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11. April 2019
4 Min. Lesezeit

Krankmelden, bis der Arzt kommt?

Mitarbeiter
Krankmeldung
Mann im Business-Outfit arbeitet mit Taschenrechner und Aktenordnern an der Lohnabrechnung

Krankmelden

Mitarbeiter, die sich aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig melden, müssen nicht unbedingt zum Arzt. Rechtlich müsste ein Attest erst ab dem vierten Kalendertag gebracht werden. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern? Dann haben Sie beim Thema Attestpflicht die Möglichkeit, ihnen das zu zeigen. Oder eben auch nicht.

Wenn ein Mitarbeiter krank ist, muss er seinem Arbeitgeber „unverzüglich“ zwei Dinge mitteilen: Erstens, dasser „arbeitsunfähig erkrankt“ ist und zweitens, wie lange er voraussichtlich nicht arbeiten kann. Das steht im Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 5 EntgFZG).

Diese Krankmeldung muss innerhalb der üblichen Arbeitszeiten eingehen, und sobald es für den Mitarbeiter möglich ist – in aller Regel also direkt am ersten Tag. Wer morgens mit Fieber und Husten aufwacht, hat erst in der Firma anzurufen und kann dann erst zum Arzt.

Wobei: Ob die Krankmeldung telefonisch, per E-Mail, SMS oder Fax erfolgt oder ob ein Kollege Bescheid sagt, ist nebensächlich. Jedenfalls dann, wenn nicht der Arbeitsvertrag eine bestimmte Form der Krankmeldung vorschreibt.

Wer bestimmt, dass jemand krank ist?

Und wer entscheidet, dass der Mitarbeiter so krank ist, dass er nicht arbeiten kann? Das hängt davon ab, wie lange das Kranksein dauert. Dazu legt § 5 EntgFZG Folgendes fest:

  • Zunächst darf Ihr Arbeitnehmer erst einmal selbst beurteilen, ob er noch zur Arbeit gehen kann oder besser zu Hause bleibt. Diese Freiheit währt allerdings nur drei Tage.

  • Spätestens am vierten Kalendertag muss ein kranker Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber durch eine ärztliche Bescheinigung nachweisen.

In Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen kann auch eine andere, strengere Regelung vereinbart werde: etwa, dass die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der berühmte „gelbe Zettel“, schon am zweiten Tag vorgelegt werden muss.

Außerdem kann der Arbeitgeber das auch von sich aus verlangen, wenn er möchte – dazu gleich noch mehr. Das Gesetz legt also nur die mögliche längste Frist ohne ärztliche Krankschreibung fest.

„Was fehlt Ihnen denn diesmal?“

Im Prinzip muss Ihr Arbeitnehmer Sie nicht wissen lassen, was er hat. Doch davon gibt es Ausnahmen. Hoch ansteckenden Krankheiten beispielsweise, bei denen Kollegen oder Kunden gefährdet sein könnten. Oder falls der Arbeitsplatz mit besonderen Ansteckungsgefahren verbunden ist – wenn sich eine Kinderkrankenschwester auf der der Frühchen-Station mit Windpocken angesteckt hat, beispielsweise.

Ein weiterer Grund sind Haftungsansprüche. Wenn ein Dritter schuld ist, dass der Arbeitnehmer nicht arbeiten kann – wenn er etwa wochenlang fehlt, weil ihn jemand verprügelt hat –, kann der Arbeitgeber von dem Schuldigen Schadenersatz verlangen. Schließlich kostet ihn das Geld: Die Arbeit bleibt liegen, Aufträge werden nicht ausgeliefert, vielleicht muss er eine Ersatzkraft besorgen. Damit der Arbeitgeber solche Kosten in Rechnung stellen kann, muss der Arbeitnehmer ihn in diesem Fall über den Hintergrund informieren.

Attest ab dem ersten Krankheitstag?

Es gibt immer wieder denn Fall, dass ein Arbeitgeber plötzlich schon am ersten Tag der Krankmeldung die ärztliche Krankschreibung verlangt. Vielleicht traut er dem Arbeitnehmer nicht mehr, weil der sich so oft für zwei Tage krankmeldet. Oder immer nur montags und freitags.

Bleibt die Frage: Kann der Chef das verlangen? Die Antwort laute: Im Prinzip ja. Das folgt aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (14.11.2012, 5 AZR 886/11). Demnach liegt es „im Ermessen des Arbeitgebers“, ob er darauf besteht. Wenn er schon am ersten Krankheitstag ein Attest verlangt, muss er das weder begründen noch muss der Mitarbeiter dafür einen Anlass gegeben haben.

Allerdings kann der Betriebsrat in diesem Fall ein Mitbestimmungsrecht haben. Und zwar dann, wenn es nicht nur um einen Einzelfall geht, sondern alle oder zumindest eine Gruppe von Mitarbeitern betroffen ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Daraus folgt aber umgekehrt, dass der Betriebsrat nicht beteiligt werden muss, falls die Forderung nur einem einzelnen Arbeitnehmer gilt (LAG Nürnberg, 07.03.2012, 2 TaBV 60/10).

Eine andere Frage ist natürlich, ob eine solche Forderung wirklich sinnvoll ist. Wenn alle angeschlagenen Mitarbeiter immer gleich zum Arzt müssen, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie länger als einen Tag fehlen. Zum einen sitzen sie im Wartezimmer mit anderen Kranken herum, vor allem aber sind Krankschreibungen für nur einen Tag recht selten. Die meisten Ärzte gewähren schon bei einer einfachen Erkältung mindestens drei Tage Auszeit.

Außerdem kommunizieren Sie mit der Attestpflicht ab dem ersten Tag Ihren Mitarbeiter deutlich, dass Sie ihnen nicht über den Weg trauen. Das ist nicht gut für Motivation und Betriebsklima. Überwachungsatmosphäre wirkt schnell kontraproduktiv: „Warum soll ich mich reinhängen, wenn der Chef mir sowieso nicht traut?“

Wenn sich Krankmeldungen häufen

Beschränkt auf Einzelfälle haben Sie als Arbeitgeber damit jedoch zumindest ein Mittel gegen Blaumacherei in der Hand: Sie können von entsprechenden Kandidaten verlangen, schon am ersten Tag ein ärztliches Attest zu bringen. Das mag die eine oder andere spontane Krankmeldung aus Arbeitsunlust verhindern. Schließlich muss man sich dann doch aufraffen und im Wartezimmer herumsitzen.

Aber Druckmaßnahmen bekämpfen ohnehin nur die Symptome. Wenn der Verdacht auf Krankfeiern naheliegt, ist es sinnvoller, das Übel an der Wurzel anzugehen. Warum ist der oder sind die Blaumacher so demotiviert? Lässt sich daran etwas ändern, etwa durch Gespräche, neue Aufgaben oder andere Maßnahmen? Oder ist es an der Zeit, über eine Trennung nachzudenken?

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