„Zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn“: bald Rückkehr zur alten Rechtslage?

Januar 2021: Eine genaue Bestimmung der Bezeichnung "Zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn" gab es für längere Zeit nicht. Dabei sind viele Leistungen des Arbeitgebers steuerfrei bzw. steuerbegünstigt, wenn sie unter der genannten Bedingung erfolgen. Seit Kurzem existiert jedoch eine gesetzliche Definition des Zusätzlichkeitserfordernis. In unserem aktuellen Lohn-Update informieren wir Sie über alle Details der Definition und stellen Ihnen außerdem eine Übersicht der steuerbegünstigten Arbeitgeberleistungen mit Zusätzlichkeitserfordernis vor. 

„Zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn“: die gesetzliche Definition

Viele Leistungen des Arbeitgebers sind steuerfrei oder steuerbegünstigt, wenn sie „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erfolgen. Die so formulierte Bedingung findet sich in vielen Bestimmungen der Steuergesetzgebung wieder. Darüber, was sie genau bedeutet, gab es jedoch geraume Zeit unterschiedliche Meinungen.
Seit dem 29. Dezember 2020 ist die Unklarheit beendet: Das von der Steuerverwaltung bevorzugte Verständnis steht nun direkt im Gesetz und ist somit für die Finanzgerichte verbindlich. Diese Ausgabe der Lohn-Updates fasst zusammen, was das Zusätzlichkeitserfordernis besagt.

 

Zusätzlich zum Arbeitslohn: Festlegung im Einkommensteuergesetz

Verankert ist die Definition der Zusätzlichkeitsbedingung in einem neuen Absatz im Einkommensteuergesetz (§ 8 Abs. 4 EStG). Der erste Satz nennt vier notwendige Bedingungen dafür, dass eine Leistung des Arbeitgebers „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erfolgt:

  1. Die Leistung wird „nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet“.
  2. Der Arbeitslohn wird „nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt“.
  3. Eine „verwendungs- oder zweckgebundene Leistung“ ersetzt keine bereits vereinbarte Lohnerhöhung.
  4. Der Arbeitslohn wird nicht erhöht, wenn die Leistung später wegfällt.

Hinweis: Ob der Arbeitgeber selbst oder ein Dritter die Leistung erbringt, ist gleichgültig. Es macht also keinen Unterschied, ob die Ladesäule, mit der Arbeitnehmer ihre E-Fahrzeuge kostenlos aufladen können, dem Betrieb selbst gehört oder von einem Drittanbieter betrieben wird.

 

Eine vertragliche Verpflichtung verhindert die Zusätzlichkeit nicht

Der zweite Satz des neu hinzugefügten Absatz 4 in § EStG bringt eine weitere, wichtige Klarstellung: Eine vom Arbeitgeber gewährte Leistung kann auch dann im genannten Sinn zusätzlich und deshalb steuerfrei oder steuerbegünstigt sein, wenn sie vertraglich vereinbart wurde. Der Arbeitnehmer kann also einen Anspruch auf die zusätzliche Leistung haben.

Ergeben kann sich der Anspruch aus einer Klausel im Arbeitsvertrag, aus einer individuellen Zusatzvereinbarung, einer Betriebsvereinbarung, einem Tarifvertrag oder auch aus einer gesetzlichen Regelung – auch das ist nun gesetzlich geregelt.

Früher einmal hatte die Rechtsprechung des BFH den Aspekt der Freiwilligkeit ins Zentrum gestellt: zusätzlich im genannten Sinn waren Leistungen demnach nur, wenn der Arbeitnehmer mangels vertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers keinen Anspruch darauf erheben konnte (z. B. BFH, 19. 09. 2012 - VI R 54/11 und VI R 55/11). Das ist nun endgültig vom Tisch.

 

Rückwirkende Geltung ab 2020

Die neue gesetzliche Regelung gilt für alle Leistungen, die in einem Lohnzahlungszeitraum versteuert werden, der nach dem 31.12.2019 endet, oder die nach dem 31.12.2019 als sonstige Bezüge versteuert werden bzw. wurden. Eine zwischenzeitlich geplante weitere Rückwirkung auf alle noch nicht per Bescheid oder Gerichtsentscheidung erledigten Besteuerungsfälle wurde glücklicherweise nicht ins Gesetz übernommen.

 

Frühere Auslegungen von „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“

Die Gesetzesänderung ist eine Reaktion auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. In einem Urteil aus dem Jahr 2019 betrachteten die Richter das Erfordernis der Zusätzlichkeit als eine Verwendungs- oder Zweckgebundenheit der Leistung (BFH, 1.8.2019 – VI R 32/18). Damit grenzte es die entsprechenden steuerfreien oder steuerbegünstigten Leistungen vom regulären und regulär versteuerten Entgelt ab, das der Arbeitnehmer nach Belieben verwenden kann.

Die Steuerverwaltung übernahm diese Auslegung nicht. Ein Nichtanwendungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom 05.02.2020, IV C 5 - S 2334/19/10017 :002) legte die Finanzämter darauf fest, nur „echte Zusatzleistungen“ von der regulären Lohnsteuer auszunehmen. Die neue gesetzliche Regelung übernimmt nun die im BMF-Schreiben formulierten Bedingungen.

 

Übersicht: Steuerbegünstigte Arbeitgeberleistungen mit Zusätzlichkeitserfordernis

Folgende Leistungen sind steuerfrei, wenn sie „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt werden:

  • einmalige Corona-Zuschüsse bis 1.500 Euro in der Zeit vom 01.03.2020 bis 30.06.2021 (§ 3 Nr. 11a EStG)
  • Jobtickets und Fahrzuschüsse des Arbeitgebers für den ÖPNV und Linienverkehr (§ 3 Nr. 15 EStG)
  • Betreuungs- und Kita-Zuschüsse des Arbeitgebers für nicht schulpflichtige Kinder (§ 3 Nr. 33 EStG)
  • vom Arbeitgeber bezahlte Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsfürsorge bis 600 Euro (§ 3 Nr. 34 EStG)
  • Zuschüsse zu Betreuungsdienstleistungen für Kinder und pflegebedürftige Angehörige, einschließlich kurzfristiger Betreuung bis 600 Euro (§ 3 Nr. 34a EStG)
  • zur Privatnutzung überlassene Firmenfahrräder (§ 3 Nr. 37 EStG)
  • kostenfreies Aufladen von E-Fahrzeugen sowie kostenfrei überlassene Ladegeräte (§ 3 Nr. 46 EStG)
  • Sachlohn in Form von Gutscheinen und Geldkarten bis 44 Euro (§ 8 Abs. 2 S. 11 EStG)

Für weitere Leistungen ist die pauschale Lohnbesteuerung möglich, wenn sie in diesem Sinne zusätzlich erbracht werden.

Mit 15 Prozent kann die Lohnsteuer pauschal abgegolten werden, wenn Fahrtzuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden (für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, § 40 Abs. 2 S. 2 Nummer 1 Bst. b EStG).

Lohnsteuer in Höhe von 25 Prozent kann bei Zusätzlichkeit erhoben werden auf:

  • verbilligt oder umsonst übereignete IT-Geräte (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EstG)
  • vom Arbeitgeber bezahlte Internet-Zugänge sowie Internetkostenzuschüsse (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EstG)
  • verbilligt oder umsonst übereignete Aufladevorrichtungen für E-Fahrzeuge (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EstG)
  • Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kauf und Betrieb solcher Ladevorrichtungen (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EstG)
  • ein dem Arbeitnehmer verbilligt bzw. umsonst übereignetes Fahrrad (§ 40 Abs. 2 S. Nr. 7 EstG – die Überlassung ist steuerfrei, s. o.)

Eine Pauschbesteuerung in Höhe von 30 Prozent ist bei Zusätzlichkeit möglich auf betrieblich veranlasste Sachzuwendungen an Arbeitnehmer (§ 37b Abs. 2 S. 1 EStG).

Außerdem ist die Zusätzlichkeit eines vom Arbeitgeber übernommenen Beitrags zur betrieblichen Altersvorsorge Voraussetzung für die Gewährung des Förderbetrags (§ 100 EStG).

 

Fazit: Keine steuerfreie Gehaltsumwandlung, aber belastbare Vereinbarungen möglich

Eigentlich ändert sich wenig. Die Regierung hat der neuen, recht permissiven Linie des Bundesfinanzhofs zu steuerfreien Zusatzleistungen des Arbeitgebers zwar einen Riegel vorgeschrieben. Aber die Finanzämter hatten sich ja ohnehin dieser Sichtweise verweigert.

Auch mit der neuen Regelung dürften Kindergartenzuschuss, Jobtickets und Gutscheine als steuerfreie De-facto-Alternative zur Gehaltserhöhung populär bleiben. Allerdings müssen Arbeitgeber aufpassen: wenn solche Leistungen als Gehaltsumwandlung, im Gegenzug zu einem Gehaltsverzicht oder ausdrücklich als Ersatz für eine Gehaltserhöhung gestaltet werden, gibt es keinen Steuervorteil. Das gilt auch für Vereinbarungen, die im Jahr 2020 entstanden sind bzw. in einem Lohnzahlungszeitraum, der erst nach Jahresbeginn 2020 endete.

Arbeitgeber, die trotz des Nichtanwendungserlasses auf die zwischenzeitliche BFH-Rechtsprechung setzten und im Jahr 2020 Gehaltsumwandlungen zur Grundlage vermeintlich steuerbegünstigter Leistungen gemacht haben, sollten diese Vorgänge überprüfen.

Kategorie

Lohn- und Gehaltsabrechnung

Themen:

Steuern Lohnsteuer

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