Änderungen bei der A1-Bescheinigung bei Entsendung ins EU-Ausland

Dezember 2018: Arbeitnehmer kommen immer häufiger auch jenseits der Grenzen beruflich zum Einsatz – sei es, dass sie Tagungen, Messen oder Fortbildungen im Ausland besuchen, zeitlich begrenzte Projektarbeit bei einer ausländischen Niederlassung des Arbeitgebers verrichten oder für eine überschaubare Dauer vor Ort bei einem Kunden mit Sitz im Ausland tätig werden.

In all diesen Situationen stellt sich die Frage nach der Sozialversicherungspflicht. Das gilt für Geschäftsreisen wie für Entsendungen gleichermaßen.

 

Sozialversicherungspflicht

Bei der Entsendung eines Arbeitnehmers ins EU-Ausland bleibt die Sozialversicherungspflicht bestehen. Das gilt völlig unabhängig davon, ob er für einen Tag, mehrere Monate oder gar für ein Jahr und länger entsandt wird.

Dem Grundsatz nach kommt während dieser Zeit das Sozialversicherungsrecht des Landes zur Anwendung, in dem der Entsendete arbeitet. Gleichwohl ziehen viele Arbeitnehmer es vor, weiterhin über die deutschen Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versichert zu bleiben, statt in ein ausländisches Sozialversicherungssystem zu wechseln, wenn sie nur vorübergehend im Ausland tätig sind.

Das ist auch möglich, solange sie während der Entsendung weiterhin für einen Arbeitgeber mit Firmensitz in Deutschland tätig sind, und der Lohn oder das Gehalt aus Deutschland gezahlt wird. Darüber hinaus muss es sich um einen zeitlich befristeten Auslandsaufenthalt handeln. Zudem darf kein anderer ins Ausland entsendeter Arbeitnehmer durch den Einsatz abgelöst werden.

 

Höchstdauer für den Verbleib in der deutschen Sozialversicherung bei Entsendung

Bei einer Entsendung können Arbeitnehmer für bis zu 24 Monate in der deutschen Sozialversicherung verbleiben, wenn sie sich einem der folgenden Länder aufhalten:

  • in den Staaten der EU: Österreich, Belgien, Bulgarien Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Deutschland, Kroatien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Ungarn und – noch – das Vereinigtes Königreich
  • in den Staaten des EWR: Norwegen, Island, Liechtenstein
  • in der Schweiz

Auch mit anderen Ländern gibt es Abkommen oder bilaterale Verträge. Im Falle Serbiens besteht keine zeitliche Obergrenze, solange der Einsatz erkennbar vorübergehender Art ist. Erfolgt die Entsendung in einen Staat, mit dem keine Abkommen oder bilaterale Verträge zur Sozialversicherungspflicht bestehen, gilt grundsätzlich deutsches Sozialversicherungsrecht (Ausstrahlung, § 4 SGB IV). Da parallel Sozialversicherungspflicht im Entsendungsstaat bestehen kann, ist eine Doppelversicherung unter Umständen nicht zu umgehen.

 

Die A1-Bescheinigung

Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit stehen Arbeitgeber in der Pflicht, dem zuständigen Sozialversicherungsträger jede grenzüberschreitende Tätigkeit eines Mitarbeiters innerhalb der EU bzw. des EWR sowie in der Schweiz zu melden. Um zu belegen, dass für den entsandten Mitarbeiter während des Auslandseinsatzes weiterhin allein das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaats einschlägig ist, muss die Ausstellung einer sogenannten A1-Bescheinigung beantragt werden.

  • Der Antrag erfolgt für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer bei der Krankenkasse des Mitarbeiters.
  • Bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern ist die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zuständig.
  • Einen Sonderfall stellen Arbeitnehmer dar, die nicht gesetzlich krankenversichert, gleichzeitig jedoch Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes sind. Bei ihnen ist der Antrag an die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) zu richten.

 

Keine zeitliche Mindestdauer

Für die Notwendigkeit, eine A1-Bescheinigung zu beantragen, ist es unerheblich, ob der Einsatz eine Entsendung oder eine Dienstreise darstellt. Auch für eine sehr kurzzeitige Tätigkeit muss bereits eine A 1-Bescheinigung beantragt werden.

Diese Pflicht besteht selbst dann, wenn ein im Grenzgebiet ansässiger Arbeitgeber einen Mitarbeiter für wenige Stunden und nur wenige Kilometer jenseits der Grenze einsetzt. Da keine zeitliche Bagatellgrenze existiert, macht schon das Betanken des Dienstfahrzeugs gleich hinter der Grenze eine A1-Bescheinigung notwendig.

 

Beantragung muss vor Beginn der Auslandstätigkeit erfolgen

Wohlgemerkt: Die A 1-Bescheinigung ist immer vor Beginn der Auslandstätigkeit zu beantragen. Mitarbeiter sind verpflichtet, das Dokument im Ausland mit sich zu führen.

Allerdings sind bislang Kontrollen eher selten durchgeführt worden. Die Sanktionen können jedoch empfindlich ausfallen. Einige europäische Länder reagieren auf das Fehlen einer entsprechenden Bescheinigung mit Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro.

 

Elektronisch statt Papier

Bisher konnte die A 1-Bescheinigung bei den zuständigen Versicherungsträgern nur in Papierform beantragt werden. Das wird sich ab dem 01. Januar 2019 ändern: Dann wird in Deutschland das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren verpflichtend eingeführt.

Das langsame Papierverfahren stellt Arbeitnehmer vor allem dann vor große Herausforderungen, wenn Mitarbeiter sehr kurzfristig im Ausland eingesetzt werden – etwa weil bei einem Kunden plötzlich eine dringende Reparatur notwendig wird. Eigentlich sind mangels Bescheinigung solche spontanen Entsendungen gar nicht möglich. Deshalb wurde in der Praxis nicht selten auf die Beantragung schlicht verzichtet.

Das elektronische Verfahren verspricht schnellere Bearbeitungszeiten. Es soll in die Entgeltabrechnungsprogramme integriert werden. Ob es in allen Fällen gelingen wird, dass diese Programme bis zum Jahreswechsel die Beantragung der A 1-Bescheinigung tatsächlich unterstützen, bleibt abzuwarten. Alternativ ist es möglich, ein digital ausgefülltes Formular online zu übermitteln.

Der Papierantrag darf nach dem Stichtag nur in begründeten Ausnahmefällen und nur noch bis zum 30. Juni 2019 genutzt werden.

 

Neue Herausforderungen

Das elektronische Antragsverfahren stellt Unternehmen vor eigene, neue Herausforderungen.

Dazu gehört, dass die Beantragung einer A 1-Be­scheinigung nun in die Entgeltabrechnung eingebettet wird, wo sie eigentlich einen Fremdkörper darstellt. Schließlich werden Dienstreisen in der Regel nicht von der für Lohn- und Gehaltsabrechnung zuständigen Abteilung koordiniert, sondern von den Fachabteilungen. Wenn diese nun Zugriff auf das Entgeltprogramm erhalten sollen, müssen solche Abläufe gut durchdacht sein.

Das machen schon die datenschutzrechtlich besonders sensiblen personenbezogenen Informationen im Abrechnungsprogramm erforderlich. Eine schnelle und unbürokratische, gleichzeitig jedoch der Compliance entsprechende Beantragung einer A 1-Bescheinigung sicherzustellen, ist keineswegs trivial.

Wichtig: Ab 2019 ist mit verstärkten Kontrollen zu rechnen. Das gilt besonders dort, wo zahlreiche Geschäftsleute anzutreffen sind, etwa bei beliebten Business-Hotels, auf Messegeländen oder auch vor dem Firmengelände großer Unternehmen.

 

Kompromisslösung in Österreich und Frankreich

Kontrollen sind bereits jetzt vor allem in den Grenzländern Österreich und Frankreich zunehmend zu beobachten. Da die mit der Erteilung der A 1-Bescheinigung verbundenen Probleme bekannt sind, haben sich die Staaten auf eine Kompromisslösung zugunsten der Arbeitnehmer verständigt.

Auf das Verhängen von Geldstrafen wird in den genannten Ländern verzichtet, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass die A 1-Bescheinigung vor dem Antritt der Dienstreise pflichtgemäß beantragt worden ist. Dazu konnte der Arbeitnehmer bislang eine Kopie des Antrags mit auf die Dienstreise nehmen. Mit der Umstellung auf das elektronische Verfahren entfällt diese Möglichkeit. Arbeitgeber können nur auf eine elektronische Antragsbestätigung zurückgreifen.

Stand: 02. Dezember 2018

Kategorie

Lohn- und Gehaltsabrechnung

Themen:

Ausland Versicherungen

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