Delegieren lernen

Viele Chefs machen am liebsten alles selbst. Vor allem Verantwortung geben sie ungern ab. Das ist allerdings keine Führung. Und es verschwendet das Potenzial der Mitarbeiter.
Es gibt Dinge, die kann Ihnen niemand abnehmen, wenn Sie Chef sind. Delegieren zu lernen, beispielsweise.
„Bis ich das jemand lange erkläre, kann ich es auch selber machen“ ist für erstaunlich viele Führungskräfte Programm. Statt Mitarbeitern gezielt Verantwortung zuzuweisen und sie damit sinnvoll einzusetzen, kümmert man sich selbst. Für das Team bleiben nur Zuarbeiten (die streng nach Vorgabe auszuführen sind, versteht sich).
So sind am Ende alle frustriert. Den Mitarbeiter wird nichts zugetraut. Die Führungskraft beschwert sich, dass alles an ihr hängenbleibt.
Wenn das Unternehmen wächst, verändert sich die Chef-Rolle
In den Chefbüros von Start-ups, kleinen und mittleren Unternehmen ist das Problem besonders virulent. Man hat den Laden selbst aufgebaut, kennt die Materie ganz genau und war sowieso lange Zeit Mädchen für alles. Da kann man nicht einfach loslassen.
Nun gibt es zwar deutlich mehr Mitarbeiter und etablierte Strukturen. Aber man weiß halt nach wie vor am besten, wie welches Problem zu lösen ist. Man begeistert sich für die laufenden Projekte. Und man ist es gewohnt, die eigenen Vorstellungen detailgetreu umzusetzen.
Nur: Wer so führt, führt eigentlich gar nicht.
Wer wachsen will, muss delegieren lernen
Viele Chefs haben es versäumt, mit dem Wachstumsprozess des Unternehmens persönlich mitzuwachsen. Denn damit verändern sich die Führungsaufgaben und die eigene Rolle.
Schon ab einer Handvoll Mitarbeitern wird die Festlegung, wer welche Aufgaben erledigt, eine der Hauptaufgaben. Das bedeutet: delegieren. Und delegieren bedeutet: Der Vorgesetzte setzt Vorgaben und kontrolliert das Ergebnis. Er überwacht nicht jeden Schritt der Ausführung (vom Anlernen abgesehen).
Einzelne Mitarbeiter und ganze Teams müssen eigenständige Entscheidungen treffen können. Dazu brauchen Sie
einen konkreten Kompetenzrahmen,
klare Zielvorgaben und
Feedback, wenn sie Fragen haben oder Ergebnisse vorlegen.
Dafür zu sorgen ist die Aufgabe des Chefs. Und die ist alles andere als einfach.
Mitarbeiter haben es verdient, nicht bei jeder Kleinigkeit ihren Vorgesetzten fragen zu müssen. Wer seinen Mitarbeitern nichts zutraut, verschwendet menschliche Ressourcen. Wenn diese ihre Aufgaben nicht ohne ständige Überwachung bewältigen, sind sie am falschen Arbeitsplatz.
Unterstützung bieten
Delegieren heißt nicht, die Mitarbeiter sich selbst zu überlassen. Es bedeutet, Mitarbeiter auf ihrem eigenen Weg zur Entscheidungsfindung zu begleiten.
Wenn ein Mitarbeiter nicht weiß, wie er eine Aufgabe angehen soll, dann macht der Vorgesetzte es sich zu einfach, wenn er ihm die Entscheidung abnimmt. Die Aufgabe der Führungskraft besteht vielmehr darin, dem Betreffenden die richtigen Fragen zu stellen und so eine Entscheidung zu ermöglichen: „Welche Vor- und Nachteile ergeben sich bei diesem oder jenem Vorgehen?“ oder „Welche Konsequenzen hat diese Variante für das Unternehmen?“
Motivationsarbeit ist Arbeit
Natürlich gehören immer zwei dazu. Viele Mitarbeiter haben sich darauf eingerichtet, dass der Chef keine Verantwortung delegiert. Das ist bequem, es spart die Anstrengung eigenen Denkens. Zudem ist man als Befehlsempfänger aus der Schusslinie, wenn die Sache schiefgeht.
Bei so einer Unternehmenskultur haben die Mitarbeiter Eigeninitiative längst verlernt. Es bedarf daher erst einmal einer gewaltigen Anstrengung, um sie wieder zu eigenen Entscheidungen zu ermutigen. Das funktioniert nicht von heute auf morgen, sondern nur in kleinen Schritten.
In kleinen Schritten zum Ziel
Beispiel: Zum wöchentlichen Teammeeting wird immer eine kurze Planung der Folgewoche geschrieben, mit einer To-Do-Liste. Das erledigt in Zukunft nicht mehr der Vorgesetzte, sondern ein Mitarbeiter.
Im ersten Schritt gibt der Vorgesetzte die Punkte vor, die im Plan stehen sollen, überprüft das Ergebnis und lässt, wo nötig, Angaben ändern und ergänzen.Im zweiten Schritt fertigt ein Mitarbeiter die Planung selbstständig, der Vorgesetzte gibt nur noch Hinweise, soweit die anstehenden Aufgaben von der Routine abweichen, außerdem überprüft er das Hand-Out, bevor es verteilt oder verschickt wird.Am Ende muss er es vor dem Verteilen nicht mehr überprüfen. Inhaltlich genügen knappe Vorgaben, wenn Besonderes ansteht. Ansonsten fragt der Mitarbeiter von sich aus, wenn er genauere Angaben benötigt.Ergebnis: Weniger Routinearbeit für den Vorgesetzten. Der Mitarbeiter hat eine Aufgabe, für die er verantwortlich ist und mit der er sich identifiziert. Ganz nebenbei entwickelt er ein Bewusstsein für die vorausschauende Planung der Teamaufgaben.
Nobody ist perfect: Umgang mit Fehlern
Wer Aufgaben delegiert, muss damit rechnen, dass Mitarbeiter Fehler machen. Dann zeigt sich, ob das Unternehmen über eine Fehlerkultur verfügt.
Ein wichtiges Element zur Fehlervermeidung ist eine Unternehmenskultur, die Fragen erlaubt – selbst wenn Mitarbeiter immer wieder Fragen stellen.Ein zweiter zentraler Aspekt ist die vernünftige Reaktion, wenn es zu Fehlern kommt. Beruhen sie auf einer mangelhaften Einstellung – Desinteresse, mangelnder Einsatz, fehlender Teamgeist etc. – dann muss das sehr klar angesprochen werden. Mitarbeiter für jeden Fehler zu verteufeln ist dagegen unsinnig. Fehler wird es immer geben. Wichtig ist, dass daraus gelernt wird.
Delegieren kann man lernen. Muss man auch, als Führungskraft.
Wenn sich das Delegieren als Teil der Team- oder Unternehmenskultur eingespielt hat, bekommt die Führungskraft Zeit und Energie für die eigentliche Rolle: Strategien entwickeln, Ziele festlegen, Visionen entwickeln. Entscheiden und gestalten. Und bei der Umsetzung im Detail darauf vertrauen können, dass man sich verantwortungsvolle Mitarbeiter herangezogen hat.
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