Ab April 2024: Qualifizierungsgeld zur Arbeitsplatzsicherung durch Weiterbildung
Das neue Qualifizierungsgeld können Arbeitgeber beantragen, wenn Arbeitnehmer ganz oder teilweise für eine Weiterbildung freigestellt werden. Voraussetzung: Ohne die Weiterbildungsmaßnahme wäre der Arbeitsplatz vom Strukturwandel bedroht. Antrag und Berechnung des Qualifizierungsgeldes entsprechen den Regeln beim Kurzarbeitergeld.
Qualifizierungsgeld: Geförderte Weiterbildung soll Arbeitsplatzverlust durch Strukturwandel verhindern
Qualifizierungsgeld ist ein neues Arbeitsmarktinstrument der Bundesanstalt für Arbeit. Es orientiert sich am Kurzarbeitergeld, hat aber ein anderes Ziel. Diese neue Entgeltersatzleistung soll vom Strukturwandel bedrohte Arbeitsplätze sichern.
Qualifizierungsgeld können Arbeitgeber beantragen, die ihre Beschäftigte für eine Weiterbildung freistellen, wenn die zusätzliche Qualifikation die Weiterbeschäftigung ermöglicht und der Arbeitsplatz ohne sie dem Strukturwandel zum Opfer fallen würde. Typisches Beispiel ist ein Einzelhandelsbetrieb, der Stellen im stationären Verkauf streicht und gleichzeitig den Online-Vertrieb ausbaut. Wenn das Unternehmen einer Verkäuferin eine Weiterbildung im Online-Marketing ermöglicht und sie für diese Zeit freistellt, kann es ihr für die entfallende Arbeitszeit Lohn in Höhe des Qualifizierungsgelds bezahlen. Den Betrag bekommt es anschließend von der Arbeitsagentur erstattet.
Gesetzliche Grundlage sind drei neue Paragrafen, die mit Wirkung vom 01. April 2024 ins dritte Sozialgesetzbuch eingefügt werden (§ 82a, § 82b und § 82c SGB III).
Wann ist die Zahlung von Qualifizierungsgeld möglich?
Qualifizierungsgeld ist an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden. Sie betreffen sowohl den Betrieb als auch die Beschäftigten und die Weiterbildungsmaßnahme selbst.
Betriebliche Voraussetzungen:
Voraussetzung für den Antrag auf Qualifizierungsgeld ist die Freistellung von Beschäftigten für eine Weiterbildung. Sie können für einen Teil der Arbeitszeit oder ganz freigestellt werden.
Außerdem muss die Weiterbildungsmaßnahme den Verlust des Arbeitsplatzes abwenden, der sonst durch Strukturwandel gefährdet wäre.
Die „strukturwandelbedingten Qualifizierungsbedarfe“ müssen bei mindestens 10 Prozent der Belegschaft vorliegen, in Betrieben ab 250 Beschäftigten bei 20 Prozent. Dabei zählen Auszubildende und geringfügig Beschäftigte nicht mit.
Die Beschäftigten müssen zustimmen.
In Betrieben bis zehn Beschäftigten ist eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers zum Qualifizierungsbedarf, zur Weiterbeschäftigungsperspektive und zum Antrag auf Qualifizierungsgeld erforderlich. In größeren Betrieben muss dazu eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Auch eine Regelung in einem Tarifvertrag ist möglich. Größere Betriebe, die keinen Betriebsrat haben und für die keine entsprechende Tarifregelung greift, sind vom Qualifizierungsgeld ausgeschlossen.
Voraussetzungen bezüglich der Beschäftigten selbst:
Qualifizierungsgeld wird nur erstattet, wenn ein Arbeitsverhältnis
Außerdem darf keine Kündigung erfolgt sein. Ein unterschriebener Aufhebungsvertrag schließt Qualifizierungsgeld ebenfalls aus.
Bei Beschäftigten, für die Qualifizierungsgeld gezahlt wurde, müssen bis zum nächsten Antrag mindestens vier Jahre
Während des Urlaubs wird kein Qualifizierungsgeld bezahlt, bei Krankheit für die Dauer der Lohnfortzahlung dagegen schon.
Altersrentner und geringfügig Beschäftigte erhalten kein Qualifizierungsgeld.
Ein Antrag auf Lohnzuschüsse oder Kostenübernahme zur Weiterbildung Beschäftigter durch die Arbeitsagentur (gemäß 82 SGB III) schließt gleichzeitiges Qualifizierungsgeld aus.
Anforderungen an die Weiterbildungsmaßnahme:
Die Weiterbildung muss vom Arbeitgeber finanziert Auch die Kostenübernahme durch Dritte, zum Beispiel aus Fördermitteln, ist möglich. Die Mitarbeiter selbst dürfen jedoch nicht an den Weiterbildungskosten beteiligt werden.
Die Weiterbildung muss bei einem gemäß AZAV zugelassenen Träger beziehungsweise Anbieter stattfinden und mindestens 120 Stunden Gleichzeitig dürfen Vollzeitmaßahmen, die einen Berufsabschluss ermöglichen, in der Regel nicht länger dauern als zwei Drittel der dafür vorgesehenen Ausbildungszeit (gemäß § 180 Abs. 4 SGB III).
Die neue Qualifikation darf sich nicht auf „ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen“ beschränken. Die Schulung in einer unternehmensspezifischen neuen Software beispielsweise wird nicht gefördert.
Der Arbeitgeber darf zu der Weiterbildung nicht gesetzlich oder durch Verordnung verpflichtet Ausgeschlossen sind damit beispielsweise Datenschutzseminare für Datenschutzbeauftragte.
Wie wird Qualifizierungsgeld berechnet?
Die Höhe des Qualifizierungsgeldes entspricht der Höhe des Kurzarbeitergeldes. Ausschlaggebend ist in beiden Fällen die Nettoentgeltdifferenz zwischen dem Soll-Gehalt, das vor der Weiterbildungsmaßnahme bezahlt wurde, und dem Ist-Gehalt, das aufgrund der Freistellung verbleibt. Bei einer Teilzeit-Weiterbildung werden Lohn oder Gehalt für die verbleibende Arbeitszeit anteilig berechnet, und für die ausgefallende Arbeitsstunden Qualifizierungsgeld gezahlt. Bei einer Vollzeit-Weiterbildungsmaßnahme entspricht das Ist-Gehalt Null.
Das Qualifizierungsgeld entspricht pauschalisiert 60 Prozentdes Lohnausfalls, bei Beschäftigten mit Kindern sind es 67 Prozent. Den höheren Leistungssatz erhalten Arbeitnehmer, für die mindestens ein halber Kinderfreibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal gilt.
Auch beim Qualifizierungsgeld erfolgt die Berechnung monatsweise entsprechend den Freistellungstagen. Als Grundlage für das Sollgehalt ist ein Abrechnungszeitraum heranzuziehen, der mindestens drei Monate vor Beginn der Weiterbildung liegt. Das Soll-Gehalt wird ohne Überstunden erfasst. Auch Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld oder Jahressonderzahlungen werden nicht berücksichtigt. Zudem wird das Sollgehalt auf die Beitragsbemessungsgrenze für die Renten- und Arbeitslosenversicherung gedeckelt. Sie entspricht im Jahr 2024 monatlich 7.550 Euro im Westen und 7.450 Euro pro Monat im Osten.
Die Berechnung des Qualifizierungsgeldes ergibt sich aus der Differenz des Leistungssatzes, der dem Sollentgelt entspricht, und dem Leistungssatz, der dem Ist-Entgelt entspricht. Die Leistungssätze beruhen auf pauschalierten Nettobeträgen zum jeweiligen Bruttoentgelt.
Die Kurzarbeitergeld-Tabellen der Bundesagentur gelten auch fürs Qualifizierungsgeld
Die individuelle Höhe des Qualifizierungsgeldes kann mit den offiziellen Berechnungstabellen für das Kurzarbeitergeld bestimmt werden, die die Arbeitsagentur bereitgestellt. Die Leistungssätze sind bei beiden Förderinstrumenten gleich hoch. Die Tabellen ordnen der Höhe des Bruttolohns oder -gehalts die jeweiligen Leistungssätze zu, gestaffelt nach Lohnsteuerklassen und für Beschäftigte mit und ohne Kinder.
Um den Anspruch auf Qualifizierungsgeld für einen bestimmten Beschäftigten zu ermitteln, sucht man den individuellen Leistungssatz zum Soll-Bruttoarbeitsentgelt und zieht davon den Leistungssatz zum Ist-Bruttoarbeitsentgelt ab.
Beispiel (2024): Eine Mitarbeiterin mit Steuerklasse II und einem Kind verdient in Vollzeit (40 Stunden) 3.000 Euro brutto. Sie ist im betreffenden Monat für 20 Stunden pro Woche für eine Weiterbildung freigestellt und erhält Qualifizierungsgeld. Dem Soll-Bruttogehalt von 3.000 Euro entspricht in ihrem Fall ein Leistungssatz von 1.456,81 Euro. Dem verbleibenden Ist-Bruttogehalt von 1.500 Euro entsprechen 804 Euro als Leistungssatz. Damit ergeben sich 652,81 Euro als monatlicher Qualifizierungsgeld-Anspruch, da der Leistungssatz zum Ist-Gehalt vom Leistungssatz zum Soll-Gehalt subtrahiert wird.
Die tägliche Nettoentgeltdifferenz erhält man, wenn man die 804 Euro durch 30 teilt, sie liegt damit bei 21,76 Euro.
Arbeitgeberzuschüsse zum Qualifizierungsgeld
Ein Zuschuss des Arbeitgebers für die Zeit der Weiterbildung beziehungsweise des Qualifizierungsgeldbezugs wird bei der Berechnung der Nettoentgeltdifferenz nicht berücksichtigt und wirkt sich damit nicht leistungsmindernd aus.
Das gilt allerdings nur, wenn das Ist-Entgelt, der Zuschuss zum Qualifizierungsgeld und das Qualifizierungsgeld zusammengenommen das Soll-Entgelt nicht übersteigen.
Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer
Wie Kurzarbeitergeld ist auch Qualifizierungsgeld grundsätzlich lohnsteuerfrei. Es unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt.
Ebenfalls wie bei Kurzarbeitergeld trägt auch beim Qualifizierungsgeld der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge auf die Lohnersatzleistung allein: Er muss auch den Arbeitnehmeranteil übernehmen. Bemessungsgrundlage ist ein fiktives Entgelt in Höhe von 80 Prozent der ermittelten Brutto-Entgeltdifferenz, d. h. des Brutto-Soll-Entgelts abzüglich des Brutto-Ist-Entgelts.
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung fallen auf das Qualifizierungsgeld nicht an.
Den Beitragszuschlag für kinderlose Beschäftigte ab 23 in der Pflegeversicherung brauchen Arbeitgeber auf das Qualifizierungsgeld nicht abzuführen.
Bei privat krankenversicherten Beschäftigten ist der volle Arbeitgeberzuschuss auf das fiktive Entgelt von 80 Prozent der Differenz aus Soll- und Ist-Entgelt zu zahlen.
Auf das während der Weiterbildung gezahlte Ist-Entgelt fallen regulär Lohnsteuer und sämtliche Sozialversicherungsbeiträge an. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden wie gewohnt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt.
Antrag und Auszahlung
Wie beim Kurzarbeitergeld ist es auch beim Qualifizierungsgeld Sache des Arbeitgebers, die Leistung zu beantragen, ihre Höhe für alle Beschäftigten korrekt zu berechnen und den entsprechenden Betrag auszuzahlen. Anschließend wird ihm das Qualifizierungsgeld von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.
Der Antrag auf Qualifizierungsgeld sollte spätestens drei Monate vor Beginn der Weiterbildung gestellt werden. Er kann elektronisch erfolgen. Für eine Weiterbildungsmaßnahme aus mehreren Abschnitten ist nur ein Antrag notwendig. Das Gleiche gilt, wenn mehrere Beschäftigte dieselbe Maßnahme bei einem Träger durchlaufen.
Im Unterschied zur Kurzarbeit steht bei der Freistellung für eine Weiterbildung der Arbeitszeitausfall in der Regel von vornherein fest und bleibt während der gesamten Maßnahme gleich. Dann muss auch die Berechnung des Qualifizierungsgeldes nur einmal erfolgen und eingereicht werden.
Vorsicht bei Nebenbeschäftigungen
Nehmen Beschäftigte in der Zeit, in der sie Qualifizierungsgeld erhalten, eine Nebenbeschäftigung an, sind von dem Netto-Zusatzverdienst nur 165 Euro anrechnungsfrei. Liegt das Nebeneinkommen höher, wird der Betrag über den 165 Euro vom Qualifizierungsgeld-Anspruch abgezogen.
Davon sind auch die Arbeitgeber betroffen, denn sie müssen die Auszahlung und den Erstattungsantrag um den anzurechnenden Betrag kürzen. Das setzt voraus, dass sie über die Nebenbeschäftigung informiert werden. Da Arbeitgeber für die korrekte Auszahlung haften, sollten sie alle Qualifizierungsgeldempfänger schriftlich zur Meldung von Nebenjobs verpflichten.
Keine Anrechnung erfolgt, wenn der Nebenjob schon vor der Weiterbildung ausgeübt wurde.
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