Rückzahlung von Einmalzahlungen: Wann hat der Arbeitgeber einen Rückzahlungsanspruch?

September 2022 - Arbeitgeber können Arbeitnehmer zur Rückzahlung einer Sonderzahlung oder übernommener Fortbildungskosten verpflichten, falls die Mitarbeiter bald darauf kündigen. Die Rückzahlungsverpflichtung muss jedoch sehr sorgfältig festgelegt werden. Bei Einmalzahlungen hängt die Rückzahlbarkeit auch vom Zweck der Arbeitgeberleistung ab.

Rückzahlung von Sonderleistungen und Einmalzahlungen

  • In bestimmten Fällen können Arbeitgeber zumindest einen Teil einer Sonderleistung oder Einmalzahlung an Mitarbeiter zurückfordern. Das gilt zum Beispiel für Weihnachtsgeld, wenn es als Belohnung für Betriebstreue gestaltet wird und der Arbeitnehmer gleich der Auszahlung kündigt. Ein weiteres Beispiel sind vom Arbeitgeber finanzierte Weiterbildungen, falls der Mitarbeiter bald darauf mit dem neuen Wissen zu einem anderen Unternehmen wechselt. Voraussetzung ist in beiden Fällen eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung.

  • Rückzahlungsforderungen sind arbeitsrechtlich komplex. Im Fall der Sonderzahlung sind sie nur möglich wenn sie nicht Teil des Entgelts für die Arbeitsleistung des Mitarbeiters ist, sondern beispielsweise Betriebstreue belohnt. Außerdem muss die Rückzahlungsklausel gesetzeskonform gestaltet sein.

 

Rückzahlungsklauseln: Nicht bei Arbeitgeberleistungen, die eine reine Arbeitsleistung vergüten

Arbeitgeber können Sonderzahlungen wie ein Weihnachtsgeld grundsätzlich an die Bedingung knüpfen, dass der Arbeitnehmer weiter im Unternehmen bleibt. Solange die verlangte Betriebstreue auf eine zumutbare Bindungsfrist begrenzt ist, kann die Rückzahlbarkeit festgelegt werden, falls der Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt. Das entspricht der laufenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Sonderzahlung keine Vergütung für Arbeitsleistung darstellt. Eine Sonderleistung, die sich der Arbeitnehmer bereits erarbeitet hat, kann der Arbeitnehmer nicht nachträglich wieder entziehen. Deshalb kann er sie auch nicht unter der Bedingung zahlen, dass der Mitarbeiter in der nächsten Zeit nicht kündigt.

Wenn die Sonderzahlungen dagegen nicht Teil der Vergütung für die Arbeitsleistung des Mitarbeiters ist, sondern beispielsweise allein die Betriebstreue honoriert, ist die Rückzahlungspflicht im Fall einer Kündigung durch den Mitarbeiter grundsätzlich zulässig.

 

Vergütung für Arbeitsleistung oder andere Sonderleistung?

Das bedeutet: Wenn der Arbeitgeber das kurz vor der Kündigung gezahlte Weihnachtsgeld zurückfordert, muss er nachweisen können, dass die Sonderzahlung kein zusätzliches Entgelt für die Arbeitsleistung im Kalenderjahr war. Sie muss vielmehr zu einem anderen Zweck bezahlt worden sein, etwa als Belohnung für die Treue zum Unternehmen oder wegen der erhöhten Aufwendungen während der Festtage.

Der Beleg für einen solchen Zweck abseits vom Austauschverhältnis „Entgelt gegen Arbeitsleistung“ kann sich aus der Vereinbarung über die Zahlung ergeben, beispielsweise im Arbeitsvertrag, in einer Zusatzvereinbarung oder einem Tarifvertrag. Wurde dort nichts zum Zweck der Zahlung festgelegt, hat der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht in der Regel einen schweren Stand, wenn er den auf Rückzahlung verklagt, weil dieser innerhalb der Bindungsfrist kündigt. Arbeitgeber, die das Weihnachtsgeld, ein 13. Monatsgehalt oder eine andere Sonderleistung mit einer Rückzahlungsklausel verbinden wollen, sollten deshalb den Zweck der Zahlung – etwa als Treueprämie – explizit in die Vereinbarung aufnehmen.

Wird dazu mehrfach eine gleichlautende Musterformulierung eingesetzt, fällt die Klausel unter AGB-Recht. Sie muss dann die strengen Anforderungen der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB erfüllen: sie darf keine unklaren oder überraschenden Bedingungen enthalten und den Mitarbeiter nicht unangemessen benachteiligen. Klauseln, die der Inhaltskontrolle nicht gerecht werden, sind insgesamt wirkungslos – dann besteht gar kein Rückzahlungsanspruch.

Anmerkungen:

  • Werden Sonderzahlungen als Leistungsprämie an das Erreichen bestimmter Leistungs- oder Kennzahlen geknüpft, oder machen sie einen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Mitarbeiters aus, handelt es sich in jedem Fall um eine Vergütung für Arbeitsleistung. Sie kann also nicht zurückgefordert werden. Anders ist es, wenn das Geschäftsergebnis ausschlaggebend für die Zahlung ist.
  • Selbst beim Urlaubsgeld ist eine Bindung an die Unternehmenstreue möglich. Eine Klausel, die das Urlaubsgeld ungekündigten Arbeitnehmern vorbehält, ist zulässig. Das Urlaubsgeld soll die Erholung fördern und ist keine Gegenleistung für Arbeit (BAG, 22.07.2014 - 9 AZR 981/12).
  • Zahlungen können auch beides sein, sowohl eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung und eine Zahlung aus anderem Grund. Auch dann können sie nicht grundsätzlich zurückgefordert werden.
  • Eine tarifvertragliche Rückzahlungsregelung kann sich anders als eine Klausel im Arbeitsvertrag auch auf Entgelt für Arbeitsleistung beziehen. In diesem Fall entfällt die Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB. (BAG, 27.06.2018 - 10 AZR 290/17).

 

Rückzahlbarkeit auch bei betriebsbedingter Kündigung

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Frage, was zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Die Rückforderung einer Sonderleistung ist grundsätzlich dann unproblematisch, wenn der Mitarbeiter selbst kündigt, einem Aufhebungsvertrag zustimmt oder Anlass zu einer ordentlichen oder außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gibt.

Allerdings kann auch eine betriebsbedingte Kündigung die Rückforderung rechtfertigen. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte, dass ein Arbeitgeber einer zum Auszahlungszeitpunkt bereits betriebsbedingt gekündigten Mitarbeiterin keine Weihnachtsgratifikation schuldete. Diese Zahlung war laut Arbeitsvertrag „gleichzeitig Treueprämie“ und wurde dort für den Fall ausgeschlossen, dass sich das Anstellungsverhältnis „in gekündigtem Zustand“ befand. Das war für das Bundesarbeitsgericht auch dann zulässig, wenn „der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, sondern auf einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers beruht.“. Die motivierende Wirkung könne sich entfalten, wenn der Arbeitnehmer dem Betrieb noch einige Zeit angehöre (BAG, 18.01.2012 - 10 AZR 667/10).

 

Stichtage für die Rückzahlung

Vorformulierte Rückzahlungsklauseln sollten eine Stichtagregelung umfassen. Eine unbegrenzte Bindungspflicht ans Unternehmen wäre unangemessen. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgend ist folgende Staffelung für Weihnachtsgratifikationen typisch:

  • Bei Beträgen unter 100 Euro entfällt die Rückzahlungspflicht.
  • Bei Beträgen zwischen 100 Euro und einem Monatsgehalt gilt Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März des Folgejahrs.
  • Bei höheren Beträgen besteht Rückzahlungspflicht, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni des Folgejahrs endet.

Entscheidend ist nicht, ob der Arbeitnehmer zum Stichtag die Kündigung erhalten hat oder bereits freigestellt wurde, sondern wann das Arbeitsverhältnis endet.

 

Rückzahlung von Weiterbildungskosten

Rückzahlungsklauseln werden häufig auch bei einer anderen Arbeitgeberleistung vereinbart: Fort- und Weiterbildungen, die vom Unternehmen bezahlt werden. Ein Arbeitgeber, der teure Lehrgänge oder Schulungen bezahlt und den Mitarbeiter dafür freistellt, möchte vermeiden, dass die von ihm finanzierte Qualifikation anschließend einem Wettbewerber zugutekommt.

Eine Rückzahlungsvereinbarung zu den vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten ist grundsätzlich zulässig. Allerdings steckt der Teufel aus Arbeitgebersicht auch hier im Detail. Auf Fortbildungskosten bezogene Musterklauseln fallen wie oben erwähnt unter die AGB-Inhaltskontrolle. Einfach ausgedrückt: der Arbeitnehmer muss verstehen können, auf was er sich einlässt.

  • Aus der Rückzahlungsklausel sollte klar hervorgehen, welche Kosten rückzahlbar sind. Neben den Lehrgangskosten kann der Arbeitgeber grundsätzlich auch von ihm bezahltes Lernmaterial, den Aufwand für Kost, Logis und Fahrt sowie das während der Freistellung bezogene Gehalt zurückfordern.
  • Auch in diesem Fall sollte die Bindungsfrist, innerhalb der eine Rückforderung möglich ist, begrenzt und klar geregelt sein. Je nach Kostenaufwand und Dauer der Fortbildungsmaßnahme sind Fristen von einem halben bis maximal fünf Jahren üblich. Die Bindungsfrist von einem ganzen Jahr kann bei einer zwei- oder dreimonatigen Fortbildungsdauer angemessen sein. Eine fünfjährige Bindungsfrist setzt eine lange und teure, in der Regel mehrjährige Fortbildungsmaßnahme voraus
  • Üblich und von den Arbeitsgerichten anerkannt sind Quotenregelungen, wonach der rückzahlbare Anteil der Fortbildungskosten im Verlauf der Zeit sinkt. Wenn der Mitarbeiter die erworbene Qualifikation zwei Jahre für den Arbeitgeber einsetzt und anschließend kündigt, konnte das Unternehmen bereits einiges an Nutzen aus der Investition in sein Humankapital ziehen. Deshalb wäre eine volle Rückerstattung ungerechtfertigt. Nach der Hälfte der Bindungsfrist sollte maximal die Hälfte der Kosten rückzahlbar sein.
  • Eine Rückzahlungsvereinbarung mit Auszubildenden ist ausgeschlossen.
  • Anders als bei einer Loyalitätsprämie ist die Rückforderung von Weiterbildungskosten nach einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. Sie ist nur dann durchsetzbar, wenn der Mitarbeiter das Ende des Beschäftigungsverhältnisses zu verantworten hat.

 

Rückzahlung von Fortbildungskosten auch bei gesundheitsbedingter Eigenkündigung: Klausel unwirksam

Wie leicht Arbeitgeber über die Formulierung der Rückzahlungsbedingung stolpern können, zeigt der Fall einer Altenpflegerin, den das Bundesarbeitsgericht vor einigen Monaten entschieden hat. Der Arbeitgeber der Frau, eine Reha-Klinik, finanzierte ihr eine 18 Tage umfassende Fortbildung zur Fachtherapeutin für Wundpflege und stellt sie dafür frei. Kursgebühren und der auf die Freistellung entfallende Lohn summierten sich auf 4.090 Euro. Im Gegenzug wurde die Mitarbeiterin verpflichtet, nach Abschluss der Maßnahme für sechs Monate in der Klinik beschäftigt zu bleiben. Andernfalls waren wie auch bei Abbruch die Kosten der Maßnahme zurückzuzahlen. Mit jedem Monat der Bindungsfrist sollte der rückzahlbare Betrag um ein Sechstel der Gesamtkosten sinken.

Die Mitarbeiterin kündigte ihr Arbeitsverhältnis kurz vor dem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme. Der Arbeitgeber reagierte mit einer Rückzahlungsforderung. Als die Pflegekraft sich weigerte, ging die Sache vors Arbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht entschied wie schon die Vorinstanzen gegen die Betreiberin der Reha-Klinik. Die Rückzahlungsklausel fiel aus Sicht der Richter unter die AGB-Inhaltskontrolle. Weil sie eine Rückzahlungspflicht in jedem nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Fall einer Trennung vorsah, werde die Arbeitnehmerin unangemessen benachteiligt. Grund: die Klausel galt auch im Fall einer krankheitsbedingten Eigenkündigung.

Da die Klausel die Inhaltskontrolle nicht bestand, war sie wirkungslos. Die Rückzahlungsforderung ging ins Leere. Wohlgemerkt: Ob die Frau tatsächlich aus Krankheitsgründen zur Kündigung motiviert wurde, war dafür belanglos. Ausschlaggebend war allein die zu allgemein formulierte Rückzahlungsvoraussetzung (BAG, 01.03.2022 - 9 AZR 260/21).

Kategorie

Unternehmen, Arbeitgeber und Mitarbeiter

Themen:

Gesetze Zusatzleistungen

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