04 Mai 2018

Gleichbehandlungsgrundsatz: Unter bestimmten Voraussetzungen sind alle gleich

Zwar gilt die Vertragsfreiheit auch im Arbeitsrecht. Trotzdem muss der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen seine Arbeitnehmer gleich behandeln. Wir erläutern den Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht und seine Grenzen.

Wenn für bestimmte Tätigkeiten kaum gute Leute zu bekommen sind, locken Unternehmen gute Kandidaten gern mit Zusatzleistungen, vom Dienstwagen bis zur Jahresprämie. Das führt schnell zu Unruhe: Der Neue, oder die Kollegen in Abteilung X, bekommen etwas, das den anderen vorenthalten wird!

Dabei geht es nicht nur um die Stimmung im Unternehmen, sondern auch ums Arbeitsrecht. Das kennt nämlich den „arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz“. In diesem Beitrag wollen wir skizzieren, wie weit er reicht und wo er endet.

 

Alle Menschen sind gleich. Auch Arbeitnehmer.

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ – mit diesen Worten ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz verankert (Art. 3 Absatz 1 GG). Was das für Arbeitgeber bedeutet, hat das Bundesarbeitsgericht erläutert (in seinem Urteil vom 15.05.2013, 10 AZR 679/12):

„Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt.“


Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt …

... schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses: vor allem geschlechtsbezogene Benachteiligungen sind untersagt (etwa durch niedrigere Gehälter für Frauen von Anfang an)
    ... auch für Teilzeitbeschäftigte: deren Entlohnung darf nicht schlechter ausfallen als der entsprechende Gehaltsanteil eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten
    ... für allgemeine Lohnerhöhungen: diese müssen für alle gelten, niemand darf willkürlich ausgenommen werden
    ... für freiwillig gezahlten Leistungen oder Sondervergütungen: beim Weihnachtsgeld oder bei Bonus-Zahlungen darf niemand willkürlich diskriminiert werden


Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt?

Ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wurde, hängt nicht davon ab, ob sich jemand ungerecht behandelt fühlt. Es gibt dafür klare Voraussetzungen:

    Es wurde eine erkennbare Regelung getroffen, die für mehrere Arbeitnehmer gilt. Beispielsweise: Wer im Vertrieb arbeitet, erhält am Jahresende einen bestimmten Bonus.

  • Einer oder mehrere Arbeitnehmer, für die die Regelung eigentlich gilt, werden anders behandelt. Zum Beispiel: Obwohl er ebenfalls im Vertrieb arbeitet, erhält Herr Müller keinen Bonus.
  • Es gibt keinen Sachgrund für die ungleiche Behandlung. Ob ein Sachgrund vorliegt, hängt wesentlich davon ab, welchen Zweck der Arbeitgeber mit seiner Leistung verfolgt. Wenn eine Softwarefirma durch die erwähnte Prämie Vertriebsmitarbeiter mit besonderen IT-Kenntnissen ans Unternehmen binden will, und Herr Müller diese Qualifizierung nicht hat, alle anderen aber schon, dann kann er grundsätzlich leer ausgehen, ohne dass es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.


Auskunftsrecht

In der Regel werden die Arbeitnehmer den Grund für die Ungleichbehandlung zunächst nicht kennen. Deshalb muss der Arbeitgeber diesen mitteilen, wenn er wie im Beispiel eine Bonus-Zahlung einführt, dabei jedoch nicht alle Arbeitnehmer berücksichtigt.


Ungleichbehandlung? Anspruch auf die Leistung

Wenn der Arbeitgeber gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und bestimmte Arbeitnehmer bevorzugt, dann muss er entweder den Leistungsanspruch für alle streichen, oder, wenn es dafür schon zu spät ist, auch den benachteiligten Kollegen die entsprechende Leistung gewähren.

Ist unser Mitarbeiter im Beispiel gleich qualifiziert wie die Kollegen, dann ist kein Sachgrund für den verweigerten Bonus erkennbar. Haben die anderen Arbeitnehmer ihre Zahlung bereits erhalten, muss der Arbeitgeber ihm den Bonus nachzahlen.
Besondere Diskriminierungsverbote

Neben dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gibt es auch spezielle Diskriminierungsverbote. Sie stehen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§7 AGG), in § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und in § 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).

§ 7 AGG regelt, das eine rassistische oder fremdenfeindliche Benachteiligung ebenso unzulässig ist wie Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder wegen der sexuellen Identität. Wird ein Mitarbeiter anders behandelt als ein Kollege, der dieses Merkmal nicht aufweist, muss man von Diskriminierung ausgehen.

Ausnahmen davon sind in § 8 AGG geregelt. Eine unterschiedliche Behandlung ist dann zulässig, wenn das Merkmal aufgrund der konkreten Tätigkeit eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt. Falls eine Beratungseinrichtung dejenigen Beraterinnen eine Zulage zahlt, die sich um weibliche Opfer von sexueller Gewalt kümmern, dann ist es keine Diskriminierung, wenn die männlichen Mitarbeiter diese Zulage nicht bekommen. Zumindest dann, wenn für diese Beratungsarbeit nur Frauen in Betracht kommen.

 

Überwachung und Schadenersatz

Ein Mitarbeiter, der sich etwa aufgrund seiner ethnischen Herkunft oder seiner Religion benachteiligt fühlt, kann sich beschweren (§ 13 AGG). Dabei sollte ihn der Betriebsrat unterstützen. Auf die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer zu achten, ist nicht nur Sache des Arbeitgebers, sondern auch der Arbeitnehmervertretung (§ 75 BetrVG).

Stellt der Arbeitgeber eine Benachteiligung trotz Beschwerde nicht ab, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz. Allerdings muss er die Schadenersatzforderung innerhalb von zwei Monaten geltend machen. Wenn der Arbeitgeber nicht freiwillig zahlt, hat er ab dem Geltendmachen des Anspruchs drei Monate Zeit für eine Klage vor dem Arbeitsgericht.

 

Zum Schluss

Ein Betrieb ist immer auch ein soziales Gefüge. Fairness ist für sein Funktionieren enorm wichtig. Deshalb kann man ein solches Thema nicht ausschließlich aus rechtlicher Sicht betrachten, obwohl dieser Aspekt sicher seine Bedeutung hat.

Diskriminierung und Ungleichbehandlung nach Möglichkeit auszuschließen ist eine Führungsaufgabe: Es geht darum, eine Unternehmenskultur zu gestalten, in der Chancengleichheit und Transparenz großgeschrieben werden. Auch in Bezug auf Sonderregelungen und Zusatzleistungen.

Damit lassen sich von vornherein Konflikte verhindern. Außerdem ist ein fairer, offener Umgang als Bindemittel für Mitarbeiter sicher nicht weniger effektiv als Boni, zusätzliche Urlaubstage oder andere Leistungen.

Themen:

Arbeitsvertrag Unternehmen Arbeitgeber Mitarbeiter

Verwandte Beiträge