GmbH-Geschäftsführer: Sozialversicherungspflicht oder Beitragsfreiheit?

Oktober 2016 - In der Praxis ist die entscheidende Frage, wann (Gesellschafter -) Geschäftsführer abhängig beschäftigt und somit versiche­rungs­pflich­tig sind, ein Dauerbrenner des deutschen Sozialrechts. Im Einzelfall müssen die Regelungen im Geschäftsführeranstellungs- und im Ge­sell­schafts­vertrag unter die Lupe genommen werden, auch der gelebte Unternehmensalltag berücksichtigt werden.

Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers

Ist der Geschäftsführer einer GmbH oder UG sozialversicherungspflichtig oder nicht? Auf den ersten Blick scheint die Antwort einfach: Sozialversicherungsbeiträge müssen abgeführt werden für jeden, der abhängig beschäftigt ist. Der Begriff der Beschäftigung wird seinerseits in § 7 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV bestimmt:

§ 7 Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. ( …. )

In der Praxis ist die Frage, wann ein Geschäftsführer beziehungsweise ein Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig ist, einer der Dauerbrenner des deutschen Sozialrechts. (Ähnliche Unsicherheit besteht auch bei mitarbeitenden Gesellschaftern sowie mitarbeitenden Familienangehörigen – siehe unser Lohn-Update vom Juni 2016)

Die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besagt, dass es im Wesentlichen auf das „Gesamtbild der vertraglichen wie tatsächlichen Umstände“ ankommt. Es hängt also vom Einzelfall ab – von den konkreten Regelungen im Geschäftsführeranstellungs- und im Gesellschaftsvertrag, aber auch vom gelebten Unternehmensalltag.

Klarheit durch Statusfeststellungsverfahren

Beenden lässt sich die Unsicherheit durch einen Prüfantrag an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung, der ein Statusfeststellungsverfahren auslöst. Die Clearingstelle schickt zunächst einen umfangreichen Fragebogen und dann einen Bescheid, der verbindlich festlegt, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht. Bei geschäftsführenden Gesellschaftern leiten die Einzugsstellen schon seit 2005 von sich aus eine Statusklärung durch die Clearingstelle in die Wege, sobald die Erstanmeldung zur Sozialversicherung mit den Merkmalen „Abgabegrund 10, Schlüsselzahl 2“ erfolgt.

Der Geschäftsführer als Angestellter

Und was gibt den Ausschlag dafür, ob für einen GmbH- oder UG-Geschäftsführer Beiträge zur Renten-, Pflege- und Krankenversicherung abgeführt werden müssen? Die klassischen Beschäftigungskriterien sind:

  1. Eingliederung ins Unternehmen durch eine bestimmte, feste Position im Betriebsgefüge und im Unternehmensablauf
  2. Weisungsgebundenheit, jemand im Unternehmen legt fest, was der Betreffende wo wann wie lange zu tun hat.

Beides ist bei Geschäftsführern weniger von Bedeutung. Schließlich sind sie selbst „Weisungsgeber“ und legen die „Arbeitsorganisation“ fest. Dennoch: Wenn ein Geschäftsführer

  1. zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verpflichtet ist,
  2. dafür ein Gehalt erhält,
  3. kein unternehmerisches Risiko trägt und
  4. keinen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat, weil ihm dazu die Kapitalanteile fehlen,

dann ist er sozialversicherungspflichtig. Der Fall des Fremdgeschäftsführers ist in der Regel also unproblematisch – für ihn werden grundsätzlich Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Pflege und Krankenversicherung fällig.

Merkmale der Selbstständigkeit: Beherrschender Einfluss

Schwieriger wird es bei Gesellschafter-Geschäfts­führern, hier entscheidet der Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Wer selbstständig und damit versicherungsfrei sein will, muss Gesellschafterbeschlüsse maßgeblich beeinflussen und damit den generellen Kurs des Unternehmens bestimmten können. Entscheidend ist letztlich die Frage: Hat der Gesellschafter aufgrund seiner Anteile die Möglichkeit, grundlegende Entscheidungen der Gesellschaft zu bestimmen? Hat er das, was Gesellschaftsrechtler eine „beherrschende Stellung“ nennen?

Ein Minderheitsgesellschafter, der im Unternehmen mitarbeitet, ist in der Regel sozialversicherungspflichtig. Das gilt mittlerweile auch dann, wenn er „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist, wie es das Bundessozialgericht einmal formuliert hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur, wenn entweder eine Stimmrechtsbindung oder ein Vetorecht im Gesellschaftsvertrag verankert worden ist. In solchen Fällen entscheiden also Details der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung der GmbH oder UG über die Sozialversicherungspflicht des Gesellschafters.

Vorsicht mit Auskünften zum Arbeits- und Gesellschaftsrecht

Für Steuerberater wie auch für die Mitarbeiter der Buchhaltung werden Fragen zur Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern und Gesellschaftern oft zum praktischen Problem. Entscheidend für die korrekte Antwort sind ja, wie erwähnt, oft recht komplizierte gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Details, die weit über Steuerrecht und Buchführung hinausgehen. Wenn keine Anmeldung erfolgt oder die Gesellschafterverhältnisse sich nach Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit andern, bringt auch das obligatorische Statusfeststellungsverfahren bei Neuanmeldung (s. o.) keine rechtzeitige Klarheit.

Deshalb ist es durchaus ratsam, den Prüfantrag bei der Clearingstelle nachdrücklich zu empfehlen, statt selbst Einschätzungen abzugeben. Das gilt besonders für Steuerberater und deren Angestellte. Sie haften erstens für Falschberatung zur Sozialversicherungspflicht dem Mandanten gegenüber (der als Arbeitgeber an erster Stelle der Haftung steht). Zweitens kann ihre Betriebshaftpflichtversicherung dann die Übernahme des Schadens mit dem Hinweis ablehnen, dass solche (Fehl-)Beratung die Grenzen der Steuerberatung überschreitet und als unerlaubte Rechtsdienstleistung nicht versichert ist. Steuerberater sind ja auch zur Vertretung im Statusfeststellungsverfahren nicht zugelassen. (BSG, 5.3.2014 – B 12 R4/12R und B 12 R7/12 R).

Fehlerhafte Einstufung der Sozialversicherungspflicht kann teuer werden

Wird der sozialversicherungsrechtliche Status des Geschäftsführers falsch eingeschätzt, drohen teure und ärgerliche Folgen. Das gilt nicht nur, wenn keine Abgaben bezahlt wurden, obwohl Sozialversicherungspflicht besteht, sondern auch im umgekehrten Fall.

Stellt sich nach Jahren heraus, dass der Geschäftsführer voll sozialversicherungspflichtig war, für ihn jedoch nie Beiträge abgeführt wurden, können die Nachzahlungsforderungen eine beträchtliche, durchaus auch existenzgefährdende Höhe erreichen. Dafür sorgen schon die Säumniszuschläge, die ein Prozent der fälligen, auf 50 Euro abgerundeten Beitragssumme monatlich betragen, wenn der Schuldner die Versicherungspflicht hätte kennen müssen (§ 24 SGB IV). Vor allem verjähren die Ansprüche bei Vorsatz – von dem die Sozialversicherer regelmäßig ausgehen – erst nach 30 Jahren, für diesen Zeitraum können gegebenenfalls Beiträge nachgefordert werden. Auch ohne Vorsatz verjährt der Anspruch frühestens nach vier Jahren.

Beitragsschuldner ist der Arbeitgeber, in der Regel also die Gesellschaft. Allerdings stellt Beitragsvorenthaltung einen Straftatbestand (siehe unser Lohn-Update August 2016) dar. Dieser führt, wie auch der Schaden für die Gesellschaft, rasch zur persönlichen Haftung des Verantwortlichen.

Umgekehrt ist es leicht möglich, dass der Geschäftsführer einer UG oder GmbH jahrelang Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung entrichtet, seine Anträge auf ALG 1 oder eine Erwerbsminderungsrente später jedoch abgelehnt werden. Die Sozialversicherungsträger prüfen das Versicherungsverhältnis im Antragsfall. Stellt sich heraus, dass die Versicherungsvoraussetzungen nicht gegeben waren, entfallen die Leistungsvoraussetzungen.

Dann besteht zwar ein Erstattungsanspruch für die bezahlten Beiträge: Die Arbeitgeberanteile fließen an das Unternehmen, die Arbeitnehmeranteile an den nun doch nicht Versicherten zurück. Das dürfte aber kein großer Trost sein, zumal in einem solchen Fall statt der sonst üblichen Vierjahresfrist nur die Zeit bis zum Ablauf des Kalenderjahrs bleibt, bevor der Rückerstattungsanspruch verjährt (§ 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV).

Kein unrealistisches Szenario

Ein fiktives, aber keineswegs unrealistisches Szenario: Der Geschäftsführer einer GmbH hat über viele Jahre hinweg Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Nach der Insolvenz der Gesellschaft lehnt die Arbeitsagentur seinen Antrag auf Arbeitslosengeld ab, da er selbstständig und damit nicht sozialversicherungspflichtig war. Den Erstattungsanspruch auf die bezahlten Beiträge pfänden die Gläubiger. Das gilt auch für die Erstattung der Arbeitnehmeranteile, da der Geschäftsführer für die Kredite der Gesellschaft persönlich gebürgt hat. Da die Erstattungsansprüche anders als die Auszahlung von Arbeitslosengeld keinem Pfändungsschutz unterliegen, steht er so mit leeren Händen da.

Kategorie

Unternehmen, Arbeitgeber und Mitarbeiter

Themen:

Sozialversicherung Gesetze

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