Die Kündigung der betrieblichen Altersvorsorge aus Arbeitgebersicht

Juni 2018: In einer finanziell schwierigen Situation kann der Arbeitnehmer den nachvollziehbaren Wunsch äußern, künftig keine Beiträge mehr in die betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen, oder er möchte sogar über den bereits angesparten Betrag zu verfügen.

In diesem Fall stellt sich naturgemäß die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung überhaupt möglich ist und ob eine Auszahlung von bereits angespartem Vermögen in Betracht kommt.

Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmer, die die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, Anspruch darauf, sich durch eine betriebliche Altersvorsorge zusätzlich abzusichern. Von einer betrieblichen Altersvorsorge ist dann die Rede, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Versorgungsleistungen für den Fall des Erreichens der Altersgrenze, im Falle einer Invalidität oder den Hinterbliebenen im Todesfall zusagt.

In der Regel zahlt der Arbeitnehmer monatlich einen bestimmten Betrag in die betriebliche Altersvorsorge ein. Dieser wird vor Abzug der Steuern vom Bruttoeinkommen abgezogen. In manchen Fällen wird die entsprechende Vereinbarung allerdings so ausgestaltet, dass die Beiträge vom Arbeitgeber gezahlt werden.

Anforderungen an eine einvernehmliche Kündigung

Rechtlich zulässig ist eine einvernehmliche Kündigung nur dann, wenn

  1. Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Unverfallbarkeit vertraglich vereinbart haben und
  2. die gesetzliche Unverfallbarkeit noch nicht erreicht ist.

Die gesetzliche Unverfallbarkeit von Anwartschaften richtet sich nach der Dauer, seit der die Zusage besteht, sowie nach dem Alter des Arbeitnehmers. Aufgrund verschiedener Gesetzesanpassungen gilt hier mittlerweile folgende Staffelung:

  • Für bis Ende 2000 erteilten Zusagen gilt eine Anwartschaft als unverfallbar, wenn dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens bereits seit mindestens 10 Jahren eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung erteilt wurde und er das 35. Lebensjahr vollendet hatte, oder wenn die Zusage bei mindestens 12-jähriger Betriebszugehörigkeit bereits 3 Jahre bestand.
  • Für ab dem 01.01.2001 erteilte Zusagen tritt Unverfallbarkeit bereits nach 5-jähriger Zusagedauer ein, falls beim Ausscheiden das 30. Lebensjahres vollendet war.
  • Für ab dem 1.1.2009 erteilte Zusagen tritt Unverfallbarkeit ebenfalls nach 5-jähriger Dauer der Zusage ein, aber bereits bei vollendetem 25. Lebensjahr bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Seit 01.01.2018 wurden die Voraussetzungen für gesetzliche Unverfallbarkeit von arbeitgeberfinanzierten Anwartschaften reduziert, und zwar auf eine Zusagedauer von mindestens 3 Jahre und Vollendung des Lebensjahres.

 

Abfindungsverbot bei Ende des Arbeitsverhältnisses

Die Abfindung einer unverfallbaren Anwartschaft ist gemäß § 3 Abs. 1 BetrAVG dann untersagt, wenn das Arbeitsverhältnis gleichzeitig beendet wird.

Das sollte als sehr weit gefasst verstanden werden: Das Abfindungsverbot gilt immer, wenn die Abfindung im zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht.

Ein solcher sachlicher Zusammenhang liegt grundsätzlich vor, wenn das Arbeitsverhältnis bei der Vereinbarung über die Abfindung der Anwartschaft zwar noch besteht, eine Kündigung aber bereits ausgesprochen wurde. Das Gleiche gilt, wenn im Rahmen von Gesprächen über einen Aufhebungsvertrages auch die Abfindung der Anwartschaft vereinbart wird.

 

Höhe der Abfindung

Die Abfindungshöhe hängt von dem Kapital ab, das zum Abfindungszeitpunkt gebildet wurde (§ 3 Abs. 5 BetrAVG, § 4 Abs. 5 BetrAVG). Im Falle einer Direktversicherung ist der Rückkaufswert gemäß § 169 Abs. 3 VVG maßgeblich.

Bei nicht gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften sowie bei einer Abfindung im laufenden Arbeitsverhältnis können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Abfindungshöhe frei aushandeln. Üblicherweise bildet hier der Rückkaufswert der Direktversicherung oft eine Verhandlungsbasis.

 

Rechtsprechung zu Abfindung oder Übertragung von Direktversicherungen

  • Das Landesarbeitsgericht Bremen hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer die Auflösung seines Entgeltumwandlungsvertrages vom Arbeitgeber verlangen kann, wenn er sich in einer finanziellen Notlage befindet, das Arbeitsverhältnis aufgrund dauerhafter Erkrankung ruht und nicht davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird (LAG Bremen, Urteil vom 22.06.2011 – 2 Sa 76/10).
    Zwar ist § 3 Abs. 1 BetrAVG auf Abfindungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuwenden und nicht auf Abfindungen im laufenden Arbeitsverhältnis. Die Richter hoben jedoch hervor, dass die beschriebene Situation unter dem Blickwinkel von Sinn und Zweck der Vorschrift mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichzustellen sei. Sie sahen den Arbeitgeber deshalb gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, die eigenen Interessen gegenüber denen des Arbeitnehmers abzuwägen.
  • Vor kurzem hat dann das Bundesarbeitsgericht die Rechtslage noch einmal klargestellt: Der bloße Geldbedarf eines Arbeitnehmers allein begründet keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber, den Versicherungsvertrag einer Direktversicherung zu kündigen, damit der Arbeitnehmer den Rückkaufswert erhält (BAG, Urteil vom 26.04.2018 – 3 AZR 586/16).
  • Mit Urteil aus dem Jahr 2016 (BAG, Urteil vom 19.05.2016 (Az. – 3 AZR 794/14) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber das Verlangen nach der sogenannten versicherungsförmigen Lösung zwar vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklären kann, wenn die betriebliche Altersversorgung eines Arbeitnehmers über eine Direktversicherung durchgeführt wird, dass zu diesem Zeitpunkt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch konkret bevorstehen und damit ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen muss.
    Die sogenannte versicherungsförmige Lösung (§ 2 Abs. 2, 3 BetrAVG) besteht darin, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses annähernd vollständig auf den Arbeitnehmer zu übertragen, so dass dieser die Versicherung selbst mit eigenen Beiträgen weiterführt und gegebenenfalls beenden kann.

 

Klein-Anwartschaften

Für sogenannte Klein-Anwartschaften räumt § 3 Abs. 2 BetrAVG dem Arbeitgeber ein einseitiges Abfindungsrecht ein. Um Klein-Anwartschaften handelt es sich, wenn die Höhe der Leistung, die der Arbeitnehmer bei Erreichen der Altersgrenze zustehen würde, unterhalb einer bestimmten Bagatellgrenze bleibt. Im Falle einer Direktversicherung ist daher der Wert der beitragsfreien Versicherung maßgeblich.

Die Bagatellgrenze beträgt:

  • bei Rentenzusagen 1 % der monatlichen Bezugsgröße, entsprechend 30,45 Euro im Monat für die alten und 26,95 Euro für die neuen Bundesländer für 2018,
  • bei Kapitalzusagen 12/10 der monatlichen Bezugsgröße, für 2018 sind das 3.654 Euro für die alten und 3.234 Euro für die neuen Bundesländer.

 

Laufende Leistungen: Abfindungsverbot und Ausnahmen

Das bereits erwähnte Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG gilt grundsätzlich auch für laufende Versorgungsleistungen. Es bestehen jedoch Ausnahmen:

  • Wenn die laufenden Leistungen erstmals vor dem 01.01.2005 gezahlt wurden, ist eine einvernehmliche Abfindung zulässig (§ 30g Abs. 2 BetrAVG).
  • Klein-Renten können vom Arbeitgeber abgefunden werden. Dafür gelten die bereits genannten Bagatellgrenzen. Wurde die Rente erstmals bereits vor dem 01.01.2005 gezahlt, ist die Abfindung nur einvernehmlich möglich.

 

Steuerliche Behandlung

Rückkaufswerte aus einer Direktversicherungszusage müssen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 5 EstG versteuert werden. Der Arbeitgeber darf keine Steuern einbehalten.

Dabei ist danach zu unterscheiden, ob die geleisteten Beiträge steuerfrei gemäß § 3 Nr. 63 EStG oder gemäß § 40b EstG (Fassung vom 31.12.2004) pauschal zu versteuern waren.

  • Waren die Beiträge steuerfrei, dann muss der Rückkaufswert vollständig versteuert werden.
  • Sind die Beiträge pauschal versteuert worden, dann wird lediglich der Ertragsteil besteuert.

Der Rückkaufswert der Direktversicherung ist gemäß § 40b EstG (Fassung vom 31.12.2004) steuerfrei, wenn die Direktversicherung mindestens 12 Jahre bestanden hat und eine mindestens 5-jährige Dauer der Beitragszahlung vereinbart worden war.

 

Sozialversicherung

Lange Zeit beharrten die Sozialversicherungsträger darauf, dass die Abfindung einer betrieblichen Altersversorgung ein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB 4 darstelle. Das hatte zur Folge, dass die Abfindung beitragspflichtig war. Eine Ausnahme galt lediglich für zulässige Abfindungen im Rahmen der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses.

Dagegen stellten die Richter des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Urteil vom 24.03.2015, 11 R 1130/14, fest, dass es sich bei der Abfindung einer betrieblichen Altersversorgung nicht um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handelt, so dass weder Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung noch zur Arbeitslosenversicherung geleistet werden müssen.

Vielmehr stuften sie die Abfindung als Versorgungsbezug gemäß § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V ein. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass er Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abführen muss.

 

Beitragsfreistellung als Alternative

Für Arbeitnehmer gibt es eine Alternative zur Kündigung der betrieblichen Altersvorsorge. Sie können ihre Beiträge reduzieren oder für einen gewissen Zeitraum ganz aussetzen, indem sie den Vertrag beitragsfrei stellen lassen. Dann bleibt die betriebliche Altersvorsorge erhalten. Allerdings fällt die Rente später naturgemäß geringer aus.

Stand: 02. Juni 2018

Kategorie

Steuern, Bescheinigungen und Rechtliches

Themen:

Altersvorsorge Beschäftigungsverhältnis Sozialversicherung

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