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03. Januar 2019
5 Min. Lesezeit
Arbeitszeiten
Beschäftigungsverhältnis

Stufenweise Wiedereingliederung

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Beschäftigungsverhältnis
Zwei Kollegen in Businesskleidung analysieren gemeinsam ein Dokument auf einem Tablet – typische Besprechungssituation in der Lohnbuchhaltung

Gesetzliche Grundlage und Voraussetzungen

Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist sie in § 74 SGB V. Dort wird als Voraussetzung genannt, dass die erkrankten Arbeitnehmer dafür „ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten“ sowie „durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden“ können. Mit anderen Worten: Der Mitarbeiter muss soweit genesen sein, dass eine Wiedereingliederung in den Beruf sinnvoll erscheint und er die Prognose rechtfertigt, die Arbeitsfähigkeit am alten Arbeitsplatz wiederzuerlangen.

Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf stufenweise Wiedereingliederung

Eine stufenweise Wiedereingliederung ist nur solange möglich, wie der Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld hat. Nach überwiegender Auffassung können Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber eine stufenweise Wiedereingliederung verlangen: Die stufenweise Wiedereingliederung findet im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) statt, auf das der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch hat: Der BEM-Anspruch wurde ursprünglich in § 84 SGB IV gesetzlich verankert. Seit dem 01.01.2018 findet er sich in § 167 Abs. 2 SGB IX.

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist immer dann vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer während eines Jahres insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig wird. Ob die Frist durch eine zusammenhängende oder durch wiederholte Arbeitsunfähigkeit überschritten wird, ist ohne Belang.

Weigert sich der Arbeitgeber, steht dem Arbeitnehmer ein Schadenersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 i. V. m. § 167 Abs. 2 SGB IX zu. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen mit Bezug auf einen schwerbehinderten Arbeitnehmer entschieden (LAG Hessen, 07.08.2017 - 7 Sa 232/17). Umgekehrt muss der Arbeitnehmer nicht an einer angebotenen stufenweisen Wiedereingliederung teilnehmen. Lehnt er ab, hat dies keine Auswirkungen auf Krankengeld oder Übergangsgeld.

Krankheiten, bei denen das sogenannte Hamburger Modell typischerweise praktiziert wird

Eine stufenweise Wiedereingliederung kommt typischerweise bei allmählicher Konvaleszenz nach folgenden Erkrankungen in Betracht:

  • Gefäß- und Herzerkrankungen (Herzinfarkt, Angina pectoris)

  • Gelenkerkrankungen

  • Arthrose sowie rheumatische Erkrankungen

  • Bandscheibenvorfall sowie Operationen nach einem Bandscheibenvorfall

  • Erkrankungen der Atmungs-, Verdauungs- oder Harnwegsorgane oder der Nieren (z.B. Dialysepatienten, Zustand nach Nierentransplantation)

  • Stoffwechselerkrankungen

  • verschiedene Krebserkrankungen

  • neurologische Erkrankungen

  • psychische Erkrankungen (Burn-out).

Arzt, Reha-Einrichtung oder Krankenkasse als Impulsgeber

Grundsätzlich können alle an der Maßnahme Beteiligte eine stufenweise Wiedereingliederung in den Beruf anregen. In der Regel geht der Anstoß vom behandelnden Arzt aus. Die Rehabilitationseinrichtung kann diese Maßnahme ebenfalls vorschlagen.

Alternativ kann die zuständige Krankenkasse eine stufenweise Wiedereingliederung anregen Dies muss innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der Reha-Leistungen geschehen. Voraussetzung ist, dass sich die Verhältnisse nach der Entlassung aus der Reha geändert haben, die Umstände für eine stufenweise Wiedereingliederung sprechen und diese innerhalb von vier Wochen nach dem Ende der Reha-Maßnahmen begonnen werden kann. Verweigert der Arbeitgeber seine Mitwirkung, obwohl der Arbeitnehmer die Voraussetzungen erfüllt (er war während eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, es besteht eine ärztliche Empfehlung für die stufenweise Wiedereingliederung), muss er dies begründen. Andernfalls droht wie bereits erläutert eine Schadenersatzpflicht.

Stufenweise Wiedereingliederung als betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Um eine stufenweise Wiedereingliederung im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements durchzuführen, müssen Arzt, Krankenkasse, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer selbst zusammenarbeiten.Die Dauer einer stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme ist begrenzt. Sie soll in der Regel zwischen sechs Wochen und sechs Monaten betragen, je nach den medizinischen und betrieblichen Gegebenheiten.

Der Wiedereingliederungsplan

Für die Maßnahme muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitgeber eine Vereinbarung abgeschlossen werden. Schließlich bedeutet sie arbeitsrechtlich gesehen eine Abweichung vom bestehenden Arbeitsvertrag. Außerdem gewährleistet der Vertrag die Durchführung in der vereinbarten Form. Kern dieser Wiedereingliederungsvereinbarung ist ein Stufenplan, der die einzelnen Schritte genau festlegt. Beginn und zum Ende der Maßnahme sollten ebenso beschrieben sein wie die verschiedenen Phasen selbst, etwa in Bezug auf Arbeitszeiten und Tätigkeiten.

Für den Fall, dass sich die Maßnahme nicht wie geplant durchführen lässt, sollte die Vereinbarung den Rücktritt vor dem vereinbarten Ende ermöglichen und die dafür möglichen Gründe sowie die Konsequenzen benennen. Weiterhin sinnvoll ist die Erwähnung der arbeitsvertraglichen Bestimmungen, die während der Wiedereingliederung ruhen. Schließlich sollte auch ein eventuell gezahltes freiwillig gezahltes Arbeitsentgelt Vertragsgegenstand sein.

Die Wiedereingliederungsphase zählt als Arbeitsunfähigkeit

Während der stufenweisen Wiedereingliederung gilt der Arbeitnehmer weiterhin als arbeitsunfähig. Deshalb entfallen während dieser Zeit die wechselseitigen Pflichten auf Arbeitsleistung bzw. Entgeltzahlung aus dem Arbeitsvertrag. Stattdessen gelten die Vereinbarungen des Stufenplans.

Kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, Bezug von Krankengeld oder ÜbergangsgeldAus dem Abschluss der Vereinbarung folgt, dass der Arbeitsvertrag während der stufenweisen Wiedereingliederung ruht, und damit auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt, obwohl er – in eingeschränktem Rahmen – seiner Arbeit nachgeht. Statt des Gehalts erhält der nach wie vor als arbeitsunfähig geltende Arbeitnehmer weiterhin Krankengeld durch seine Krankenkasse. Voraussetzung dafür ist, dass er Anspruch auf Krankengeld hat, dieser noch nicht ausgeschöpft ist und die Arbeitsunfähigkeit weiterhin besteht.

Ist hingegen der Rentenversicherungsträger zuständig, zahlt dieser ein Übergangsgeld. In diesem Fall entfällt die Krankengeldzahlung (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 SGB V). Häufig nehmen Arbeitnehmer nach einer schweren Erkrankung an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers teil. Beginnt der Arbeitnehmer anschließend innerhalb von höchstens vier Wochen mit einer stufenweisen Wiedereingliederung, ist der Rentenversicherungsträger zur Zahlung von Übergangsgeld verpflichtet.

Wer für die Zahlungen an den Arbeitnehmer während der stufenweisen

Wiedereingliederung zuständig ist, muss im Zweifelsfall zwischen der Kranken- und Rentenversicherung geklärt werden. Wird keine rechtzeitige Einigung erzielt, zahlt die Krankenkasse einstweilen Krankengeld in Höhe des zu erwartenden Übergangsgelds als Vorschuss.

Freiwilliges Arbeitsentgelt

Der Arbeitgeber kann während der Eingliederungsphase freiwillig ein Arbeitsentgelt zahlen. Dieses muss dann zwingend auf das Krankengeld angerechnet werden. Dabei darf das gezahlte Gehalt zusammen mit dem Krankengeld das laut Arbeitsvertrag vereinbarte Netto-Arbeitsentgelt maximal um 50 Euro pro Monat übersteigen (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i. V. m. § 23c Abs. 1 S. 1 SGB IV).

Auf das freiwillig bezahlte Arbeitsentgelt sind die regulären Abgaben zu bezahlen. Besonderheiten in Bezug auf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge bestehen nicht.

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