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12. Dezember 2018
5 Min. Lesezeit
Zusatzleistungen
Lohn und Gehalt
Lohnabrechnung

Anrechnung von Vergütungsbestandteilen

Mai 2018: Auch mehr als drei Jahre nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland zum 01.01.2015 bleiben bei der Anwendung der Vorschriften in der alltäglichen Lohn- und Gehaltsabrechnung noch Fragen offen. Andere, ursprünglich strittige Aspekte des Mindestlohns wurden im Lauf der Zeit allerdings durch die Rechtsprechung geklärt.

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In dieser Ausgabe unserer Lohn-Updates geben wir einen Überblick über die aktuelle Rechtslage zur Anrechenbarkeit von Prämien, Zulagen und anderen Lohnbestandteilen auf den Mindestlohnanspruch.

Einheitlicher Mindestlohnanspruch pro Zeitstunde

In Bezug auf die Höhe des Mindestlohns verbleiben keine Zweifelsfälle. Inzwischen gilt für sämtliche volljährige Arbeitnehmer in Deutschland flächendeckend und branchenübergreifend ein einheitlicher Mindestlohn. Arbeitgeber kommen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Zahlung dieses Mindestlohns nur dann nach, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung bei volljährigen Arbeitnehmern umgelegt auf die geleisteten Zeitstunden mindestens dem in § 1 MiLoG festgelegten Betrag entspricht.

Dieser lag ursprünglich bei 8,50 Euro pro Zeitstunde und wurde zum 01.01.2017 durch die Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV) auf den aktuell gültigen Betrag von 8,84 Euro erhöht.

Dieser Anspruch ist weder tarifvertraglich noch arbeitsvertraglich abdingbar. Zwar konnten im Fall von durch die Tarifparteien vereinbarten und vom Bundesminister für Arbeit für allgemeinverbindlich erklärten Branchenmindestlöhnen die gesetzlichen Mindeststundenlöhne für eine Übergangszeit noch unterschritten werden. Die Rechtsgrundlage für solche Ausnahmen ist jedoch zum 13.12.2017 weggefallen.

BAG: Zulagen und Prämien sind grundsätzlich anrechenbar

Das Mindestlohngesetz regelt nicht, welche Lohnbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Dieser Umstand hat, wenig überraschend, mehrfach zu juristischen Auseinandersetzungen geführt.

Für grundsätzliche Klarheit sorgte das Bundesarbeitsgericht, indem es entschied, dass auch „vor­be­halt­los und un­wi­der­ruf­lich in je­dem Ka­len­der­mo­nat ge­zahl­ten Zu­la­gen und Prämi­en“ des Arbeitgebers im Hinblick auf den Mindestlohnanspruch Erfüllungswirkung entfalten (BAG vom 21.12.2016, 5 AZR 374/16).

Die Klägerin war Telefonistin im Schichtdienst. Neben ihrem Bruttogehalt in Höhe von 1.280,00 Euro erhielt sie auf Grundlage tariflicher Vereinbarungen eine Wechselschichtzulage, eine Funkprämie und zwei Leistungsprämien. Den Mindestlohn erreichte sie nur, wenn diese Bestandteile angerechnet wurden. Sie machte jedoch geltend, der gesetzliche Mindestlohn sei durch Anrechnung von Zu­la­gen und Prämi­en nicht erfüllt. Deshalb müsse bei einer monatlichen Durchschnittsarbeitszeit von 182,5 St­un­den im Mo­nat ihr mo­nat­li­cher Brut­to­­lohn 1.551,25 Eu­ro be­tra­gen.

Das sahen die Richter am Bundesarbeitsgericht allerdings anders. Sie verwiesen in ihrer Begründung auf den Europäischen Gerichtshof, der bereits entschieden hatte, dass denjenigen Entgeltzahlungen des Arbeitgebers eine Erfüllungswirkung für den Mindestlohn zukommt, die der Arbeitgeber für eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zahlt (EuGH, 12.02.2015, C-396/13.) Deshalb entfalteten nach Ansicht der Richter auch die der Arbeitgeberin bezahlten zusätzlichen Lohnbestandteile eine Erfüllungswirkung im Sinne des Mindestlohngesetzes. Jeder einzelne Lohnbestandteil sei transparent geregelt und stünde zudem in einem arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis.

BAG: Sonn- und Feiertagszuschläge sind mindestlohnwirksam

Das Bundesarbeitsgericht vertrat auch in seinen Urteilen vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, sowie vom 24.05.2017, 5 AZR 431/16, diese Linie. Die zweitgenannte Entscheidung bekräftigte die Mindestlohnwirksamkeit von arbeitsvertraglich vereinbarten Sonn- und Feiertagszuschlägen: Diese seien mindestlohnwirksam, da sie „gerade für die tatsächliche Arbeitsleistung gewährt“ worden seien.

Das MilLoG mache den Mindestlohnanspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig. Mindestlohnwirksam seien daher alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringen oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.

Entscheidend: Der Bezug des Entgeltbestandteils zur Arbeitsleistung

Es lässt sich festhalten: Entgeltbestandteile sind dann auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar, wenn sie vom Arbeitgeber als arbeitsleistungsbezogenes Entgelt gezahlt werden.

Umgekehrt können all jene Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht im Zusammenhang mit der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stehen, nicht auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn der Zahlungsanspruch unabhängig von der konkreten Arbeitsleistung allein auf der Betriebszugehörigkeit beruht oder nur durch eine gesetzliche Regelung entsteht.

Mindestlohnwirksame Entgeltbestandteile

Grundsätzlich mindestlohnwirksam sind damit:

  • Sonn- und Feiertagszuschläge, soweit sie tarif- oder arbeitsvertraglich vereinbart wurden

  • Mehrarbeitszuschläge (Überstundenzuschläge)

  • Schicht- und Wechselschichtzuschläge

  • Erschwerniszuschläge und -zulagen aller Art (wie Schmutz- oder Gefahrenzulagen)

  • Jahressonderzahlungen, sofern sie in Form monatlicher Abschläge bezahlt werden (s. u.)

Legt man die genannten BAG-Entscheidungen zugrunde, dürfte eine Reihe weiterer Lohnbestandteile mindestlohnwirksam sein, auch wenn es in diesen Fällen bislang keine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Das gilt für:

  • Nachtarbeitszuschläge

  • auf die Arbeitsleistung bezogene Akkord- und Leistungsprämien sowie Boni,

  • Funktionszulagen für bestimmte Tätigkeiten (z. B. für Vorarbeiter)

  • übertarifliche Zulagen

Nicht auf den Mindestlohn anrechenbare Lohnbestandteile

Grundsätzlich nicht mindestlohnwirksam sind:

  • reine Treueprämien

  • Zuschläge zur Nachtarbeit, die nicht über die Bestimmungen von § 6 Abs. 5 ArbZG hinausgehen und nicht arbeitsvertraglich begründet sind

Diese Leistungen müssen deshalb zusätzlich zum Mindestlohn erfolgen.

Auch hier gilt, dass eine Reihe weiterer Leistungen des Arbeitgebers nicht mindestlohnwirksam sein dürften, dies aber bislang nicht höchstrichterlich bestätigt wurde. Dazu gehören:

  • Arbeitgeberbeiträge zu vermögenswirksamen Leistungen

  • Zuschläge, die während des Mutterschutzes weitergezahlt werden

  • Zuschläge, die während Urlaubs- und Krankheitszeiten weitergezahlt werden

  • Auslagenersatz und Aufwandserstattungen

  • Sachlohn, Sachbezüge, geldwerte Vorteile und Mitarbeiterrabatte

Offene Fragen bei Jahressonderzahlungen

Noch nicht abschließend geklärt ist, wie Provisionen sowie Jahressonderzahlungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld zu behandeln sind.

  • Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der schon mehrfach genannten Entscheidung vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, bestimmt, dass auch diese Zahlungen bei einer monatlichen Zahlungsweisemindestlohnwirksam

  • Weiterhin fehlt es jedoch an einer klaren Entscheidung, ob die Anrechenbarkeit auf den Mindestlohnanspruch auch dann besteht, wenn die Zahlungen nur einmal jährlich

Nun haben die Richter des BAG in der Begründung des genannten Urteils darauf verwiesen, dass längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage eines Anspruchs auf Differenzvergütung ausscheiden. Das spricht eher gegen eine Anrechenbarkeit. Ob die Richter dieser Argumentation jedoch folgen werden, bleibt abzuwarten.

Keine Berechnung der Höhe des Mindestlohnanspruchs auf Basis von Durchschnittsarbeitszeiten

In seinem Urteil vom 25.05.2016 (5 AZR 135/16) hat das Bundesarbeitsgericht zudem klargestellt, dass der individuelle Anspruch auf den Mindestlohn in jedem Fall durch Darlegung der tatsächlich geleisteten Stunden begründet werden muss. Ein monatlicher Durchschnitt an Arbeitsstunden reicht dafür nicht aus.

Das ergibt sich schon daraus, dass in einem solchen Durchschnittswert Zeiten ohne Arbeitsleistung enthalten sein können, in denen der Vergütungsanspruch weiterbesteht, wie etwa bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubs- und gesetzliche Feiertage. Für solche Zeiten ergibt sich jedoch kein Anspruch auf Mindestlohn, eben weil keine tatsächliche Arbeitsleistung erfolgt.

Stand: 02. Mai 2018

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