21 Jun 2023

Wie weit haften Steuerberater, wenn es um die Sozialversicherung geht?

Viele Unternehmen überlassen die Lohnbuchhaltung dem Steuerbüro und erwarten, dass Sozialversicherungsfragen damit geklärt sind. Dabei darf der Steuerberater zu dem Thema gar nicht beraten. Trotzdem soll er mögliche Probleme erkennen. Fordern die Einzugsstellen Beiträge nach, kann er schadenersatzpflichtig sein. Mehrere Gerichtsentscheidungen aus den letzten Jahren illustrieren diese für den Steuerberater schwierige Situation. Sie zeigen aber auch, dass seine Haftung Grenzen hat.

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Lohnbuchhaltung durch Steuerberater, Sozialversicherungspflicht als Haftungsfalle

„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Anwältin oder Ihren Anwalt“. Ein solcher Satz, rechtzeitig und nachweislich geäußert, kann für Steuerberater zur Trumpfkarte werden, wenn sie die Lohnbuchhaltung für einen Mandanten übernehmen. Denn das bringt sie in eine schwierige Situation:

  • Als Steuerberater dürfen sie ihren Mandaten zu Fragen der Sozialversicherungspflicht gar nicht beraten, anders als etwa zur Lohnsteuer.
  • Gleichzeitig müssen Steuerberater erkennen, wo in Bezug auf die Sozialversicherung Probleme liegen könnten.
  • Eigene Ratschläge geben dürfen sie nicht: Sie sollen den Mandanten bei Unklarheiten oder möglichen Problemen sozialrechtlicher Art vielmehr zum Rechtsanwalt schicken. Alternativ können sie ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung empfehlen.
  • Versäumen sie einen solchen Hinweis, obwohl Klärungsbedarf in Sozialversicherungsfragen besteht, machen Steuerberater sich schadenersatzpflichtig.

Das ist kurzgefasst die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Steuerberaterhaftung für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge. (Zum Nachlesen: BGH,  12.02.2004 - IX ZR 246/02 sowie 23.09.2004 -  IX ZR 148/03). Die Mandanten werden nicht unbedingt zufrieden sein, wenn der Steuerberater ihnen mit „Fragen Sie halt einen Anwalt“ kommt. Sie gehen schließlich davon aus, dass das Thema Lohn und Gehalt beim Steuerbüro in Expertenhänden liegt. Trotzdem tun Steuerberaterinnen und Steuerberater gut daran, ihr Haftungsrisiko für Versäumnisse bei der Sozialversicherung ernst zu nehmen. Das zeigt eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen.

 

Beispiel 1: 100.000 Euro Beitragsnachzahlungen für eine Nachtclub-Betreiber-GmbH

Drei Geschäftspartner eröffneten einen Tanzclub in Münster. Dazu gründen sie eine GmbH. Jeder hält ein Drittel der Anteile, ohne Sperrminorität, alle sind Geschäftsführer. Mit der Lohnbuchhaltung beauftragten sie eine Steuerberaterin. Die meldet die Geschäftsführer zur Sozialversicherung. Beiträge werden jedoch keine erhoben. Dabei sind GmbH-Minderheitsgesellschafter ohne beherrschenden Einfluss (etwa eine Sperrminorität) als Geschäftsführer fast immer sozialversicherungspflichtig. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) versäumt das automatische Statusfeststellungsverfahren, das bei GmbH-Geschäftsführern erfolgen muss.

Dafür gibt es vier Jahr später eine Betriebsprüfung. Jetzt soll die GmbH Sozialversicherungsbeiträge für die drei Gesellschafter-Geschäftsführer nachzahlen. Mit Säumniszuschlägen kommen mehr als 100.000 Euro zusammen. Die GmbH fordert Schadenersatz von der Steuerberaterin. Warum hatte sie die Sozialversicherungspflicht nicht erkannt und zur Änderung des Gesellschaftsvertrags geraten?

 

Keine Ratschläge erlaubt, Prüfpflicht besteht trotzdem

Die Steuerberaterin wehrt sich. Eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung sei gar nicht ihre Aufgabe gewesen. Das Landgericht Münster gesteht ihr zu, dass die Prüfung des Gesellschaftsvertrags nicht ihre Pflicht war. Schließlich war der gerade erst mithilfe eines Notars erstellt worden. Doch das hilft ihr wenig. In der Haftung sieht das Gericht sie trotzdem: Die Steuerberaterin durfte zwar keinen Rat zur Sozialversicherungspflicht geben, sollte sie aber auf Zweifel oder Unklarheiten prüfen. Der Grund für die Beitragsfreiheit der Minderheitsgesellschafter war unklar. Sie hätte deshalb dem Mandanten einen Anruf beim Anwalt vorschlagen müssen.

Das Oberlandesgericht Hamm als zweite Instanz drückte es so aus: die Steuerberaterin „hatte nicht zu prüfen, ob die Tätigkeit als selbstständig zu qualifizieren war. Allerdings hatte sie zu prüfen, ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht kam.

Einfacher formuliert: Die Frau musste zwar nicht die sozialrechtliche Rechtsprechung im Detail kennen. Sie hätte aber wissen müssen, dass bei Minderheitsgesellschaftern Sozialversicherungspflicht droht und dass dies davon abhängt, wie viel Macht ihnen der Gesellschaftsvertrag gibt.

Außerdem hätte sie sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Sozialversicherungsträger ein Statusfeststellungsverfahren durchführen würden. Und sie konnte sich auch nicht hinter dem Notar verstecken, der den Gesellschaftsvertrag beurkundet hatte. Selbst wenn dieser ebenfalls haftbar war, waren seine Haftung und die der Steuerberaterin voneinander unabhängig (OLG Hamm, 08.04.2022 - 25 U 42/20).

 

Beispiel 2: Mandant verschläft Änderungen, Steuerberater haftet nicht

Trotzdem führt längst nicht jede derartige Schadenersatzklage zum Erfolg. Das zeigte sich zum Beispiel an einem als GmbH gegründeten Tiefbauunternehmen. Es wurde von einem Fremd-Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile gemanagt. Die fälligen Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht abgeführt. So kam es, wie es kommen musste.

  • Nach sieben Jahren meldete sich die Berufsgenossenschaft. Der Steuerberater der Baufirma versuchte vergeblich, deren Beitragsforderung abzuwehren. Dann empfahl er die Nachzahlung. Die Prüfung der Sozialversicherungspflicht des Gesellschafters empfahl er nicht.
  • Eine erste Betriebsprüfung der DRV erfolgte nach elf (!) weiteren Jahren und führte zu Beitragsforderungen von mehr als 60.000 Euro zusammen. Die Baufirma nahm sich einen Anwalt für Sozialrecht, legte Klage ein, sah deren Aussichtslosigkeit ein und nahm sie wieder zurück. Monatliche Sozialversicherungsbeiträge für den Geschäftsführer zahlte sie trotzdem nicht.
  • So führte eine zweite Betriebsprüfung vier Jahre später zu weiteren Beitragsnachforderungen samt Säumniszuschlägen, dieses Mal fast 50.000 Euro.
  • Jetzt wurde immerhin der GmbH-Vertrag geändert - allerdings mit einer untauglichen Konstruktion: Der Geschäftsführer wurde zum Treuhänder der einzigen Gesellschafterin. Das sollte ihm eine beherrschenden Stellung garantieren und die Sozialversicherungspflicht ausheben, funktioniert sozialrechtlich aber nicht.

Schließlich verklagte die GmbH den Steuerberater. Der hätte ihr schon damals, als die Berufsgenossenschaft anklopfte, eine anwaltliche Klärung der Sozialversicherungsfrage empfehlen müssen. Das Landgericht Kiel wies die Forderung jedoch ab. Schließlich hatte die Baufirma jahrelang nicht angemessen reagiert, selbst als das Problem längst bekannt war. Angesichts eigener Versäumnisse konnte sie nicht den Steuerberater haftbar machen (LG Kiel, 16.08.2022 - 6 O 275/20).

 

Beispiel 3: Kein Schadenersatz an Arbeitnehmer des Mandanten

Steuerberater, die ein Lohnbuchhaltungsmandat übernehmen, haften grundsätzlich nur für die finanziellen Interessen des Arbeitgebers. Nur der ist schließlich Mandant. Seine Arbeitnehmer können nicht auf Schadenersatz hoffen, wenn der Steuerberater nicht auf mögliche Probleme hinweist. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt.

Ein Schweizer Unternehmen beauftragte einen Steuerberater mit der Lohnabrechnung für seine deutsche Niederlassung. Der Steuerberater rechnete für einen dortigen Mitarbeiter deutsche Lohnsteuer ab. Später erfuhr der Angestellte, dass er die Einkommensteuer auch in der Schweiz hätte zahlen können. Dadurch hätte er gespart. Deshalb verklagte er das Steuerbüro seines Arbeitgebers auf mehr als 40.000 Euro.

Ohne Erfolg. Er selbst war nicht Mandant, der Steuerberatungsvertrag mit dem Arbeitgeber schützte ihn nicht. Deshalb wiesen die Frankfurter Richter seine Klage ab. Es half ihm auch nichts, dass der Arbeitgeber ihm die eigenen Ansprüche aus dem Beratungsvertrag abgetreten hatte. Ein Steuerberater, der die Lohnbuchhaltung eines Unternehmens führt, wird dadurch nicht zum kostenlosen Steuerberater sämtlicher Arbeitnehmer. Das stellte das Gericht eindeutig fest (OLG Frankfurt am Main 14.09.2017 - 8 U 240/16).

 

Beispiel 4: Kein Schadenersatz für die Gesellschafter des Mandanten

Ein entsprechender Grundsatz gilt für GmbH-Gesellschafter: Wenn der Steuerberater von einer GmbH beauftragt wurde, haftet er bei Versäumnissen in puncto Sozialversicherungspflicht nicht automatisch für mögliche finanzielle Schäden der Gesellschafter. Das belegt folgender Fall:

Ein Hamburger Ehepaars gründet gemeinsam eine GmbH. Beide sind sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer. Die Ehefrau hält 60, ihr Mann 40 Prozent der Anteile. Nach acht Jahren beauftragen sie eine neue Steuerberaterkanzlei, einschließlich Lohnabrechnung und Lohnbuchführung. Auch hier werden für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Das wird bei zwei Betriebsprüfungen nicht beanstandet. Eine dritte Betriebsprüfung fast 20 Jahren nach der Gründung führt dann doch zu Ärger. Nun will die DRV mehr als 60.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen für den Ehemann. Der sei Minderheitsgesellschafter ohne maßgeblichen Einfluss und als Geschäftsführer deshalb sozialversicherungspflichtig.

Das Ehepaar wickelte die GmbH ab. Diese konnte die Steuerkanzlei also nicht mehr verklagen. Das besorgte stattdessen das Ehepaar. Hätte es von der Sozialversicherungspflicht gewusst und die Beiträge als Betriebsausgaben gleich bezahlt, wäre kein Gewinn ausgeschüttet worden. Der Gewinn musste versteuert werden – und wurde dann für die Beitragsnachzahlung gebraucht. Der Schaden der beiden Gesellschafter, so die Argumentation, lag deshalb in der Kapitelertragssteuer auf die Gewinne. Das Ehepaar wollte jeweils etwa 8.000 Euro von der Steuerkanzlei wiederhaben.

Das Landgericht Hamburg machte ihm allerdings klar, dass die Steuerberater ihnen gegenüber keine Pflichtverletzung begangen haben konnten. Zum einen bestand das Mandat mit der GmbH und nicht mit ihnen. Zum anderen übernahmen die Steuerberater die Einordnung der Geschäftsführer als beitragsfrei von ihren Vorgängern, und zwei Betriebsprüfungen ergaben keine Beanstandungen. Damit gab es für die Steuerberater keinen Anlass, mögliche Probleme zu vermuten. Steuerberater müssen zwar die Urteile des Bundesfinanzhofs kennen. Experten für die laufende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts samt Änderungen müssen sie nicht sein (LG Hamburg, 16.12.2020 - 314 O 131/20).

 

Beispiel 5: Keine Rentenbeiträge gezahlt: Steuerberater ist schuld

Neben der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern führt vor allem die Rentenversicherungspflicht älterer Mitarbeiter immer wieder zu Regressforderungen gegen Steuerberater. So war es auch bei einem Flensburger Unternehmen. Es hatte einen Steuerberater mit der Lohnabrechnung beauftragt. Einer der Beschäftigten hatte die Regelaltersgrenze erreicht. Er wurde als Altersrentner abgerechnet, obwohl er keine Vollrente bezog. Eine Betriebsprüfung führte schließlich zu Nachzahlungen von mehr als 20.000 Euro. Das Geld wollte der Arbeitgeber als Schadenersatz vom Steuerberater haben.

Dieser argumentierte vor Gericht, ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass der ältere Mitarbeiter keine Vollrente bezog. Außerdem war der Arbeitgeber selbst schuld: er hätte sich nicht einfach auf die Abrechnung verlassen dürfen. Zudem hatte ein anderer Steuerberater, der das Mandat übernommen hatte, das Problem ebenfalls nicht erkannt. All das half ihm jedoch wenig. Er wurde zu Schadenersatz verurteilt. Er hätte prüfen müssen, ob der ältere Mitarbeiter wirklich versicherungsfrei war. Schließlich war ihm dessen Alter bekannt. Er konnte sich auch nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber den Fehler selbst hätte erkennen müssen. Der Steuerberater warb damit, seine Mandanten von sozialversicherungsrechtlichen Fragen zu entlasten. Da könne es nicht Aufgabe des Mandanten sein, ihn zu überwachen, meinten die Richter (OLG Schleswig, 30.11.2018 - 17 U 20/18).

 

Fazit: Steuerberater sollten sich absichern

Das Sozialversicherungsrecht kann für Steuerberater zur Falle werden. Immerhin gibt es Möglichkeiten, Vorsorge gegen Schadenersatzklagen zu treffen. Dazu gehört der regelmäßige Hinweis darauf, dass keine Beratung zum Sozialversicherungsrecht erfolgt.

Außerdem sollte man den Mandanten systematisch eine Rechtsberatung empfehlen, sobald es um Fragen wie die Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern, eine mögliche Scheinselbstständigkeit oder um Mitarbeiter über der Altersgrenze geht. Dann ist es Sache des Mandanten, ob er wirklich einen Anwalt kontaktiert. Tut er es nicht, ist der Steuerberater mit einer schriftliche Anweisung des Mandanten, die Sozialversicherungsfrage in einer bestimmten Form zu behandeln, einigermaßen auf der sicheren Seite.

 

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Steuern Versicherung

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