Incentive-Modelle mit Langzeitvergütung als außerordentliche Einkünfte

Februar 2022: „Long Term Incentive“-Modelle kommen in erster Linie bei Führungskräften zum Einsatz. Diese Form der Bonus-Zahlung bewertet die Entwicklung von Leistungsparametern über einen mehrjährigen Zeitraum. Die steuerliche Behandlung der Auszahlungen war in der Vergangenheit umstritten. Nun hat der Bundesfinanzhof für Klarheit gesorgt.

Long-Term-Incentive-Modelle und Einkommensteuerrecht

Wenn Bonus-Zahlungen sich nur auf kurzfristige Indikatoren beziehen, wie die Geschäftszahlen eines Kalenderjahrs oder der Fortgang eines Einzelprojekts, sind Fehlanreize möglich. Variable Vergütungsmodelle sollen Führungskräfte nicht zum Agieren auf kurze Sicht motivieren, sondern nachhaltige Performance und langanhaltende Bindung bringen.

Aus diesem Grund spielen Langzeitvergütungsmodelle eine immer wichtigere Rolle. Bei Long-Term-Incentive-Programmen (LTI-Programmen) orientiert sich die Bonuszahlung an der längerfristigen Entwicklung des gewählten Indikators, etwa der Kurs-, Gewinn- oder Umsatzentwicklung über drei Jahre hinweg. Das führt zu der Frage, wie solche Zahlungen zu versteuern sind:

  • Muss eine LTI-Auszahlung der Lohnsteuer so unterworfen werden wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, mit voller Auswirkung auf die Steuerprogression?
  • Oder kann dafür wie bei Abfindungen für eine mehrjährige Tätigkeit die Fünftelregelung genutzt werden, die 34 Abs. 1 EStG für „außerordentliche Einkünfte“ vorsieht?

Die Antwort wirkt sich bei höheren Einkommen und umfangreichen Bonusbeträgen spürbar auf den Grenzsteuersatz und damit auf die Lohnsteuer-Belastung im betreffenden Jahr aus.

 

Zunächst als außerordentliche Einkünfte akzeptiert, dann nicht mehr

Ein Urteil des Bundesfinanzhofs sorgte im Herbst letzten Jahres für Klarheit in dieser Frage (BFH, 02. 09. 2021, VI R 19/19). Ein Arbeitgeber hatte 2010 einen LTI-Plan für Führungskräfte etabliert. Dabei wurde ein variabler Vergütungsanteil abhängig von der geschäftlichen Entwicklung gezahlt, bezogen auf einen laufenden Vierjahreszeitraum und dessen Vergleich zum vorigen Vierjahreszeitraum.

Um Sicherheit bei der Gehaltsabrechnung zu gewinnen, wandte sich das Unternehmen an sein Betriebsstättenfinanzamt. Dieses bestätigte 2011 in einer Anrufungsauskunft, dass die LTI-Zahlungen eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellten und deshalb unter die Fünftelregelung fielen. 2017 hob das Finanzamt diese Anrufungsauskunft wieder auf und bewertete die Zahlungen in einem neuen Bescheid als jährliche „Bonuszahlungen“, die keine außerordentlichen Einkünfte seien.

Der Arbeitgeber erhob Klage, und hatte damit sowohl vor dem Hessischen Finanzgericht wie vor dem Bundesfinanzhof Erfolg.

 

Bundesfinanzhof: Für mehrjährige Bonusmodelle gilt die Fünftelregelung

Die Richter am Bundesfinanzhof bekräftigten, dass die Auszahlungen aufgrund des LTI-Modells eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten im Sinne von § 34 EStG darstellten. Die Betroffenen haben ein Recht darauf, die Lohnsteuer darauf gemäß der Fünftelregelung zu handhaben und so die Lohnsteuerbelastung zu verringern.

Der BFH sieht die LTI-Zahlungen als zusammengeballte Auszahlung von Arbeitslohn für einen mehrjährigen Zeitraum, selbst wenn es jedes Jahr zu einer solchen Zahlung kommt. Schließlich dienen sie jeweils zur Vergütung eines mehrjährigen Bemessungszeitraums. Damit sind die Einkünfte außerordentlich im Sinne des Gesetzes. Um einmalige, sich nicht wiederholende Sondereinkünfte muss es sich nicht handeln. Es genügt, dass die damit vergütete Tätigkeit in mindestens zwei Veranlagungszeiträumen (in der Regel Kalenderjahren) liegt und mehr als zwölf Monate umfasst.

Allerdings reicht es nach ständiger Rechtsprechung nicht aus, wenn Bonus-Auszahlungen willkürlich in ein späteres Jahr verlagern werden. Dass die Auszahlung für mehrere Jahre gleichzeitig erfolgt, muss aus der Zweckbestimmung und aus „wirtschaftlich vernünftigen Gründen“ folgen. Als Argumente dafür können gemäß der Urteilsbegründung sowohl der „Anlass der Zuwendung“ wie auch die „übrigen Umstände“, etwa wie die Berechnungsmethode dienen.

 

Viel Freiheit für wirtschaftlich vernünftige LTI-Modelle

Der Sinn der LTI-Modelle ist ohne Frage wirtschaftlich vernünftig. In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber die Einführung dieser Bonus-Form mit dem Ziel einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung in Übereinstimmung mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex begründet. Dass die Auszahlung für mehrere Jahre gleichzeitig erfolgt, ergibt sich aus der inneren Logik dieser leistungsabhängigen Entlohnung und folgt deren Zweckbestimmung.

Damit sollte die Diskussion um die Anwendung der Fünftelregelung in Bezug auf LTI-Pläne endgültig der Vergangenheit angehören. Solange die Ausgestaltung solcher Boni sachlich begründbar ist, gilt gemäß der Urteilsbegründung das Steuerprivileg gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Es genügt, wenn der jeweils vergütete Zeitraum mehr als zwölf Monate und mindestens zwei Veranlagungszeiträume umfasst. Dann können die Indikatoren eines bestimmten Jahres durchaus in die LTI-Auszahlung mehrerer Jahre nacheinander einfließen.

 

Grenzsteuersatz und Fünftelregelung

Das Prinzip der Steuerprogression führt dazu, dass zusätzliche Einkommensbestandteile einer höheren Besteuerung unterliegen als der Grundlohn. Mit jedem zusätzlichen Einkommensbetrag erhöht sich der Grenzsteuersatz, d. h. der Prozentsatz an Lohnsteuer, der auf diesen Teil der Gesamteinkünfte anfällt.

Dieses System führt dazu, dass hohe Zusatzzahlungen auch besonders hoch besteuert werden. Um die Wirkung der Steuerprogression zu begrenzen, definiert § 34 EStG bestimmte Einkommensbestandteile als „außerordentliche Einkünfte“, die sich nur zu einem Fünftel auf die Steuerprogression auswirken. Bei Arbeitnehmern sind das Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten. Darunter fallen neben LTI-Boni beispielsweise auch Abfindungen, wenn die Tätigkeit länger als zwölf Monate gedauert hat bzw. nicht nur in einen Veranlagungszeitraum gefallen ist.

Für die Ermittlung der Steuer in einem konkreten Fall wird zunächst die Lohnsteuer für das reguläre Jahreseinkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte ermittelt. Dann wird ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte zum sonstigen Jahreseinkommen dazu addiert und erneut der Lohnsteuerbetrag ermittelt. Die Differenz aus beiden Steuerbeträgen wird mit fünf multipliziert und ergibt die Lohnsteuer, die auf die gesamten außerordentlichen Einkünfte anfällt.

Anmerkung: Die Anrufungsauskunft und ihre Änderung
Ein weiterer Punkt der Entscheidung bezog sich darauf, unter welchen Voraussetzungen das Finanzamt eine früher erteilte Anrufungsauskunft wieder aufheben kann. Nach § 42e EStG können Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eine Anrufungsauskunft einholen, wenn Unklarheiten in Bezug auf die Lohnsteuer zu konkreten Sachverhalten bestehen. Die Anrufungsauskunft ist im Gegensatz zur verbindlichen Auskunft kostenlos und anders als eine formlos erteilte Auskunft für die Finanzbeamten bindend.

Zur Aufhebung von Anrufungsauskünften fehle eine gesetzliche Korrekturregelung, so der BFH. Deshalb wandten die Richter die Vorgaben aus § 207 AO für verbindliche Zusagen im Rahmen von Außenprüfungen analog an: Finanzbehörden dürfen eine Ausrufungsankunft demnach grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern. Eine rückwirkende Änderung wird nur wirksam, wenn die Betroffenen zustimmen.

Außerdem stellte der BFH fest: Hält ein Finanzamt eine bereits erteilte Anrufungsauskunft zu Unrecht für rechtswidrig, ist deren Änderung oder Aufhebung ein Ermessenfehler. Das steigert die Klageaussichten von Betroffenen erheblich: Das Finanzamt muss vor Gericht beweisen, dass seine frühere Sichtweise rechtswidrig ist, z. B. aufgrund neuer Rechtsprechung, neuer Gesetzgebung oder neuer BMF-Schreiben. Dass die Beamten vor Ort ihre Sichtweise geändert haben, reicht zur Rechtfertigung der Aufhebung nicht aus.

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Lohn- und Gehaltsabrechnung

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