Mindestlohn 2017 – Teil 2: Wer ist anspruchsberechtigt?

Januar 2017 - Jetzt haben auch Saisonarbeiter und Zeitungszusteller uneingeschränkten Anspruch auf den Mindestlohn. Flächendeckend und Branchenunabhängig – diese Bezeichnungen treffen nun, zwei Jahre nach Einführung, erstmalig zu. In diesem Beitrag führen wir Ihnen die wenigen verbleibenden Ausnahmen vor Augen, die das MiLoG vorsieht, z.B. für Minderjährige, Langzeitarbeitslose und Beschäftigungen in Ausbildungsverhältnissen.

In diesem Teil unserer zweiteiligen Serie zum Mindestlohn befassen wir uns mit der Frage, wer seit dem 01.01.2017 Anspruch auf 8.84 Euro pro Arbeitsstunde erheben kann und wer nicht. Im ersten Teil, der letzten Monat erschienen ist, haben wir uns schon mit der korrekten Kalkulation des Mindestlohns beschäftigt.

Wer hat Mindestlohnanspruch?

Das MiLoG gilt grundsätzlich für sämtliche Arbeitnehmer mit zwei Ausnahmen: Minderjährige ohne abgeschlossene Ausbildung sowie zuvor Langzeitarbeitslosen während der ersten sechs Monate einer Beschäftigung.

Mindestlohn muss unabhängig von der Qualifikation des Arbeitnehmers bezahlt werden. Eine fehlende Aus­bil­dung oder mangelnde Sprachkenntnisse können keine geringere Bezahlung rechtfertigen. Entsprechendes gilt für Rentner und für Schwerbehinderte im Sinne des SGB IX.

Auch für im Unternehmen mitarbeitende Ehepartner und volljährige Kinder bestehen keinerlei Ausnahmereglungen.

Saisonarbeiter und Zeitungszusteller: Saisonarbeiter, etwa in der Landwirtschaft, haben Anspruch auf den Mindestlohn. Bei Zeitungszustellern ist die Anpassung schrittweise erfolgt: Sie haben seit Jahresbeginn 2017 uneingeschränkten Anspruch auf den Mindestlohn.

Ausnahmen vom Mindestlohnanspruch

Das MiLoG gilt nicht für:

  • Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
  • Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz
  • Arbeitnehmer, die unmittelbar vor der Beschäftigung langzeitarbeitslos waren (ein Jahr und länger), innerhalb der ersten sechs Monate einer Neubeschäftigung
  • ehrenamtlich Tätige
  • Selbstständige
  • im Bundesfreiwilligendienst Tätige
  • Heimarbeiter
  • Teilnehmern an Maßnahmen der Arbeitsförderung
  • Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen nach § 136 Abs. 1 SGB IX in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen (LAG Schleswig-Holstein, 11.01.2016 – 1 Sa 224/15)
  • Strafgefangene sowie Sicherungsverwahrte
  • Keinen Rechtsanspruch auf den Mindestlohn haben freie Mitarbeiter und die Organe von Kapitalgesellschaften (Vorstände, Geschäftsführer).

Praktikanten

Im Prinzip gilt der Mindestlohn auch für Praktikanten. Das Gesetz nennt allerdings wichtige Ausnahmen. Kein Anspruch auf Mindestlohn besteht, wenn es sich um ein Pflichtpraktikum für die Schule, eine Ausbildung, eine Berufsakademie oder das Studium handelt, oder um ein Orientierungspraktikum mit dem Zweck, eine Ausbildung auszuwählen. Gleiches muss dann wohl auch für ein im Verlauf einer Ausbildung oder eines Studiums freiwillig abgeleistetes Praktikum gelten. Nach Ansicht der Bundesregierung soll der Praktikant in diesem Fall zwar ab dem ersten Tag Anspruch auf Mindestlohn haben. Die Rechtsprechung hat diese Auffassung bislang jedenfalls aber noch nicht bestätigt.

Nach § 22 Abs. 1 MiLoG ist pro Praktikumsbetrieb oder Einrichtung ein ausbildungs- oder studienbegleitendes Praktikum bis zu einer Dauer von drei Monaten nicht mindestlohnpflichtig. Nach wie vor unklar ist da­gegen, was bei einem Orientierungspraktikum gilt, das länger als drei Monate dauert. Manche Kommentatoren gehen davon aus, dass in einem solchen Fall von Anfang an Mindestlohn gezahlt werden muss.

Klar ist hingegen, dass es sich wirklich um ein Praktikum handeln muss. Ein verdecktes Arbeitsverhältnis führt unabhängig von der gewählten Bezeichnung immer zu Mindestlohnansprüchen.

Mindestlohn bei geringfügiger Beschäftigung

Auch Minijobber haben Anspruch auf Mindestlohn. Seit dem Inkrafttreten des MiLoG zum 01.01.2015 müssen Arbeitgeber die Arbeitszeit von geringfügig Beschäftigten so regeln, dass sich bei einem Stundenlohn von 8,84 Euro pro Stunde (seit 2017) kein Anspruch oberhalb der Grenze von 450 Euro ergibt. Gleichzeitig muss natürlich der Mindestlohn pro Stunde gezahlt werden.

Eine kurze Rechnung ergibt: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) hat ein Berechnungsmodell für ein verstetigtes monatliches Bruttogehalt entwickelt. Dabei wird der Monat mit 4,33 Wochen ge­rech­net. Geht man von einer 40-Stunden-Woche aus, ergeben sich 40 x 4,33 = 173,3 Stunden und die Formel:

450 Euro : 8,84 Euro/Stunde = 50,9 Stunden

Der Minijobber darf also höchstens 50 Stunden arbeiten, damit er die 450-Euro-Grenze nicht überschreitet. Wenn der Minijobber zusätzlich zum Monatslohn auch Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld erhält, fließen diese in der Regel zwar nicht in die Berechnung des Mindestlohns ein (siehe hierzu unser Lohn-Update von Dezember 2016 auf

www.paychex.de/alle_news.html). Sie zählen aber für die Berechnung, ob die Grenze von 450 Euro pro Monat erreicht wird, und müssen hierbei anteilig zum Monatseinkommen hinzuaddiert werden. Dadurch könnte sich die maximal mögliche Zahl der Arbeitsstunden pro Monat für den Minijobber also weiter verringern.

Für Minijobber, die die Rentenversicherungspflicht nicht abwählen, fällt die ausgezahlte Vergütung geringer aus als 450 Euro pro Monat.

Ehrenamt oder Arbeitsverhältnis?

Eine klare Trennung zwischen Ehrenamt und Arbeitsverhältnis ist gesetzlich nicht definiert. Handelt es sich allerdings um ein Ehrenamt, dann stellt es keine Arbeit im Sinne des MiLoG dar. Auch Amateursportler sind keine Arbeitnehmer, sofern ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung im Vordergrund steht und nicht der finanzielle Ausgleich.

In der Praxis bleiben damit zahlreiche Fragen zur Abgrenzung offen. Die Tätigkeit für einen gemeinnützigen Träger schließt, für sich genommen Mindestlohnansprüche jedenfalls noch nicht aus.

Leiharbeiter und Subunternehmer

Bei Leiharbeitnehmern ist der Verleiher dafür verantwortlich, dass dem Leiharbeitnehmer der Mindestlohn gezahlt wird, sofern nicht ohnehin eine höhere Vergütung gilt, etwa aufgrund eines Tarifvertrags.

Dagegen ist längst nicht allen Unternehmern bekannt, dass sie auch gegenüber den Arbeitnehmern von Subunternehmern für die Bezahlung des Mindestlohns haften (§ 14 AEntG i.V.m. § 13 MiLoG).

Urlaubsgeld und Sonderzahlungen: Auch bei Einmalzahlungen ist die Situation nach wie vor unübersichtlich. Im Mai 2016 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber das jährliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld in monatliche Zwölftel aufgeteilt auszahlen und dann auch in den Mindestlohn einrechnen kann (BAG, 25.05.2016 – 5 AZR 135/16). Auch diese Sonderzahlungen seien eine Gegenleistung für geleistete Arbeit – das war für die Richter entscheidend.

Besondere Aufzeichnungspflichten

Bei bestimmten Beschäftigten muss der Beginn, das Ende und damit auch die Dauer der täglichen Arbeitszeit genau dokumentiert werden, so fordert es das MiLoG. Dies sind alle geringfügig Beschäftigten, außerdem Arbeitnehmer im Baugewerbe, der Gastronomie, der Personenbeförderung, in Transport und Logistik, der Forstwirtschaft, der Gebäudereinigung, in Schaustellerbetrieben, im Ausstellungs- und Messebau sowie in der Fleischwirtschaft. (Es gilt die Liste aus § 2 SchwarzArbG.)

Die Aufzeichnungen müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Allerdings gibt es mittlerweile Erleichterungen, wenn die Arbeitnehmer ausschließlich mit mobilen Tätigkeiten beschäftigt sind und sich die Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen können. Dann reicht es aus, wenn nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzeichnet wird.

Arbeitnehmer aus dem Ausland

Auch Arbeitgeber mit Sitz im Ausland müssen Mindestlohn bezahlen, wenn sie einen Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Das Gleiche gilt bei Arbeitnehmerüberlassung durch einen Verleiher mit Sitz im Ausland. Beide sind gemäß § 16 MiLoG zur Anmeldung der Arbeitnehmer bei der Zollverwaltung verpflichtet, wenn diese in den soeben genannten, aufzeichnungspflichtigen Branchen des § 2a SchwarzArbG beschäftigt werden sollen.

Achtung Zollkontrolle

Für die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften sind die Zollbehörden zuständig, die Kontrollen werden von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit durchgeführt. Die Prüfer beziehungsweise Ermittler haben dabei das Recht, Geschäftsräume und Grundstücke des Arbeitgebers, des Auftragsgebers oder Entleihers zu betreten. Sie können Einsicht in Arbeitsverträge oder Geschäftsunterlagen nehmen und Auskünfte verlangen. Einen richterlichen Beschluss benötigen sie dafür nicht.

Außerdem arbeiten sie eng mit den Prüfern des Finanzamts zusammen. Diese besitzen mit der im Jahr 2014 eingeführten Lohnsteuer-Nachprüfung, die ohne Vorankündigung erfolgen kann, sogar ein spezielles Instrument für die Mindestlohnkontrolle aus steuerlicher Sicht.

Weitere Informationen

  • Auf der Internetseite des Zolls (zoll.de) finden sich umfangreiche Übersicht zu Mindestlohnthemen, etwa zu den derzeit geltenden Branchen-Mindestlöhnen oder den Vorschriften nach Arbeitnehmerentsende- und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
  • Das wirtschaftswissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat die Daten alle geltenden Branchen-Mindestlöhne samt Allgemeinverbindlicherkärungen in einer übersichtlichen Tabelle versammelt.

Kategorie

Steuern, Bescheinigungen und Rechtliches

Themen:

Arbeitszeiten Lohnsteuer

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