Equal Pay: Strenge Maßstäbe vom Bundesarbeitsgericht

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können für vergleichbare Tätigkeiten das gleiche Entgelt wie ihre Kollegen beanspruchen, wenn auch Qualifikation, Betriebszugehörigkeit, Berufserfahrung und Eignung vergleichbar sind. Das ist schon lange geltendes Recht. Trotzdem entzünden sich am Equal-Pay-Anspruch regelmäßig Konflikte. Zwei Streitfragen wurden nun vom BAG entschieden.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – aber was ist gleich?

Das Equal-Pay-Prinzip ist fester Bestandteil des Arbeitsrechts.

  • Beschäftigte dürfen bei gleicher Qualifikation für eine gleichwertige Arbeit nicht willkürlich unterschiedlich bezahlt werden. Das verlangt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz.
  • Besonders strikt sind sowohl das EU-Recht als auch die deutschen Gesetze bei Entgeltdiskriminierung von Frauen gegenüber Männern (Art. 157 AEUV, § 3 EntgTranspG).
  • Geringere Entlohnung ist nicht nur aus Gründen des Geschlechts, sondern auch der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verboten und kann zu Schadenersatz führen (§ 1 i. V. m. § 7 u. § 15 AGG).
  • Bei Teilzeitkräften und Mitarbeitern mit Zeitvertrag verbietet das Gesetz ebenfalls eine schlechtere Bezahlung (§ 4TzBfG).

Trotzdem der Regelungen gibt es in der Praxis häufig Konflikte. Ist der besser bezahlte männliche Kollege tatsächlich umfassender qualifiziert und der „Pay Gap“ deshalb gerechtfertigt? Übt die schlechter bezahlte Frau vergleichbare oder weniger anspruchsvolle Aufgaben aus? Und was ist, wenn Frauen wegen Erziehungszeiten oder Teilzeitphasen auch in Sachen Gehaltsentwicklung hinterherhinken, weil so für sie weniger Berufserfahrung zusammenkommt? Beim Thema Equal Pay ist viel Platz für Streitigkeiten. Als Folge landet das Thema regelmäßig vor den Arbeitsgerichten.

 

Equal Pay gilt auch für Minijobber und schlechte Verhandlerinnen

In zwei neuen Entscheidungen aus dem Jahr 2023 hat das Bundesarbeitsgericht die Equal-Pay-Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestärkt.

  • Die eine Entscheidung bezog sich auf einen Minijobber, der die gleiche Tätigkeit ausübte wie seine sozialversicherungspflichtig beschäftigten Kollegen. Trotzdem lag sein Stundenlohn fast um ein Drittel geringer (BAG, 18.01.2023 – 5 AZR 108/22).
  • Der zweite Fall drehte sich um eine Außendienstmitarbeiterin, die schlechter verhandelt hatte als ein Kollege und deshalb deutlich weniger verdiente (BAG, 16.02.2023 – 8 AZR 450/21).

In beiden Fällen verpflichtete das BAG die Arbeitgeber zur Nachzahlung des Lohnunterschieds. Der Außendienstlerin sprachen die Richter zudem 2.000 Euro Schadenersatz zu.

Rettungssanitäter im Minijob: Gleicher Stundenlohn-Anspruch wie Vollzeit-Kollegen
Ein Rettungssanitäter war als geringfügig Beschäftigter bei einem Rettungsdienst im Münchner Raum beschäftigt. Seine Arbeitszeit betrug 16 Arbeitsstunden pro Monat, der Stundenlohn zwölf Euro. Seine Kollegen in Vollzeit erhielten 17 Euro pro Stunde. Der Minijobber klagte auf Nachzahlung der Differenz.

Der Arbeitgeber wandte ein, dass die Minijobber im Unterschied zu den „Hauptamtlichen“ ihre Einsatzzeiten nach Wunsch legen und Dienste auch ablehnen konnten. Die fünf Euro Lohndifferenz begründete er mit der größeren Planungssicherheit und dem geringeren Planungsaufwand bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Das ließ das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht gelten. Es bekräftigte die geltende Gesetzeslage: Geringfügig Beschäftigte sind Teilzeitkräfte, das gesetzliche Benachteiligungsverbot von Teilzeitbeschäftigten gilt auch für sie. Ohne Sachgrund können Arbeitgeber Minijobbern bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keinen geringeren Stundenlohn zahlen als ihren Kollegen. Der erhöhte Aufwand bei der Personalplanung war für die Richter kein sachlicher Grund.

 

Besseres Verhandlungsgeschick ist kein Argument für unterschiedliche Gehälter

Eine Außendienstmitarbeiterin bekam ein geringeres Grundgehalt als ein Kollege, der ungefähr mit ihr in die Vertriebsabteilung eingetreten war. Der Arbeitgeber hatte beiden ein Gehalt von 3.500 Euro pro Monat angeboten. Die Frau akzeptierte dies. Der Mann verlangte und erhielt jedoch zunächst 4.500 Euro Gehalt. Nach einem halben Jahr erhielt er zusätzlich zum Grundgehalt eine leistungsabhängige Provision, gleichzeitig wurde das Grundgehalt auf 3.500 Euro gesenkt. Später wurde sein Grundgehalt wieder auf 4.000 und dann auf 4.120 Euro monatlich erhöht. Das Grundgehalt der Frau stieg dagegen nur auf 3.620 Euro.

Auch in ihrem Fall akzeptierte das Bundesarbeitsgericht die Argumente des Arbeitgebers nicht. Der argumentierte, er hätte die Stelle nicht besetzen können, wenn er nicht auf die Gehaltsforderung des Mannes eingegangen wäre. Dass der Mann besser verhandelt hatte, war in den Augen der Richter jedoch keine Rechtfertigung für die unterschiedliche Gehaltshöhe. Weil das Allgemeine Gleichstellungsgesetz eine Schadenersatzpflicht bei Benachteiligung von Beschäftigten vorsieht, musste das Unternehmen der Frau nicht nur die Gehaltsdifferenz, sondern auch eine Entschädigung bezahlen.

 

Entgeltunterschiede erfordern einen Sachgrund

Equal Pay ist kein absolutes Prinzip unabhängig von der individuellen Eignung. Arbeitgeber dürfen die bessere Qualifikation, eine längere Betriebszugehörigkeit, bessere Leistungen oder ein Plus an Aufgaben mit höherem Lohn oder einem höheren Gehalt für einen Mitarbeiter gegenüber anderen honorieren. Dies gilt auch weiterhin. Daran ändern die beiden Gerichtsentscheidungen nichts.

Sie zeigen jedoch, dass die Rechtsprechung immer sensibler reagiert, wenn keine eindeutigen Sachgründe für unterschiedliche Bezahlung angeführt werden. Vermeintliche Begründungen wie der knallharte Verhandlungsstil eines Bewerbers, der organisatorische Aufwand der Einsatzplanung oder rein subjektive Einschätzungen des Arbeitgebers zur Eignung haben vor den Arbeitsgerichten wenig Aussicht auf Bestand.

 

Entgeltpraxis prüfen, Nachzahlung vermeiden

Umfangreiche Nachzahlungen nach einer erfolgreichen Equal-Pay-Klage sind teuer und schlecht für den Betriebsfrieden. Deshalb lohnt es sich, die eigene Entgeltzahlungspraxis auf mögliche Klage-Risiken zu überprüfen: Gibt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für ähnliche Arbeit unterschiedlich viel Geld bekommen? Kann jedem solchen Fall eine stichhaltige Begründung zugeordnet werden, etwa eine längere Betriebszugehörigkeit des oder der besser Bezahlten, eine zusätzliche Qualifikation oder eine höhere Verantwortung?

Voraussetzung für eine solche Überprüfung ist eine transparente Lohnabrechnung, die die notwendigen Zahlen einfach bereitstellt. Paychex-Kunden sind auch hier im Vorteil.

Besonders virulent sind Nachzahlungsansprüche bei Minijobbern: Sie sorgen in der Regel dafür, dass im Nachhinein aus der geringfügigen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit wird. Somit werden Sozialversicherungsbeiträge für bis zu vier Jahre fällig. Der Großteil davon bleibt am Arbeitgeber hängen, denn der Arbeitnehmeranteil darf nur bei den nächsten drei Lohnzahlungen nach Fälligkeit abgezogen werden.

Kategorie

Lohn- und Gehaltsabrechnung

Themen:

Gesetze Lohn und Gehalt

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