Sachlohn ab 2022: Ein Überblick über die Änderungen
Oktober 2021: Zum 01.01.2022 wird die Freigrenze für steuerfreien Sachlohn angehoben, von bislang 44 Euro auf dann 50 Euro pro Monat. Gleichzeitig ändern sich die Kriterien, nach denen die Finanzverwaltung Geldkarten und Gutscheine vom Arbeitgeber als Sachlohnleistung anerkennt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick darüber, was sich mit dem Jahreswechsel beim Sachlohn ändert.
Höhere Freigrenze für steuerfreie Sachbezüge: 50 Euro pro Monat ab 2022
Im Prinzip ist es für die Lohnsteuer gleichgültig, ob der Lohn oder das Gehalt als Bargeld ausgezahlt oder in Form von Sachleistungen gewährt wird: Auch Sachlohn ist grundsätzlich steuerpflichtig. Allerdings gibt es bestimmte Ausnahmen. Die wichtigste ist die Freigrenze, die § 8 Abs. 2 Satz 11 Einkommensteuergesetz festlegt: Sachleistungen bleiben steuerfrei, wenn ihr Wert pro Arbeitnehmer und Monat derzeit maximal 44 Euro erreicht.
Diese Freigrenze steigt zum 01. Januar 2022 auf 50 Euro.
Wichtige Grundlagen zur Sachlohn-Freigrenze
Bei der Überschreitung der steuerlichen Freigrenze werden die gesamten Sachleistungen des betreffenden Monats steuerpflichtig, nicht nur der Betrag, der die Grenze übersteigt. Das gilt zumindest, soweit die Sachleistungen nicht aufgrund einer anderen Bestimmung steuerfrei sind, z. B. als Aufmerksamkeit bis 60 Euro gemäß LStR 19.6.
Bei Sachleistungen, auf die ein Umsatzsteueranteil entfällt, zählt der Brutto-Wert.
Wenn die Freigrenze in einem bestimmten Monat nicht ausgeschöpft wurde, darf der Restbetrag nicht auf andere Monate übertragen oder angerechnet werden.
Steuerfreier Sachlohn muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn oder Gehalt gewährt werden. Erläuterungen zu diesem Punkt bietet das Lohn-Update „Zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn: die offizielle Definition “.
Wenn der Wert des Sachlohns die Freigrenze für steuerfreien Sachlohn oder für steuerfreie Aufmerksamkeiten übersteigt, kommt bis zum Wert von 10.000 Euro eine pauschale Versteuerung mit 30 Prozent in Frage (§37b EStG).
Schon seit 2020 gilt: Kein Sachlohn bei Kostenerstattung oder zweckgebundener Auszahlung
Seit Jahresbeginn 2020 regelt § 8 Abs. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich, dass „zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten“ Geldleistungen darstellen und deshalb zu versteuern sind.
Das bedeutet: Wenn Geld fließt, liegt kein steuerfreier Sachlohn vor. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine bestimmte Sachleistung schuldet, sie ihm aber nicht direkt zukommen lässt, sondern stattdessen den entsprechenden Geldbetrag zweckgebunden auszahlt oder anschließend erstattet. Die Steuerfreiheit lässt sich in diesem Fall auch nicht durch Belege retten, mit denen der Mitarbeiter die entsprechende Verwendung nachweist.
Hintergrund dieser Neuregelung waren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, wonach auch eine zweckgebundene Zahlung oder eine Kostenerstattung durch den Arbeitgeber Sachlohn darstellen konnte (BFH, 07.06.2018 - VI R 13/16, und 04.07.2018 - VI R 16/17). Für den BFH war letztlich der vertragliche Anspruch der Arbeitnehmer entscheidend, nicht die Frage, ob die Zusatzleistung direkt gewährt oder die Kosten erstattet wurden. Diese Entscheidungen und frühere BFH-Rechtsprechung zur Sachleistung (11.11.2010 - VI R 21/09, VI R 27/09, VI R 41/10) sind seit 2020 allerdings überholt.
Neue Regeln auch für Gutscheine und Geldkarten als Sachlohn
Eine weitere wichtige Änderung in § 8 Abs. 1 EStG war Satz 3, der direkt auf die oben genannte Einschränkung folgte. Demnach gehören „Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen“ nicht zu den „Einnahmen in Geld“. Als „Gutscheine“ in diesem Sinne zählen auch Gutscheinkarten, digitale Gutscheine, Gutscheincodes und Gutschein-Apps. Als Geldkarten zählen auch Prepaid- sowie Guthaben-Karten. Das hat die Finanzverwaltung in einem BFM-Schreiben zur „Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug“ vom 13. 04. 2021 klargestellt (IV C 5 - S 2334/19/10007 :002).
Wichtigster Punkt des Dokuments war allerdings eine Art Gnadenfrist für Gutscheine und Karten, die gemäß Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) als Zahlungsinstrumente eines Zahlungsdienstes gelten und deshalb eigentlich nicht mehr „sachlohnfähig“ sind: Sie werden noch bis zum Ende des Jahres 2021 nicht beanstandet.
Die ZAG-Kriterien für Gutscheine und Geldkarten als Sachlohn
Ab 2022 kommen Karten und Gutscheine nur dann als Sachlohn in Betracht, wenn sie die die Kriterien von § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG erfüllen. Dafür müssen sie mindestens eine von drei Voraussetzungen erfüllen, die das BMF-Schreiben praxisbezogen erläutert:
Option 1: Der Kreis an Akzeptanzstellen ist begrenzt ( 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a ZAG)
Option 2: Für den Gutschein bekommt man nur eine begrenzte Palette an Produkten oder Dienstleistungen ( 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b ZAG)
Option 3: Die Karte oder der Gutschein dient zu bestimmten sozialen oder steuerlichen Zwecken( 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c ZAG).
Die Zielrichtung dieser Einschränkungen: Eine vielseitig und breit einsetzbare Guthaben- oder Gutscheinkarte, die sich für alles Mögliche verwenden lässt, ist im Endeffekt nichts anderes als ein Geldäquivalent und soll keine Steuererleichterung als Sachlohn ermöglichen.
Option 1: Begrenzter Kreis an Akzeptanzstellen
Das BMF-Schreiben nennt zwei Möglichkeiten für Gutscheine und Guthabenkarten, die nur bei einem begrenzten Kreis an Akzeptanzstellen einlösbar sind und deshalb die Anforderungen an Sachlohn erfüllen:
nutzbar nur für einen städtischen oder regionalen Einkaufs- und Dienstleistungsverbund in Deutschland
nutzbar nur in den Ladengeschäften und im Onlineshop einer bestimmten Kette oder eines bestimmten Verbunds. Dann muss es ein einheitliches Auftrete geben, z. B. eine gemeinsame Marke. Die Rechtsform des Zusammenschlusses (Filialen, Franchise, Genossenschaft etc.) ist gleichgültig.
Ob der Gutschein oder die Geldkarte eine feste Betragsangabe aufweist, ist nicht von Belang, solange der Wert klar ist. Allerdings muss es um Produkte oder Services entweder vom Gutscheinaussteller selbst gehen, oder von Unternehmen, mit denen der Aussteller einen festen Vertrag hat. Beispiele sind:
wiederaufladbare Geschenkkarten für Einzelhandelsunternehmen
Gutscheine für Shop-in-Shop-Angebote, etwa von verschiedenen Kosmetikmarken in einem Kaufhaus
Shopping-Karten für die Tankstellen und Tankstellen-Shops einer bestimmten Kette
Guthabenkarten, die bei verschiedenen Geschäften in einer Stadt oder überall innerhalb eines Shopping-Centers einlösbar sind
Gutscheine, die der Arbeitgeber selbst ausstellt, erfüllen die Anforderung ebenfalls, falls die Anbieter, bei denen sie einlösbar sind, direkt mit dem Arbeitgeber abrechnen.
Vorsicht geboten ist bei Guthabenkarten von großen Internet-Plattformen: Lassen sich damit nicht nur Produkte und Dienste des Plattformbetreibers selbst erstehen, sondern auch bei Drittanbietern auf der Plattform, dann ist der Kreis der Akzeptanzstellen nicht mehr begrenzt und die Karte kein Sachlohn. Ein Beispiel sind Marketplace-Anbieter bei Amazon.
Option 2: Begrenzte Produktpalette
Gutscheine und Geldkarten sind auch dann „sachlohntauglich“, wenn sie nur Zugriff auf eine sehr begrenzte Waren- oder Dienstleistungspalette gewähren. Das BMF-Schreiben nennt folgende Beispiele
Gutscheine für Personennah- oder auch Fernverkehr, diese können auch Zusatzdienstleistungen wie Zugrestaurants, E-Scooter oder Park-&-Ride-Möglichkeiten umfassen
Guthaben, um Kraftstoff oder Ladestrom fürs Auto zu bezahlen
Karten für Sport & Fitness, die in verschiedenen Fitness-Studios eingelöst werden können
Guthaben für Streaming-Angebote zur Unterhaltung
Guthaben zum Kauf von Büchern und Hörbüchern
Beauty-Karten zum Einlösen bei Friseuren oder Kosmetikerinnen
Gutscheine, die auf das Bekleidungssortiment einschließlich von Schmuck und Accessoires beschränkt sind
Option 3: Zweckkarten
Zweckkarten sind dazu da, einen bestimmten, durch öffentlichrechtliche Bestimmungen begünstigten sozialen oder steuerlichen Zweck zu erreichen. Das kann eine bestimmte Form steuerfreier Leistung sein, diese muss dann aber hinreichend eingegrenzt sein. Eine Zweckkarte darf nicht nur allgemein dazu dienen, steuerfreien Sachlohn oder eine steuerfreie Aufmerksamkeit zu gewähren – das genügt als Zweck nicht.
Als akzeptable Beispiele für Zweckkarten nennt die Finanzverwaltung:
Verzehrguthaben für soziale Einrichtungen
digitale oder Papier-Essenmarken, die als Arbeitgeberzuschuss zum Essen (über den Sachbezugswert hinaus) steuerfrei sind
Guthabenkarten für betriebliche Gesundheitsmaßnahmen (die gemäß § 3 Nr. 34 EStG bis 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr steuerfrei sind)
Guthaben für medizinische Leistungen oder Reha-Maßnahmen
Eigenschaften von Geldkarten und Gutscheinen, die eine Sachlohnleistung ausschließen
Bestimmte Eigenschaften verhindern, dass Geldkarten und Gutscheinen als Sachlohnleistung steuerfrei oder steuerbegünstigt sein können. Das gilt, wie erläutert, wenn es zu viele Akzeptanzstellen gibt oder die Gutscheinkarte eine zu große Auswahl an Produkten und Dienstleistungen bietet. Es gilt aber auch, wenn …
es für die Karte nicht nur Waren oder Dienstleistungen gibt, sondern auch Geld ausgezahlt wird, z. B. Restbeträge
die Karte überregional und für eine uneingeschränkte Angebotspalette als unbares Zahlungsmittel eingesetzt werden kann bzw. als generelles Zahlungsmittel akzeptiert wird.
die Karte eine eigene IBAN besitzt
mit der Karte Geld überwiesen werden kann, z. B. über Dienste wie PayPal
das Guthaben gegen Devisen eintauschbar ist
Ein typisches Beispiel wäre eine Prepaid-Kreditkarte vom Arbeitgeber. Selbst wenn das verfügbare Guthaben ab 2022 nicht mehr als 50 Euro beträgt, stellt die Karte keinen steuerfreien Sachlohn dar. Das Finanzamt sieht darin eine Geldleistung.
Zwei Hinweise zu Karten und Gutscheinen
Viele Anbieter von Gutschein- und Wertkartensystemen berechnen Gebühren für die Einrichtung oder das Wiederaufladen. Solche Nebenkosten zählen nicht mit zur Wertgrenze von 44 bzw. 50 Euro monatlich.
Der Zufluss beim Arbeitnehmer erfolgt, sobald der Mitarbeiter die Karte oder den Gutschein eines Drittanbieters erhält. Stellt der Arbeitgeber den Gutschein selbst aus, erfolgt der Zufluss bei Einlösung.
Fazit: Sachlohn sollte überprüft werden – besonders Guthabenkarten und Gutscheine
Ab Januar 2022 gelten neue Kriterien beim Sachlohn. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Gutscheine, Wertkarten, digitale Essensmarken oder Shopping-Guthaben gewähren, sollten die Details rechtzeitig vor dem Jahreswechsel überprüfen lassen. In vielen Fällen werden Umstellungen und Anpassungen nötig sein. Ohne Steuerberater ist eine verlässliche Beurteilung kaum möglich: Der Teufel steckt im Detail, und Fehler können teuer werden.
Das ist aber nur ein Aspekt der Änderung. Stehen wirklich Änderungen bei Sachlohnleistungen an, muss auch die arbeitsrechtliche Seite beachtet werden. Oft besteht ein arbeitsvertraglicher Anspruch, oder die Leistung beruht auf einer Betriebsvereinbarung. Der Betriebsrat ist ohnehin mitspracheberechtigt, wenn es um die Auszahlung der Arbeitsentgelte geht.
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