Quarantäne: Erstattung der Lohnfortzahlung hängt vom Arbeitsvertrag ab

September 2021: Arbeitgeber müssen die Erstattung des Verdienstausfalls vorstrecken, wenn Mitarbeiter in Corona-Quarantäne sind. Das ist bereits Belastung genug. Unter Umständen kann es noch schlimmer kommen: Wurde eine bestimmte Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen, bleibt das Unternehmen wohl auf diesen Kosten sitzen. Es erhält dann dafür keine Erstattung vom Staat. So hat es das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden.

Erstattung des Verdienstausfalls bei Quarantäne: Der Arbeitgeber muss in Vorleistung gehen


Sind Mitarbeiter zur Quarantäne verpflichtet und können deshalb nicht arbeiten, muss der Arbeitgeber ihnen ihren Lohn oder das Gehalt fortzahlen. Diese Pflicht ergibt sich aus § 56 Infektionsschutzgesetz. Sie gilt für bis zu sechs Wochen und damit länger, als eine Corona-Absonderung in aller Regel dauert.

Mit dieser Regelung verpflichtet der Staat den Arbeitgeber, für ihn in Vorleistung zu gehen – denn eigentlich sind die Bundesländer für die Entschädigung des Quarantäne- Verdienstausfalls zuständig. Immerhin bekommt der Arbeitgeber das als Quarantäne-Entschädigung verauslagte Geld im Anschluss von der zuständigen Behörde seines Bundeslandes erstattet. Allerdings kann die Erstattung am § 616 BGB scheitern.

 

 

§ 616 BGB: Lohnfortzahlungspflicht bei „Vorübergehender Verhinderung“


Arbeitnehmer, die aus persönlichen Gründen „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ nicht zur Arbeit erscheinen können, haben gemäß § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs trotzdem Anspruch auf ihren Lohn. Voraussetzung ist, dass sie die Verhinderung nicht selbst zu verantworten haben.

Diese Bestimmung ist abdingbar – ihre Wirkung kann im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder auch per Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Ist das nicht geschehen, dann können Arbeitnehmer beispielsweise der Arbeit fern bleiben, weil sie ihre von einer Zahnwurzelentzündung geplagte Mutter als Notfallpatientin zur Zahnklinik bringen müssen. Den Lohn für die Ausfallstunden darf der Arbeitgeber trotzdem nicht kürzen.

Wie lange die „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ dieser Lohnfortzahlungspflicht dauert, legt das Gesetz nicht fest. Die Rechtsprechung ist nicht ganz einheitlich. Sie geht in der Regel aber mindestens von einigen Tagen aus.

 


Das Urteil aus Koblenz

Auf Grundlage der genannten BGB-Regelung hat das Land Rheinland-Pfalz einer Großbäckerei die Erstattung der Quarantäne-Lohnzahlung an zwei Mitarbeiterinnen gekürzt bzw. verweigert. Das Verwaltungsgericht Koblenz bestätigte die entsprechenden Bescheide. Die eine Frau musste sich auf behördliche Anordnung hin 14 Tage lang absondern, bei der anderen dauerte die Quarantäne eine Woche. Eine Erstattung bekam der Betrieb jedoch nur für die zweite Quarantäne-Woche der einen Frau. Die erste Woche wurde in beiden Fällen nicht anerkannt.

Das Verwaltungsgericht schloss sich deren Sichtweise der Landesbehörde an: Demnach hatten die beiden Mitarbeiterinnen für fünf Arbeitstage Anspruch auf Lohnfortzahlung aufgrund von § 616 BGB. Der Quarantänefall wurde als ein „in ihrer Person liegender Grund“ gewertet, der sie ohne ihr Verschulden am Arbeiten hinderte. Und weil es damit keinen Lohnausfall gab, bestand auch kein Entschädigungs- oder Erstattungsanspruch.

 


Arbeitsverträge prüfen – und nach Möglichkeit nachbessern


Arbeitgeber tun gut daran, als Reaktion auf dieses Urteil die arbeitsvertragliche Situation im eigenen Haus zu kontrollieren. Enthalten die Arbeitsverträge eine Klausel zu § 616 BGB? Wenn nicht: Lässt sich diese Bestimmung nachträglich ausschließen, zum Beispiel durch eine Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Änderungen?

Dass dafür anwaltliche Beratung sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Immerhin: Die Arbeitnehmer müssen keine Einbußen im Quarantänefall befürchten, wenn der Paragraph abbedungen wird. Sie erhalten bei Quarantäne den gleichen Betrag. Der Ausschluss der BGB-Regelung stellt jedoch sicher, dass der Arbeitgeber seine Ausgaben erstattet bekommt.

 


Kein Entschädigungsanspruch bei vermeidbaren Reisen in Risikogebiete


Wichtig zu wissen: Arbeitnehmer, die aus eigenem Leichtsinn in Quarantäne landen, können vom Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung fordern. Das gilt zum Beispiel bei einer vermeidbaren Reise in ein Corona-Risikogebiet.

War dieser Status schon bei Reiseantritt bekannt, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn er sich nach seiner Rückkehr absondern muss. Damit fällt auch die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers fort, sowohl nach Infektionsschutzgesetz wie nach § 616 BGB. Bei Impfverweigerern spricht vieles dafür, dass sie mit dem bewussten Verzicht auf eine mögliche Impfung ihren Erstattungsanspruch ebenfalls aufgeben. Allerdings ist in diesem Fall die Rechtslage noch nicht endgültig geklärt.

 


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