und auch nicht zwischen mehreren juristischen Personen unterschiedlicher Art (etwa: GmbH und UG) erfolgen.

Berechnung

Die Berechnung der Umlage erfolgt grundsätzlich nach dem Umlagesatz und auf Grundlage des tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelts bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung.

Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nicht länger als vier Wochen besteht und die gemäß § 3 EFZG keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben können, werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt.

Auch Einmalzahlungen gemäß § 23a SGB IV bleiben bei der Berechnung außer Betracht.

Falls Kurzarbeitergeld gezahlt wird, zählt für die Berechnung der Umlage dennoch das tatsächliche Arbeitsentgelt.

Vorteile des U1-Verfahrens für den Arbeitgeber

Muss ein Arbeitgeber, der am Umlageverfahren U1 teilnimmt, einem erkrankten Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung leisten, dann erstattet die Krankenkasse aus der Umlage zwischen 40 und 80 Prozent des zu zahlenden Entgelts und bis zu 80 Prozent der darauf entfallenden Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung (§ 1 AAG). Hintergrund für die Unterschiede: Der Erstattungsanspruch beträgt grundsätzlich zwar 80 Prozent, die Satzung der Krankenkasse kann jedoch einen niedrigeren Prozentsatz vorsehen (§ 9 AAG). Die Krankenkassen können auch verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Sätzen erarbeiten. Der tatsächliche Erstattungsanteil hängt dann davon ab, welche Erstattungssätze die Krankenkasse anbietet und der Arbeitgeber gewählt hat.

Zuständig für das Ausgleichsverfahren sind grundsätzlich die Orts-, Innungs- und Betriebskrankenkassen sowie die Ersatzkassen, außerdem die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See als Träger der knappschaftlichen Krankenversicherung, der Krankenversicherung der Seeleute und der Minijob-Zentrale. Konkreter Ansprechpartner ist in der Regel jene Krankenkasse, bei der der erkrankte Arbeitnehmer versichert ist. Bei geringfügig Beschäftigten (450 Euro-Jobs) und kurzfristig Beschäftigten ist allerdings die Minijob-Zentrale zuständig.

Die Umlage U1 muss wie alle anderen Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Beitragsnachweis angegeben werden. Auch in Bezug auf die Fälligkeit und die Verjährungsfristen bestehen keine Unterschiede. Der Anspruch auf Zahlung verjährt vier Jahre nach Ablauf jenes Kalenderjahres, in dem die Umlage fällig geworden ist (§ 25 SGB IV).

Das Ausgleichsverfahren U2 zur Entgeltfortzahlung bei Mutterschaft

Das Arbeitgeberausgleichsverfahren U2 dient dazu, die finanzielle Belastung für Unternehmen abzufedern, wenn Mitarbeiterinnen in den Mutterschutz gehen. Anders als beim Ausgleichsverfahren U1 zahlen sämtliche Arbeitgeber die Umlage U2, unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten und deren Geschlecht. Die Umlage wird auch dann fällig, wenn in dem Unternehmen ausschließlich Männer beschäftigt sind.

Ausgeschlossen sind dagegen:

  • Über die Krankenversicherung der Landwirte versicherte mitarbeitende Familienangehörige eines landwirtschaftlichen Betriebs
  • Dienststellen ausländischer Streitkräfte sowie der NATO, ausgenommen von dieser Regelung sind allerdings deren zivile Arbeitskräfte.

Die Arbeitsentgelte von Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis nicht länger als vier Wochen besteht, werden auch bei der Berechnung der U2-Umlage nicht berücksichtigt.

Einmalzahlungen bleiben ebenfalls außen vor.

Im Hinblick auf die Zuständigkeit, die Berechnung sowie Fälligkeit und Fristen gilt das Gleiche wie für die Umlage U1.

Vorteile des U2-Verfahrens für den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber kann sich auf Antrag die Aufwendungen erstatten lassen, die er zahlen muss, wenn eine Arbeitnehmerin Mutter wird – und zwar zu hundert Prozent. Satzungsregelungen zur Beschränkung des Erstattungsanspruchs wie beim Ausgleichsverfahren U1 gibt es hier nicht.

  • Ein Erstattungsanspruch besteht in der Regel für die Aufwendungen, zu denen der Arbeitgeber aufgrund der einschlägigen Regelungen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) verpflichtet ist:
  • Gemäß Mutterschutzgesetz erhält die Arbeitnehmerin für die Dauer von sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin, am Entbindungstag sowie für die Dauer von acht Wochen danach (zwölf Wochen bei Früh- und Mehrlingsgeburten) Mutterschaftsgeld (§§ 3 und 6 MuSchG). Der Arbeitgeber muss zum Mutterschaftsgeld einen Zuschuss bezahlen (§ 14 Abs. 1 MuSchG). Dies wird aus der Umlage U2 erstattet.
  • Besteht ein ärztliches Beschäftigungsverbot oder ein Mehr-, Nacht- oder Sonntagsarbeitsverbot (§§ 3 und 6 MuSchG), muss der Arbeitgeber dennoch das Bruttoarbeitsentgelt fortzahlen. Dies wird ebenfalls erstattet.

Kategorie

Unternehmen, Arbeitgeber und Mitarbeiter

Themen:

Lohn und Gehalt Lohnabrechnung Sozialversicherung

Verwandte Artikel

Artikel

Equal Pay Day: Frauen verdienen auch 2024 weniger

Lohn und Gehalt

Trotz der bisherigen Maßnahmen und Veränderungen bleibt der Gender Pay Gap Realität: zwischen den Geschlechtern klafft weiter eine breite Lohnlücke. Wenn man rechnerisch für Frauen und Männer den gleichen Verdienst ansetzt, dann haben die Frauen vom 01 Januar bis zum 6. März 2024 unentgeltlich gearbeitet. Wo direkte geschlechterbasierte Lohndiskriminierung nachweisbar ist, können Arbeitnehmerin sich allerdings juristisch zur Wehr setzen.

Artikel

Hinweisgeberschutzgesetz: was die neuen Whistleblower-Regeln für Arbeitgeber bedeuten

Gesetze Lohn und Gehalt Lohnabrechnung

Ein neues Gesetz schützt Arbeitnehmer, die als Whistleblower Hinweise auf bestimmte Verstöße im Betrieb aufdecken. Ab einer bestimmten Betriebsgröße müssen Arbeitgeber sogar Meldestellen dafür einrichten. Staatliche Anlaufstellen gibt es ebenfalls. Zu den Verstößen gehören viele Pflichtverletzungen im Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnung, etwa Lohndiskriminierung, Mindestlohnverstöße oder nicht abgeführte Lohnsteuer. Arbeitgeber sollten sich auf das Hinweisgeberschutzgesetz und seine Folgen einstellen.

Artikel

Kinderkrankentage, Kinderkrankengeld und akute Pflegesituation: diese COVID-Sonderregelungen wurden verlängert

Gesetze Lohn und Gehalt Versicherungen

Oktober 2022 - Der befristet erhöhte Anspruch auf Kinderkrankentage besteht noch bis Ende 2023. Außerdem gilt noch bis in den April 2023 die Regelung, dass bei COVID-bedingten Kita- und Schulschließungen Kinderkrankengeld in Anspruch genommen werden kann. So lange können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch bis zu zwanzig pandemiebedingte akute Pflegetage beanspruchen.

Artikel

Arbeitgeber müssen für Arbeitszeiterfassung sorgen

Lohnabrechnung Arbeitszeiten Gesetze

Oktober 2022 - Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfasst werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt.

Artikel

Kurzarbeit: Es bleibt beim erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld (KUG)

Lohnabrechnung Lohn und Gehalt Beschäftigungsverhältnis

Oktober 2022 - Unternehmen können auch weiterhin unter erleichterten Bedingungen Kurzarbeit anmelden und Kurzarbeitergeld für ihre Beschäftigten beantragen. Bis vorerst Ende des Jahres 2022 bleibt es dabei, dass Kurzarbeitergeld schon bei einem Arbeitsausfall von 10 Prozent ausgezahlt wird. Außerdem kann die Bundesregierung nun eine Reihe anderer KUG-Sonderregelungen aus der Zeit der Pandemie wieder einführen.