Lohn- und Gehaltspfändung: Neue Pfändungsfreibeträge und einschlägige Urteile
Auch in diesem Jahr haben sich die Pfändungsfreigrenzen zum 01. Juli geändert. Arbeitgeber, die bei der Lohnpfändung eines Mitarbeiters mitwirken müssen, sollten die geänderten Werte unbedingt beachten. Außerdem gab es in den letzten Jahren eine Reihe von Urteilen zur Lohn- und Gehaltspfändung in besonderen Konstellationen.
Neue Pfändungsfreigrenzen seit 01. Juli 2023
Die Zwangsvollstreckung durch Lohnpfändung hat Grenzen. Dem Schuldner muss zumindest das Existenzminimum belassen werden, im Regelfall zudem ein Teil seines Arbeitseinkommens. Jedes Jahr zum 01. Juli legt das Bundesjustizministerium dazu eine angepasste Pfändungstabelle mit den Pfändungsfreigrenzen vor. Die Tabelle nennt die Beträge, die Gläubiger grundsätzlich vom Einkommen eines Schuldners pfänden dürfen, je nach dessen Nettolohn und der Zahl der unterhaltspflichtigen Personen.
Die neueste, seit 01. Juli 2023 geltende Pfändungstabelle kann als PDF-Dokument heruntergeladen werden. Sie ist unter anderem für Arbeitgeber beziehungsweise die Lohnbuchhaltung wichtig, wenn bei einem der Beschäftigten eine Lohnpfändung läuft.
Nicht immer gilt die Pfändungstabelle
Bei Forderungen, die „aus unerlaubter Handlung“ des Schuldners resultieren oder auf Unterhaltsansprüchen beruhen, kann die Lohnpfändung über die Beträge der Pfändungstabelle hinausgehen (§§ 850d und 850f ZPO).
In solchen Fällen steht der pfändungsfreie Betrag oft direkt im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts. Der „PfÜB“ ist die ist die rechtliche Grundlage für die Pfändung. Er versetzt den Gläubiger in die Lage, die Forderung gegenüber dem Schuldner und gegenüber dessen Arbeitgeber als Drittschuldner geltend zu machen.
Lästige Pflicht, Risiko der Haftung: der Arbeitgeber als Drittschuldner
Der Arbeitgeber ist bei der Lohnpfändung in einer unerfreulichen Situation. Er haftet dem Gläubiger dafür, dass dieser den gesamten pfändbaren Betrag erhält. Gleichzeitig ist der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter gegenüber verantwortlich dafür, dass nicht zu viel Geld an den Gläubiger überwiesen wird. Deshalb führt sowohl ein zu hoher als auch ein zu niedriger Pfändungsbetrag geradewegs in die Schadenersatzpflicht.
Lohnpfändung: Urteile zu besonderen Konstellationen
Streit zwischen Gläubigern und den Arbeitgebern von Schuldnern gibt es häufig wegen der Frage, wie hoch das pfändbare Einkommen im konkreten Fall anzusetzen ist. In den letzten Jahren gab es dazu mehrere Gerichtsurteile, die sich mit der Lohnpfändung in besonderen Konstellationen beschäftigten:
Firmenwagen muss berücksichtigt werden
Die private Nutzung eines Firmenwagens ist ein geldwerter Vorteil, der nicht nur steuerlich berücksichtigt werden muss. Er erhöht auch das pfändbare Einkommen, so wie andere „Naturalleistungen“ beziehungsweise Sachbezüge. Das hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden.In dem Fall ging es um einen Schadenersatzanspruch „aus unerlaubter Handlung“ des Schuldners. Der PfÜB nannte eine monatliche Pfändungsfreigrenze von 900 Euro. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitgeber des Schuldners den geldwerten Vorteil durch den Firmenwagen in Höhe von 312 Euro monatlich als Teil des pfändbaren Entgelts zu berücksichtigen hatte. Deshalb musste er dem Gläubiger einen entsprechend höheren Betrag überweisen. Der Arbeitnehmer hatte weiterhin Anspruch auf eine monatliche Auszahlung in Höhe von 900 Euro (LAG Köln, 25.06.2020 - 6 Sa 132/20).
Entgeltumwandlung für eine betriebliche Altersvorsorge
Lohn, der per Entgeltumwandlung in eine Direktversicherung fließt, verringert das pfändbare Gehalt. Das gilt zumindest im Rahmen des gesetzlichen Anspruchs auf betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung in Höhe von maximal 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze.
Ein Ehemann hatte nach der Scheidung mit seiner früheren Frau die Aufteilung von Schulden aus einem gemeinsamen Bauprozess vereinbart. Als die Frau ihren Anteil nicht bezahlte, erwirkte er eine Gehaltspfändung. Kurz darauf vereinbarte sie mit ihrem Arbeitgeber eine Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge auf Grundlage einer Gehaltsumwandlung. Ihre monatliche Einzahlung von 248 Euro monatlich klammerte der Arbeitgeber bei der Berechnung des Pfändungsbetrags aus.
Dagegen klagte der Gläubiger. Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten seiner Ex-Frau. Sie habe nur von ihrem Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge Gebrauch gemacht. Das war für das BAG keine Gläubigerbenachteiligung (BGH, 15.01.2020 - VII ZB 5/19).
(Hinweis: Mittlerweile besteht bei dieser Form der betrieblichen Altersvorsorge eine Zuschusspflicht des Arbeitgebers.)
Lohnpfändung bei Aufstocker
Auch bei Aufstockern kann es zur Lohnpfändung kommen.
Bei einem Arbeitnehmer, der 450 Euro monatlich verdiente und deshalb zusätzlich ALG-II-Leistungen erhielt, sollte wegen Unterhaltsansprüchen seiner Tochter eine Lohnpfändung erfolgen. Der Bundesgerichtshof hielt eine Pfändungsfreigrenze von 350 Euro für angemessen. Die ALG-II-Auszahlung deckte nach Ansicht des BGH zusammen mit den 280 Euro vom Nettoeinkommen, die darauf angerechnet wurden, den Gesamtbedarf des Schuldners. Durch die Erwerbstätigkeit bestehe zwar ein Mehrbedarf, aber nur in Höhe von 70 Euro. Deshalb war ein Betrag von 100 Euro pfändbar (BGH, 15.01.2020 - VII ZB 5/19). Die Argumentation lässt sich auf die Aufstockung von Niedriglöhne durch Bürgergeld, das inzwischen ALG II ersetzt hat, übertragen.
Steuerfreie Inflationsausgleichsprämie: grundsätzlich pfändbar
Noch bis Ende 2024 können Arbeitgeber eine steuerfreie Inflationsprämie von bis zu 3.000 Euro bezahlen. Diese Leistung ist nach einem Urteil des Amtsgerichts Köln pfändbar, soweit die Pfändungsfreigrenzen gemäß Pfändungstabelle überschritten werden (AG Köln, 04.01.2023 - 70k IK 226/20).
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