Soka-Bau: Beitragspflichten und ihre Grenzen

April 2017 - Bauunternehmen müssen für ihre Arbeitnehmer Beiträge an die Soka-Bau bezahlen. So sichern sie deren Urlaubsentgelt, Ausbildung und Rente. Doch wie setzen sich die Beiträge zusammen und welche Unternehmen sind zur Zahlung verpflichtet?

Bauunternehmen müssen für ihre Arbeitnehmer Bei­träge an die Soka-Bau bezahlen, die Sozialkasse für das Bauhauptgewerbe. Diese umfasst zwei Komponenten:

  • Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) finanziert das Urlaubsentgelt für Bauarbeiter sowie die Berufsausbildung einschließlich von Ausbildungsvergütungen.
  • Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG-ZVK ist für eine überbetriebliche Altersvorsorge zuständig.
Beitrag zu West Ost
Urlaubskasse 14,5 %
Berufsausbildung 2,1 %
überbetriebliche Altersvorsorge 3,8 %   0,6 %
Gesamtbelastung 20,4 %   17,2 %

Eine Ausnahme gilt für Berlin: Dort beträgt der Beitrag für die Berufsausbildung 1,65 %, dazu kommt eine Sozialaufwandserstattung von 6,6 % des Bruttolohns, so dass die Gesamtbelastung dort 26,55 % (West) bzw. 23,35 % (Ost) ausmacht. Als Bruttolohn wird stets zumindest der tarifvertraglich vereinbarte Betrag angesetzt.

Bei Angestellten im Bau-Hauptgewerbe werden statt eines prozentualen Beitrags feste Summen für die Zusatzversorgung fällig. Diese betragen im Moment monatlich 79,50 Euro (West) bzw. 25 Euro (Ost), diese Werte bleiben 2017 unverändert.

Urlaubsentgelt

Die ULAK führt für jeden Arbeitnehmer ein Konto, auf dem die individuelle Urlaubsvergütung angespart wird. Darauf zahlen Arbeitgeber während der Dauer der Beschäftigung Beiträge in Höhe von aktuell 14,5 % des Bruttolohns ein.

Diese Urlaubskasse wurde durch die Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft eingeführt. Hintergrund sind die kurzen Beschäftigungszeiten als Besonderheit der Baubranche. Angesichts hoher Personalfluktuation und einer überdurchschnittlichen Insolvenzrate soll die Soka-Bau den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt sichern: Wechselt er innerhalb der Baubranche zu einem neuen Arbeitgeber, bekommt er vom bisherigen Arbeitgeber die angesammelten Urlaubsansprüche nicht ausgezahlt, sondern nimmt sie mit. Seinen kompletten Urlaubsanspruch kann er beim neuen Arbeitgeber einlösen, unabhängig von den Beschäftigungszeiten dort. Dieser zahlt das Urlaubsentgelt aus und bekommt es von der Soka-Bau erstattet.

Berufsausbildung

Über die ULAK werden auch Angebote der überbetrieblichen Ausbildung finanziert und ein Teil der Ausbildungsvergütungen erstattet. Sämtliche Unternehmen des Bauhauptgewerbes führen dafür Abgaben in Höhe von momentan 2,1 % des Bruttolohns für ihre Mitarbeiter ab, mindestens aber 900 Euro im Jahr pro Betrieb. Diese Beitragspflicht gilt für auch für Betriebe, die nicht ausbilden, sowie für Selbstständige ohne Arbeitnehmer.

Die Erstattung der Ausbildungsvergütung bezieht sich nicht nur auf handwerkliche, sondern alle Berufe. Sie ist allerdings begrenzt. Die ULAK erstattet die Ausbildungsvergütung für gewerblich Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr für zehn Monate, im zweiten Jahr für sechs Monate und im dritten Jahr nur noch für einen Monat.

Erfahren Sie mehr zum Ausbildungsumlageverfahren der SOKA-Bau.

Tarifrente Bau und Rentenbeihilfe

Seit dem 1.1.2016 nehmen alle Unternehmen des Bauhauptgewerbes verpflichtend am System der Tarifrente Bau teil. Grund für die überbetriebliche Altersvorsorge ist die Wetterabhängigkeit der Baubranche. Sie führt besonders in den Wintermonaten zu langen Arbeitsausfällen, diese wiederum zu geringeren Einzahlungen in die Rentenversicherung.

Die Tarifrente Bau funktioniert als kapitalgedecktes Vorsorgemodell. Die Beiträge werden allein vom Arbeitgeber finanziert und betragen derzeit 3,8 % des Bruttolohns in den alten und 0,6 % in den neuen Bundesländern. Die Beiträge Ost sollen bis 2028 auf West-Niveau steigen.

Einbezogen sind sämtliche Arbeitnehmer und Auszubildenden außer leitenden Angestellten und geringfügig Beschäftigten. Eine Ausnahme sind ältere Beschäftigte in den alten Bundesländern, die zum 31.12.2015 bereits im Baugewerbe tätig waren und das 50. Lebensjahr vollendet hatten. Für diese Gruppe wird das davor geltende, umlagefinanzierte System der zusätzlichen tariflichen Rentenbeihilfe fortgeführt. Arbeitnehmer, die zu diesem Stichtag jünger als 50 waren, nehmen ihre Leistungsansprüche ins neue System der Tarifrente mit.

Welche Unternehmen sind beitragspflich­tig?

Anders als die Arbeitgeberbeiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung basieren die Sozialkassen-Beiträge nicht auf einer eigenen Gesetzesvorschrift, sondern auf dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) und weiteren Bau-Tarifverträgen. Diese wurden durch die jeweiligen Bundesarbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt und gelten damit grundsätzlich auch für nicht tarifgebundene Unternehmen.

In drei Fällen hat das Bundesarbeitsgericht diese lange Zeit unumstößliche Regel vor einiger Zeit allerdings durchbrochen. Wir kommen gleich darauf zurück.

Welche nicht tarifgebundenen Baubetriebe sind Pflichtmitglieder? Den betrieblichen Geltungsbereich legt § 1 des einschlägigen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) sehr weitgreifend fest, bis hin zu Betrieben, die „sonstige bauliche Leistungen“ erbringen. Neben eindeutigen Fällen wie Maurer- und Tiefbauunternehmen sind damit grundsätzlich auch beispielsweise Trockenbau- oder Fliesenlegearbeiten erfasst. Immerhin nennt § 1 Abschnitt VII VTV auch eine Liste von Tätigkeiten, die ausdrücklich nicht unter die Beitragspflicht fallen. Dazu gehören Dachdeckerei, Elektroinstallation, Gerüstbau, Ofensetzerei, Glaserei, Maler- und Lackiertätigkeiten, Schreinerei, Klempnerei bzw. Gas- und Wasserinstallation, Heizungs-, Lüftungs- und Klimabau, das Parkettlegen, Steinmetztätigkeiten, die Nassbaggerei und der Säurebau.

Wenn die Bautätigkeit nur ein Teil der Aktivitäten eines Unternehmens ausmacht, ist nicht der Gewinn- oder Umsatzanteil entscheidend, sondern die Arbeitszeit: Entfallen mehr als 50 % der Gesamtjahresarbeitszeit auf bauliche Leistungen im Sinne des VTV, ist der Betrieb Pflichtmitglied der Sozialkasse.

So kann etwa ein Dienstleister, der Heiz- und Trocknungsgeräte aufstellt, beitragspflichtig werden, wenn er über das Jahr gerechnet mehr als 50 % seiner Arbeitszeit mit der Trocknung von Baustellen verbringt (BAG, 14.7.2010, 10 – AZR 164/09). Das zeigt, dass unter Umständen auch ein Betrieb Beiträge an die Soka-Bau abführen muss, der sich selbst keineswegs als typischen Baubetrieb sieht, von branchentypischen Renten- und Urlaubsproblemen nicht wirklich tangiert wird und deshalb an den Leistungen der Sozialkasse auch kein Interesse hat.

Das SokaSiG und der Rechtsstreit um die Allgemeinverbindlichkeit

Die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung der die Soka-Bau betreffenden Tarifverträge rechtens war, hat selbst den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schon beschäftigt (EGMR, 02.06.2016 - 23646/09). Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstößt die Pflichtmitgliedschaft des Sozialkassenverfahrens nicht gegen das Menschenrecht auf Vereinigungsfreiheit. Die Beitragspflicht sei auch für jene Betriebe rechtskonform, deren Kernaufgabe nicht das Baugewerbe ist.

Deutlich mehr Hoffnung machten den Kritikern der Sozialkassen zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15), in denen die Allgemeinverbindlicherklärung des Sozialkassenverfahrens für drei zurückliegende Zeitabschnitte für unwirksam erklärt wurde. Und das umso mehr, als weitere Verfahren für die Jahre 2012 und 2013 bereits anhängig sind.

Moniert hatten die Richter formelle Aspekte beim Zustandekommen der Allgemeinverbindlicherklärung. Zum einen betrachteten sie diese Erklärungen als sogenannte Normsetzung, für die sich der zuständige Minister höchstpersönlich mit der Sache befassen muss – was weder Andrea Nahles noch ihre Vorgänger getan hatten. Dazu kam, dass nach damals gültigem Recht für eine Allgemeinverbindlicherklärung mindesten 50 % der Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sein mussten, was das BAG nicht ausreichend belegt sah.

In Folge der Entscheidung waren in den Zeiträumen Oktober 2007 bis Dezember 2009, Januar 2010 bis Dezember 2011 und Januar bis Dezember 2014 nur tarifgebundene Arbeitgeber beitragspflichtig. Nachforderungen der Soka-Bau an nicht tarifgebundene Beitriebe fehlte für die genannten Zeiträume die Rechtsgrundlage. Dazu standen Rückforderungsansprüche im Raum. Auf diese für die Sozialkassen prekäre Lage hat die Politik jedoch umgehend reagiert und mit rekordverdächtiger Eile das „Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe“ (SokaSiG) durch den Bundestag gebracht. Es wurde am 26. Januar 2017 beschlossen und hat im Grund nur den Zweck, eine lange Reihe von Tarifverträgen seit 2008, die die Soka-Bau betreffen, nun rückwirkend per Gesetz für allgemeinverbindlich zu erklären.

Das führt bereits zu heftigen Diskussionen unter Rechtsexperten. Im Zentrum steht dabei das grundsätzliche Rückwirkungsverbot eines Gesetzes. Es scheint nicht so, als ob der Streit um die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge und damit der Soka-Bau-Ansprüche wirklich beendet wäre.