Ab September: Tariflohn für stationäre Pflegeeinrichtung

Juli 2022: Arbeitgeber im Pflege- und Betreuungsbereich müssen Pflegekräften spätestens ab dem 01. September 2022 Tariflöhne bezahlen, um ihre Zulassung zu behalten. Mit Einrichtungen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst nicht nach Tarif entlohnen, kann die Pflegeversicherung als Leistungsträger dann keine Leistungen mehr abrechnen. Viele Pflegeeinrichtungen stehen damit vor der Herausforderung, ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung auf tarifliche Vergütungssysteme auszurichten.

Neue Anforderung beim Abschluss von Versorgungsverträgen: Mindestens Tariflohn

Ab September 2022 können Pflegeeinrichtungen nur noch dann Versorgungsverträge mit den Pflegekassen abschließen, wenn sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Pflegedienst nach Tarif oder auf Tarifniveau bezahlen. Ausschlaggebend sind Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (AVR) für Pflegeeinrichtungen, die in dem Bundesland gelten oder unter deren Geltungsbereich die Einrichtung fällt.

 

Vorgaben und gesetzliche Grundlage der Tariflohn-Pflicht für Pflegeeinrichtungen

Die gesetzliche Vorschrift ergibt sich aus einer Gesetzesänderung vom Sommer 2021, die dem § 72 SGB XI die neuen Absätze 3a bis 3f hinzufügte. Dieser Paragraph regelt die „Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag“, die neuen Absätze enthalten die Details zur Tariflohnverpflichtung im Pflegebereich.

Zur Umsetzung hat der GKV-Spitzenverband im Januar 2022 Pflegevergütungsrichtlinien und Pflegezulassungsrichtlinien veröffentlicht, außerdem eine umfangreiche FAQ-Liste zu Praxisfragen.

 

Was bedeutet das für die Praxis?

Praktisch haben Pflegeeinrichtungen drei Möglichkeiten:

  • Die Einrichtungen können einem Tarifvertrag beitreten oder, wenn sie groß genug sind, selbst einen Tarifvertrag abschließen.

  • Wenn sie sich keinem Tarifverband anschließen wollen, können sie alternativ die in der Pflege Beschäftigten nach dem einschlägigen Flächentarifvertrag bezahlen, oder nach dem Haustarifvertrag einer anderen Pflegeeinrichtung in ihrem Bundesland.
    Das betrifft nur die Vergütung. Tarifbestimmungen, die nicht entlohnungsrelevant sind, müssen die Einrichtungen nicht umsetzen. Von Tarifvereinbarungen zur betrieblichen Altersvorsorge oder zu Urlaubsansprüchen können sie also abweichen, an die tarifvertraglichen Regelungen zur Eingruppierung von Pflegekräften und zum Lohngefüge insgesamt müssen sie sich halten.

  • Alternativ ist eine Bezahlung auf dem Durchschnittsniveau tariflicher Leistungen in dem Bundesland möglich. Das Lohnniveau der Einrichtung muss mindestens Durchschnitts-Tariflöhnen in der Region bzw. dem Bundesland entsprechen.

 

Bezahlung auf dem regionalen Durchschnittsniveau

Diese Durchschnittsvergütungen werden regelmäßig von den Landesverbänden der Pflegekassen ermittelt (§ 82c Abs. 2 SGB XI), und zwar für ungelernte Pflegehilfskräfte, Pflegehelfer mit einjähriger und Pflegefachkräfte mit mindestens dreijähriger Ausbildung. Daraus wird ein nach Qualifikationsgruppen gewichteter Durchschnitts-Stundenlohn für das Bundesland ermittelt.

Für die Pflegeeinrichtung ist ebenfalls ein gewichteter Stundenlohn nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln, so dass ein Vergleich möglich ist. In die Berechnung fließen der Grundlohn, regelmäßige pflegetypische Zulagen, jährliche Sonderzahlungen und vermögenswirksame Leistungen ein. Für variable pflegetypische Leistungen wie Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge, Schichtzuschläge, Flexibilitätszuschläge und die Zuschläge für Bereitschaftsdienste erfolgt eine eigene Durchschnittsberechnung.

Die Pflegeeinrichtungen mussten dem für sie zuständigen Landesverband der Pflegekassen mitteilen, welche dieser Optionen sie wahrnehmen und welcher Tarifvertrag für sie gilt. Für das Jahr 2022 lief die Frist zu dieser Mitteilung bereits am 28. Februar ab.

Die Pflegekassen können eine Bezahlung nach Tarif bzw. auf Tarifniveau ebenso wie eine Entlohnung gemäß dem regionalen Durchschnitt nicht als unwirtschaftlich ablehnen – sie müssen also die Entgelte erstatten. Bezahlt eine Pflegeeinrichtung allerdings höhere Leistungen, muss sie das sachlich begründen können.

 

Praktische Herausforderung: Umstellung der Lohnabrechnung auf tarifliche Bezahlung

Vor allem in der Altenpflege wurde bislang oft nicht nach Tarif bezahlt. Damit stehen Heime und Pflegeeinrichtungen nur auch in der Lohn- und Gehaltsabrechnung vor einer großen Herausforderung. Die Umstellung auf ein neues Lohngefüge, wie es etwa im TVöD oder den AVR angelegt ist, und die Beachtung sämtlicher Regelungen und Zusatzleistungen ist alles andere als trivial.

Erfahrungsgemäß ist die Umstellung ein längerer Prozess. Gleichzeitig wächst der Druck. Schließlich muss die Abrechnung ab September funktionieren. In dieser Situation kann Paychex Ihre Pflegeeinrichtung als professioneller Lohnabrechnungspartner entscheidend unterstützen. Paychex besitzt jahrzehntelange Erfahrung mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung gemäß TVöD und AVR. Wir gewährleisten die kompetente und verlässliche Durchführung der Abrechnung gemäß Tarif.

Kategorie

Lohn- und Gehaltsabrechnung

Themen:

Lohn und Gehalt Gesetze

Verwandte Artikel

Artikel

Lohnabtretung: Wann muss der Arbeitgeber sich darauf einlassen?

Lohn und Gehalt Gesetze

Lohnabtretung bedeutet, dass ein Mitarbeiter seinen Lohnanspruch an einen Gläubiger abtritt – zum Beispiel an eine Bank, die ihm ein Darlehen gibt. Kommt es zum Zahlungsrückstand, verlangt die Bank vom Arbeitgeber den pfändbaren Lohnanteil. Früher konnte die Lohnabtretung im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. Inzwischen geht das nicht mehr.

Artikel

Equal Pay: Strenge Maßstäbe vom Bundesarbeitsgericht

Gesetze Lohn und Gehalt

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können für vergleichbare Tätigkeiten das gleiche Entgelt wie ihre Kollegen beanspruchen, wenn auch Qualifikation, Betriebszugehörigkeit, Berufserfahrung und Eignung vergleichbar sind. Das ist schon lange geltendes Recht. Trotzdem entzünden sich am Equal-Pay-Anspruch regelmäßig Konflikte. Zwei Streitfragen wurden nun vom BAG entschieden.

Artikel

Midijobs: Der Übergangsbereich reicht jetzt bis 2.000 Euro pro Monat

Lohn und Gehalt Beschäftigungsverhältnis

Der Übergangsbereich, in dem Beschäftigte für die Sozialversicherung als Midijobber gelten, wurde zum 01. Januar 2023 erneut angehoben, auf nun 2.000 Euro brutto. Da die Sozialversicherungsträger mit der Software-Anpassung nicht hinterherkommen, müssen sich Arbeitgeber von Beschäftigten in dieser Einkommensgruppe auf Rückrechnungen einstellen.

Artikel

Kurzarbeit: Es bleibt beim erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld (KUG)

Lohnabrechnung Lohn und Gehalt Beschäftigungsverhältnis

Oktober 2022 - Unternehmen können auch weiterhin unter erleichterten Bedingungen Kurzarbeit anmelden und Kurzarbeitergeld für ihre Beschäftigten beantragen. Bis vorerst Ende des Jahres 2022 bleibt es dabei, dass Kurzarbeitergeld schon bei einem Arbeitsausfall von 10 Prozent ausgezahlt wird. Außerdem kann die Bundesregierung nun eine Reihe anderer KUG-Sonderregelungen aus der Zeit der Pandemie wieder einführen.

Artikel

Die Veränderungen bei geringfügiger Beschäftigung und im Übergangsbereich ab Oktober 2022

Lohn und Gehalt Beschäftigungsverhältnis

August 2022: Ab dem 01. Oktober 2022 steigt der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro pro Arbeitsstunde. Neu ist auch, dass der höhere Mindestlohn für einen Anstieg der Verdienstgrenze bei Minijobs bzw. geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sorgt. Sie liegt dann bei 520 Euro pro Monat. Der Übergangsbereich für Midijobs wird bis zu einem Monatslohn von 1.600 Euro reichen.