Kurzarbeitergeld - Teil 2: Berechnung und Entgeltabrechnung

März 2017 - Über Kurzarbeit können sich Unternehmen übergangsweise von einem Teil der Lohnkosten entlasten - einfach und wirksam, ohne Mitarbeitern kündigen zu müssen. Aber was bedeutet das finanziell für die Mitarbeiter? Wie hoch fällt das Kurzarbeitergeld aus? Und wie funktioniert die Entgeltabrechnung. Diese Fragen klären wir in unserem Lohn-Update.

Hinweis April 2020: Zum Thema Kurzarbeitergeld (KUG) basierend auf der aktuellen Covid-Pandemie finden Sie hier:

Covid-19: Paychex informiert zum Thema Kurzarbeitergeld

 

Im ersten Teil unseres Ratgebers zur konjunkturellen Kurzarbeit haben wir die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit erklärt und das Antragsverfahren dargestellt. In diesem zweiten Teil geht es nun darum, wie sich der individuelle Kurzarbeitergeld-Anspruch errechnet und was sich in Bezug auf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ergibt.

Schließlich ist es Aufgabe des Arbeitgebers, das Kurzarbeitergeld für jeden betroffenen Arbeitnehmer korrekt zu berechnen und auszuzahlen. Die Arbeitsagentur erstattet anschließend diese Beträge.

Der Arbeitgeber haftet für die korrekte Höhe des Kurzarbeitergeldes nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer. Wenn es aufgrund fehlerhafter Berechnungen oder Angaben zu einer überhöhten Auszahlung durch die Arbeitsagentur kam, haftet er auch für die Rückzahlungsforderung, als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem Arbeitnehmer.

Berechnung des Kurzarbeitergelds

Kurzfassung: Um das Kurzarbeitergeld für einen Mitarbeiter in einem bestimmten Kalendermonat zu berechnen, benötigt man

  • erstens das reguläre Bruttoentgelt, ohne Mehrarbeit und Einmalzahlungen – sein Soll-Gehalt,
  • zweitens das Bruttoentgelt bei durch Arbeitsausfall verkürzter Arbeitszeit, der sogenannte Kurzlohn,
  • drittens eine Tabelle der Arbeitsagentur, die den Bruttoentgelten einen jeweiligen „rechnerischen Leistungssatz“ abhängig von Steuerklasse und Leistungssatz zuordnet,
  • viertens muss schließlich die Differenz aus dem rechnerischen Leistungssatz zum Soll-Gehalt und zum Ist-Gehalt ermittelt werden: dies ergibt den Anspruch auf Kurzarbeitergeld des Mitarbeiters.

Für die ausführlichere Erklärung müssen wir zunächst einige wichtige Begriffe erklären:

  • Die Höhe des Kurzarbeitergelds hängt vom sogenannten pauschalierten Nettoentgeltausfall im Kalendermonat ab: der Differenz aus dem pauschal berechneten Soll-Nettogehalt und dem (ebenfalls pauschalierten) Ist-Nettogehalt.
  • Das Soll-Entgelt ist das sozialversicherungspflichtige Bruttogehalt, das der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit im entsprechenden Kalendermonat erzielt hätte. Überstunden, beitragsfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und einmalige Leistungen werden nicht berücksichtigt. Umgekehrt bleiben auch Gehaltsanpassungen außer Betracht, wenn es vorher zu einer Beschäftigungssicherungsvereinbarung kam.
  • Das Soll-Entgelt wird maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze für die Arbeitslosenversicherung berücksichtigt (2017: monatlich 6.350 Euro im Westen bzw. 5.700 Euro im Osten).
  • Das Ist-Entgelt ist das im Kurzarbeitsmonat tatsächlich erreichte Bruttogehalt – hier wird Mehrarbeit berücksichtigt, Einmalzahlungen dagegen nicht.
  • Für das Kurzarbeitergeld gibt es zwei Leistungssätze: Es beträgt entweder 67 Prozent (Leistungssatz 1) oder 60 Prozent (Leistungssatz 2) des Nettoentgeltausfalls. Anspruch auf Leistungssatz 1 besteht, wenn entweder der Arbeitnehmer selbst oder der Ehegatte (eingetragene Lebenspartner mindestens ein Kind haben, allerdings nur, wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. Damit ein Kind zählt, muss es den Festlegungen von § 32 Abs. 1, 3, 4 und 5 EStG entsprechen – der Leistungssatz 1 beim Kurzarbeitergeld wird, mit anderen Worten, dann gewährt, wenn auch beim Arbeitslosengeld ein Anspruch auf erhöhten Leistungssatz besteht (§ 105 SGB III).
  • Die Arbeitsagentur gibt an, den Leistungssatz 1 dann zu gewähren, wenn als Lohnsteuerabzugsmerkmal ein Kinderfreibetrag mit dem Zähler von 0,5 oder mehr eingetragen ist. Arbeitnehmer mit Steuerklasse V oder VI und einem Kind oder mit im Ausland lebenden Kindern können durch eine entsprechende Bescheinigung Anspruch auf Leistungssatz 1 anmelden.
  • Der rechnerische Leistungssatz ist ein Wert, der dem Leistungssatz (60 bzw. 67 %) zu einem bestimmten pauschalierten Netto-Entgelt entspricht.
  • Für das pauschalierte Netto werden vom Bruttoentgelt eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von derzeit 21 Prozent, die Lohnsteuer gemäß Steuerklasse sowie der Solidaritätszuschlag abgezogen.

Diese rechnerischen Leistungssätze werden von der Arbeitsagentur regelmäßig für Bruttogehälter von 10 bis 6.300 Euro in 20-Euro-Schritten berechnet und als Tabelle zur Verfügung gestellt. Dort lassen sich zu jedem Soll- oder Ist-Entgelt die Leistungssätze 1 und 2 und zwar jeweils für alle sechs Lohnsteuerklassen ablesen.

Der konkrete Kurzarbeitergeldanspruch eines bestimmten Arbeitnehmers für einen konkreten Kurzarbeitsmonat lässt sich mithilfe der Tabelle der Arbeitsagentur bestimmen: Zu dem Soll- und dem Ist-Brutto für diesen Monat werden die beiden individuellen rechnerischen Leistungssätze herausgesucht und der eine Wert vom anderen abgezogen. Die Differenz ergibt das Kurzarbeitergeld.

Ein Beispiel

Frau Müller verdient normalerweise für eine 40 Woche 2.540 Euro brutto (Soll-Entgelt). Sie ist Mutter (Leistungssatz 1) und hat Lohnsteuerklasse III, deshalb entspricht diesem Betrag ein rechnerischer Leistungssatz von 1.277,54 Euro.

Im Kurzarbeitsmonat Mai hat sie nur 20 Stunden pro Woche gearbeitet und 1.270 Euro brutto (Ist-Entgelt verdient. Dem entspricht als rechnerischer Leistungssatz 677,50 Euro.

Frau Müllers Kurzarbeitergeld für Mai beträgt damit 1.277,54 Euro – 677,50 Euro = 600,04 Euro. Diesen Betrag erhält sie zusätzlich zu Ihrem regulären Kurzlohn für die tatsächliche Arbeitszeit, der – beispielsweise – bei gut 1.000 Euro netto liegen könnte, so dass sie insgesamt vielleicht auf ein Monatseinkommen von rund 1.600 Euro kommt.

(Quellenhinweis: Die Tabellenausrisse stammen aus der Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes 2017 der Arbeitsagentur.)

Sozialversicherung

Während der Kurzarbeit sind die Beschäftigen weiter sozialversichert.

Für die Arbeitslosenversicherungsbeiträge sowie die Umlagen U1 und U2 und auch für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ist nur der Kurzlohn die Bemessungsgrundlage. Dagegen müssen Beiträge zur Kranken-, Pflege und Rentenversicherung auch auf die Ausfallstunden abgeführt werden.

Dazu wird ein fiktiver Entgeltanteil zum tatsächlichen Entgelt dazu addiert, beides gemeinsam ergibt dann als sogenanntes Sozialversicherungsentgelt die Beitragsbemessungsgrundlage für Kranken-, Pflege und Rentenversicherungsbeiträge.

Das fiktive Entgelt besteht aus 80 Prozent des Differenzbetrags aus dem Brutto-Soll-Entgelt und dem Brutto-Ist-Entgelt, maximal aber so viel, das die Summe aus Kurzlohn und fiktivem Entgelt die Beitragsmessungsgrenze der Kranken-und Pflegeversicherung nicht überschreitet.

Bei der Pflegeversicherung auf den fiktiven Entgeltanteil entfällt der Beitragszuschlag für Kinderlose.

Die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge auf dieses fiktive Entgelt bezahlt allein der Arbeitgeber, einschließlich eines möglichen Zusatzbeitrags der Krankenversicherung.

Das meldepflichtige Entgelt entspricht dem Sozialversicherungsentgelt.

Lohnsteuer

Lohnsteuer muss nur auf den Kurzlohn entrichtet werden. Das Kurzarbeitergeld ist selbst lohnsteuerfrei. Es unterliegt allerdings dem Progressionsvorbehalt.

Erkrankte Arbeitnehmer

Wenn Mitarbeiter während der Kurzarbeitsmonate erkranken, vermindert sich ihre Entgeltfortzahlung entsprechend dem Arbeits- und Entgeltausfall. Dafür erhalten sie zusätzlich Kurzarbeitergeld. Nach Ablauf des Fortzahlungsanspruchs erhalten pflichtversicherte Arbeitnehmer Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung.

Etwas anderes gilt, wenn die Erkrankung schon vor Beginn des Kurzarbeitszeitraums begonnen hat. Dann vermindert sich während der Kurzarbeitsmonate zwar der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, es besteht aber kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur. Stattdessen besteht Anspruch auf Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse in Höhe des Kurzarbeitergelds. Nach Ablauf der Fortzahlung besteht Anspruch auf reguläres Krankengeld.

Besonderheiten

  • Anders als andere SGB-Leistungen wird Kurzarbeitergeld auch bei Verletzung der Unterhaltspflicht ausgezahlt.
  • Kurzarbeitergeld kann wie Arbeitslohn gepfändet werden, auch dann ist wie bei der normalen Lohnpfändung der Arbeitgeber Drittschuldner, er haftet für die korrekte Ermittlung des gepfändeten Betrags.
  • Der Arbeitgeber haftet außerdem für von Arbeitnehmern unrechtmäßig bezogenes Kurzarbeitergeld als Gesamtschuldner.
  • Muss die Firma Insolvenz anmelden, ist die Arbeitsagentur für bereits ausgereichte, aber noch nicht ausgeschüttete Beträge Insolvenzgläubigerin. (§ 108 SGB III)

Ausblick

Zunächst klingen die Regelungen zum Kurzarbeitergeld reichlich kompliziert. Die entsprechenden Berechnungen jedoch können im Rahmen der Entgeltabrechnung unproblematisch vom Lohnbüro mit erledigt werden.

Erfahren Sie mehr zum Saison-Kurzarbeitergeld und ergänzende Leistungen.

Kategorie

Lohn- und Gehaltsabrechnung

Themen:

Lohn und Gehalt Beschäftigungsverhältnis

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