Die Anrufungsauskunft im Lohnsteuerverfahren
Kostenlose, bindende Auskunft zu konkreten lohnsteuerlichen Sachverhalten
Februar 2019 - Das Lohnsteuerrecht ist von erheblicher Komplexität. Gleichzeitig führt eine Fehleinschätzung der Lohnsteuerpflicht zu beträchtlichen Risiken. Werden etwa bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung Fehler festgestellt, summieren sich schnell beträchtliche Nachforderungen auf. Schließlich haftet der Arbeitgeber für die korrekte Abführung. Versäumnisse können darüber hinaus in die persönliche Haftung von Geschäftsführern
oder Vorständen münden.
Um solche Probleme zu vermeiden, gibt es das Instrument
der Anrufungsauskunft.

Arbeitgeber (wie auch Arbeitnehmer) können bei konkreten Fragen zur Lohnsteuerpflicht vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eine für alle Seiten verbindliche, kostenlos erteilte Auskunft verlangen.
Hinweis: Ausrufungsankunft und verbindliche Auskunft
Die Ausrufungsauskunft ist zwar verbindlich, sie muss jedoch von der sogenannten „verbindlichen Auskunft“ des Finanzamts unterschieden werden. Letztere bezieht sich auf das Einkommensteuerveranlagungsverfahren, wird dementsprechend vom jeweiligen Wohnort-Finanzamt erteilt und ist kostenpflichtig.
Typische Themen für einen Antrag auf Anrufungsauskunft
Typische Anlässe für das Einholen einer Anrufungsauskunft sind beispielsweise:
- Fragen zur Arbeitnehmereigenschaft eines Betriebsangehörigen
- Fragen zum geldwerten Vorteil, den eine bestimmten Leistung bewirkt
- Fragen zur Entgeltumwandlung
- Fragen zur Abgrenzung von Sachbezügen und Aufwandserstattung
- Fragen zu lohnsteuerlichen Freigrenzen und Freibeträgen
- Fragen zur Pauschalversteuerung
- Fragen zu Lohnsteuerabzugsmerkmalen oder zu Lohnsteuertabellen
- Fragen zur Lohnsteuer bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen
Rechtsgrundlage
Gesetzlich geregelt ist die Anrufungsauskunft in § 42e EStG. Zitat: „Das Betriebsstättenfinanzamt hat auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind“.
Bestimmungen zur praktischen Anwendung fasst darüber hinaus das Bundesministerium in Form von BMF-Schreiben zusammen, zuletzt im BMF-Schreiben IV C 5 – S 2388/14/10001 vom 12.12.2017.
Berechtigung zum Einholen einer Anrufungsauskunft
Zum Einholen einer Ausrufungsankunft berechtigt sind die am Lohnsteuerverfahren „Beteiligten“. Das sind zum einen der Arbeitnehmer sowie dessen Steuerberater als Beauftragter, zum anderen der Arbeitgeber und sein Steuerberater. Auskunft beantragen können gesetzliche Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie gegebenenfalls Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte.
Zuständigkeit für die Erteilung
Zuständig für die Erteilung ist das jeweilige Betriebsstättenfinanzamt. Ist die Anfrage für mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens relevant, dann ist die Anrufungsauskunft für sämtliche jeweils zuständige Finanzämter bindend.
Die Koordination und Information der Ämter untereinander liegt in deren Verantwortung. Allerdings kann die Kooperation verschiedener Betriebsstättenfinanzämter untereinander im Rahmen des Antrags auf eine Anrufungsauskunft mit beantragt werden. Das liegt beispielsweise bei einem Konzern nahe, unter dessen Dach mehrere Arbeitgeber zusammengefasst sind, für die ein konzernweit einheitliches Vorgehen beim Lohnsteuerabzug sichergestellt werden soll.
Das Antragsverfahren
Für den Antrag auf eine Anrufungsauskunft ist keine bestimmte Form vorgeschrieben – er kann sogar mündlich gestellt werden, obwohl dies nicht anzuraten ist.
Zwingend erforderlich ist dagegen, sich auf einen konkreten Sachverhalt zu beziehen und die Rechtsfragen, zu denen Auskunft gesucht wird, klar und detailliert zu benennen. Diese Fragen müssen sich naturgemäß auf Aspekte des Lohnsteuerabzugs beziehen. Fragen zur Einkommensteuer. sind ebenso wenig zulässig wie abstrakte oder hypothetische Fragen.
Sinnvoll, wenngleich formell nicht notwendig, ist der explizite Hinweis darauf, dass eine Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG gewünscht wird.
Welche Form muss eine Anrufungsauskunft haben?
Die Erteilung der Anrufungsauskunft ist ein Verwaltungsakt des zuständigen Betriebsstättenfinanzamts und muss deshalb entsprechenden Anforderungen genügen (§§ 118 bis 132 AO). Sie wird in Form eines Bescheids erteilt.
Inhaltlich besteht sie in einer Regelung über die Beurteilung des vom Antragsteller vorgebrachten Sachverhalts durch die Finanzbehörde.
Mögliche Befristung
Da es sich bei der Beurteilung gewissermaßen um eine „Momentaufnahme“ handelt, kann die Anrufungsauskunft mit zeitlicher Befristung erteilt werden. In diesem Fall endet ihre Gültigkeit automatisch mit Ablauf der Frist. Ein weiterer Verwaltungsakt ist dazu dann nicht erforderlich, ein gesonderter Hinweis der Finanzbehörden erfolgt nicht.
Rechtliche Bindungswirkung
Eine per Bescheid erteilte Anrufungsauskunft bindet als Verwaltungsakt die Finanzbehörden gegenüber allen Beteiligten, d. h. gegenüber den beteiligten Arbeitgebern sowie den betroffenen Arbeitnehmern. Selbst wenn die geschilderte Sachlage in der Anrufungsauskunft fehlerhaft beurteilt worden ist, kann das Finanzamt die entsprechende Lohnsteuer nicht nachfordern.
Allerdings beschränkt sich die Bindungswirkung auf das Lohnsteuerabzugsverfahren. Die Veranlagung zur Einkommensteuer ist davon nicht betroffen. Das kann dazu führen, dass das Betriebsstättenfinanzamt die als Folge einer fehlerhaften Anrufungsauskunft nicht abgeführte Lohnsteuer zwar vom Arbeitgeber nicht nachfordern darf, das zuständige Wohnsitzfinanzamt eine entsprechende Nachforderung jedoch im Rahmen der Einkommensteuer beim betroffenen Arbeitnehmer geltend macht.
Beispiel aus der Praxis
Eine Charterfluglinie hatte den geldwerten Vorteil von Arbeitnehmer-Freiflügen in Übereinstimmung mit einer fehlerhaften Anrufungsauskunft zu gering angesetzt. In Folge einer später stattfindenden Lohnsteuer-Außenprüfung sollte die Nachbesteuerung bei den Wohnsitz-Finanzämtern der Arbeitnehmer veranlasst werden. Der Arbeitgeber zeigte sich bereit, diese Steuern zu übernehmen und stellte dazu einen Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung (§ 40 Abs. 1. S. 1 Nr. 2 EStG).
Die Nacherhebung zu einem Pauschsteuersatz war jedoch nicht zulässig. Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH, 16.11.2005 - VI R 23/02).
Änderung oder Aufhebung einer bereits erteilten Anrufungsauskunft
Neben dem Ablauf einer befristet erteilten Auskunft können Anrufungsauskünfte auch auf anderem Wege ihre Gültigkeit verlieren. In seltenen Fällen und unter bestimmten, engen Voraussetzungen können sie geändert werden. Daneben kann eine erteilte Anrufungsauskunft vom Betriebsstättenfinanzamt später zurückgenommen oder widerrufen werden, auch auf Initiative einer beteiligten Seite hin – etwa als Folge eines Einspruchs des Arbeitgebers, der die Auskunft begehrt hat.
Änderung, Rücknahme und Widerruf entfalten ihre Wirkung jeweils für die Zukunft, nicht rückwirkend. Lohnsteuerbescheide, die auf Grundlage einer Anrufungsauskunft erteilt worden sind, können auch nach deren Aufhebung nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Gegen Änderung oder Aufhebung einer Anrufungsauskunft können Rechtsmittel eingelegt werden.
Entfallen der Bindung nach Änderung der Rechtsgrundlage
Ändert sich die Rechtsgrundlage, auf der eine Anrufungsauskunft beruht, dann entfällt damit auch deren Bindungswirkung für die Beurteilung steuerlicher Sachverhalte durch die Finanzbehörden.
Dieser Umstand kann für Unternehmen zum Problem werden, da in diesem Fall – anders als bei einer Änderung oder Aufhebung – die Betroffenen nicht in Kenntnis gesetzt werden. Es ist deshalb wichtig, die Rechtslage bezüglich des Sachverhalts, zu dem eine Anrufungsauskunft eingeholt wurde, unter Beobachtung zu halten.
Welche Rechtsmittel sind gegen eine Anrufungsauskunft möglich?
Da eine Anrufungsauskunft einen Verwaltungsakt der Finanzbehörden darstellt, kann dagegen wie gegen einen Steuerbescheid innerhalb eines Monats schriftlich Einspruch eingelegt werden. Wird der Einspruch abschlägig beschieden, steht der Weg vor das Finanzgericht offen.
Der bei einem Einspruch gegen Steuerbescheide übliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kommt allerdings nicht in Betracht. Diese Praxis der Finanzbehörden hat der Bundesfinanzhof bestätigt (BFH, 15. Januar 2015 -VI B 103/14). Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass eine Anrufungsauskunft einen feststellenden, keinen vollziehbaren Verwaltungsakt darstellt.
Kategorie
Steuern, Bescheinigungen und Rechtliches
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