Statistische Erhebungen zu Verdienst und Arbeitskosten

November 2017 - Von Zeit zu Zeit erhalten Unternehmer Post von den Statistischen Ämtern, die oft erstaunlich detailreiche Auskünfte zu ausbezahltem Lohn und Gehalt erheben möchten. Das bedeutet Aufwand, dem man sich in der Regel leider nicht verwehren kann – auch wenn ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kürzlich anmahnte, dass die Belastung für die Unternehmen soweit als möglich reduziert werden soll.

Auskunftspflicht bei Erhebungen

Zu den ungeliebten gesetzlichen Pflichten von Unternehmen gehört es, bei bestimmten Erhebungen der statistischen Landesämter mitzuwirken. Davon betroffen sind auch Lohn- und Gehaltsdaten. Vor allem bei drei regelmäßigen Erhebungen werden unmittelbar Angaben aus der betrieblichen Lohnabrechnung abgefragt: Dies sind die Erhebung der Arbeitsverdienste (vierteljährlich), die Erhebung der Verdienststruktur und die Erhebung der Arbeitskosten (beide im Vierjahresrhythmus). Dazu kommen besondere Erhebungen wie die freiwillige (!) besondere Verdienststatistik, die 2017 erhoben wird, um Erkenntnisse zum Mindestlohn zu gewinnen.

Die Datenübermittlung erfolgt in allen Bundesländern längst elektronisch in Form von Online-Fragebögen. Trotzdem ist es für die ausgewählten Unternehmen oft mit großem Aufwand verbunden, die Neugier der Statistiker zu befriedigen. Die Mehrzahl der zur Befragung ausgewählten Unternehmen würde gern auf die Mitwirkung verzichten. Doch die ist nicht freiwillig. Betriebe, die dafür ausgewählt werden, sind zur Auskunft verpflichtet.

Deshalb erregte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März Aufsehen. Die Richter entschieden, dass die bisherige Praxis bei der Heranziehung von Unternehmen zur Auskunft für die Dienstleistungserhebung in zwei Fällen ermessensfehlerhaft war. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die praktische Auswirkung der Entscheidung eher überschätzt wird (mehr dazu unten).

 

Grund für die Auskunftspflicht

Das Statistische Bundesamt benötigt für seine Erhebungen Stichproben, die tatsächlich repräsentativ sind. Nähmen nur Freiwillige an den Befragungen teil, würde das die Statistik verfälschen. Die Gruppe derer, die – aus welchem Grund auch immer – nicht von selbst antworten, kann sich ganz anders zusammensetzen als die der bereitwilligen Teilnehmer. Diese Form der Strichprobenverzerrung wird in der Methodenlehre als Schweigeverzerrung oder auch als Selbstselektion bezeichnet. Zur Vermeidung solcher Fehler ist bei Erhebungen für amtliche Statistiken im Regelfall eine Auskunftspflicht gesetzlich festgeschrieben. Eine Ausnahme besteht nur fallweise, zum Beispiel gemäß § 8 Abs. 2 VerdStatG für Existenzgründer mit geringen Umsätzen.


Rechtsgrundlage

  • Gesetzliche Grundlage sind das Bundesstatistikgesetz und die Landesstatistikgesetze der Bundesländer. Darüber hinaus gibt es mehr als 100 weitere Rechtsgrundlagen allein auf nationaler Ebene zu einzelnen Statistiken. Auf EU-Ebene kommen weitere Normen hinzu.
  • Rechtsgrundlagen speziell für Statistiken/Erhebungen zum Thema "Verdienste & Arbeitskosten" sind das „Gesetz zu dem Übereinkommen Nummer 160 der Internationalen Arbeitsorganisation“ und das Verdienststatistikgesetz (VerdStatG).
  • Die Rechtsgrundlage für die Dienstleistungserhebungen, die das erwähnte Urteil ausgelöst haben, sind das Dienstleistungsstatistikgesetz (DlStatG) und das Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz (DLKonjStatG).

 

Erhebungen von Entgeltdaten

Verdienststatistik
Aus Sicht der Lohn- und Gehaltsabrechnung besonders relevant sind die vierteljährlichen Verdiensterhebungen, für die – neben anderen Körperschaften – Unternehmen bzw. Betriebe ab zehn, in manchen Branchen auch ab fünf Arbeitnehmern herangezogen werden. Abgefragt werden der Wirtschaftszweig, eine mögliche Tarifbindung, außerdem bezogen auf das vorhergehende Vierteljahr die Zahl der Beschäftigten (in Form von „Personenmonaten“, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Art der Beschäftigung und Leistungsgruppenzugehörigkeit ), die Zahl der angefallenen Arbeitsstunden, und die Summe der Bruttoverdienste, wobei Sonderzahlungen gesondert anzugeben sind. Die Angaben zum Bruttoverdienst sind nicht pro Arbeitnehmer gefragt. Vielmehr müssen Verdienstsummen gebildet werden: nach Beschäftigungsart (Vollzeit, Teilzeit, geringfügig beschäftigt), nach Geschlecht und nach Leistungsgruppen (s.u.). Einbezogen werden alle Arbeitnehmer, die für mindestens einen vollen Monat des Quartals entlohnt wurden.

 

Verdienststrukturerhebung

Die Verdienststrukturerhebung findet alle vier Jahre statt, die nächste Erhebung ist für 2018 vorgesehen. Hier müssen schon Betriebe ab einem Arbeitnehmer damit rechnen, einbezogen zu werden.

Die Daten sind teilweise für das gesamte Jahr anzugeben, teilweise auf einen bestimmten Monat bezogen (seit 2014 der April, davor war dies der Oktober). Zu den abgefragten Daten gehören Angaben zu den Arbeitnehmern (Geschlecht, Geburtsjahr, Unternehmenszugehörigkeit, Beruf, Qualifikation, Vergütungs-/Leistungsgruppe) und zu den Beschäftigungsverhältnissen (Zahl der vereinbarten Arbeitsstunden, Überstunden, Tarifbindung, Leistungsgruppen, Vollzeit-/Teilzeit-/geringfügige Beschäftigung, Bruttojahres- und Bruttomonatsverdienst, Urlaubsanspruch).

 

Arbeitskostenerhebung
Bei dieser Erhebung werden im Vierjahresturnus bei Arbeitgebern mit mindestens zehn Arbeitnehmern in detaillierter Form Angaben zur Zusammensetzung der Arbeitskosten abgefragt. Das sind einmal Angaben dazu, wie sich die Bruttoverdienste zusammensetzen, zur bezahlten Arbeitszeit und zu Sonderzahlungen. Ein weiteres Thema sind die Lohnnebenkosten: Neben Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen stehen dabei Leistungen zur betrieblichen Altersvorsorge, die Lohnfortzahlung sowie Weiterbildungsaufwendungen im Fokus. Zusätzlich werden Lohnsubventionen erfragt.

Um die Gegenleistung zur Kostenseite einschätzen zu können, werden weiterhin genaue Angaben zur Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und zur Zahl der Arbeitsplätze gefordert. Hierbei müssen Teilzeitstellen in Vollzeitarbeitsverhältnisse umgerechnet werden. Bei der Arbeitskostenerhebung werden auch Auszubildende mit einbezogen.

 

Wichtige für die Erhebung

Leistungsgruppen
Für Betriebe ohne Tarifregelung existieren bei den genannten Erhebungen folgende Leistungsgruppen. Sie dienen dazu, die Vergütungsniveaus zu unterteilen:

  • Leistungsgruppe 1: Führungskräfte (z. B. Abteilungsleiter oder Geschäftsführer)
  • Leistungsgruppe 2: schwierige oder komplexe Tätigkeiten (selbstständig arbeitende Spezialisten, aber auch Meister und Vorarbeiter)
  • Leistungsgruppe 3: Fachkräfte, deren Tätigkeiten in der Regel eine Berufsausbildung erfordert
  • Leistungsgruppe 4: Angelernte Kräfte
  • Leistungsgruppe 5: Ungelernte und Hilfskräfte


Leih- oder Zeitarbeitnehmer

Aus Sicht der Statistiker werden Leiharbeiter und Zeitarbeiter dem Verleiher bzw. dem Zeitarbeitsunternehmen zugerechnet, nicht den Unternehmen, bei denen sie im Einsatz sind.

 

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

In dem Fall ging es um die ebenfalls regelmäßig und unter Auskunftspflicht erhobene Dienstleistungsstatistik (BVerwG, Urteil vom 15.03.2017, 8 C 6.16 und 8 C 9.16). Geklagt hatten eine Baugenossenschaft und eine Anwaltskanzlei, die einer sogenannten „Totalschicht“ angehörten: Sie wurden bei der Voreinteilung zur Auswahl der zu befragenden Unternehmen in einen Topf mit so wenigen anderen Unternehmen eingeordnet, dass sie über Jahre hinweg bei jeder Erhebung herangezogen wurden.

Die Klage war nach Auffassung der Richter am Bundesverwaltungsgericht begründet: Die Auswahl der Unternehmer durch die Statistischen Landesämter war nur auf die Erzielung möglichst genauer Ergebnisse ausgerichtet, ohne gleichzeitig eine möglichst geringe Belastung der Auskunftspflichtigen im Auge zu haben. Darin sahen die Richter einen Ermessensfehler. Dass Unternehmen für amtliche Statistiken Daten bereitstellen müssen, die eigentlich unter ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung fallen, wurde dagegen als unproblematisch eingestuft.

Im Ergebnis bleibt für Unternehmen, die sich gegen die Teilnahmepflicht an einer Statistik wehren wollen, wenig Spielraum. Die statistischen Landesämter müssen zwar nachweisen, dass sie beim Auswahlverfahren auch die Belastung der Betroffenen berücksichtigen - deshalb werden sich die Statistischen Bundesämter für das Erhebungsverfahren bei Totalschichten etwas Neues einfallen lassen müssen. Sie dürfen aber nach wie vor unter Verweis auf den Bedarf an repräsentativen Erhebungen Daten fordern, deren Bereitstellung für die Auskunftspflichtigen mit großer Mühe verbunden ist.

 

Service bei Paychex

Kunden von Paychex können den Bescheinigungsservice nutzen, der die Daten für die genannten Erhebungen zusammenstellt.

Stand: 23. Oktober 2017

Kategorie

Steuern, Bescheinigungen und Rechtliches

Themen:

Lohn und Gehalt Gesetze

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