Die Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte und ihre Bedeutung für die Lohnsteuer

Juni 2019 - Die erste Tätigkeitsstätte ist ein wichtiger Begriff im Lohnsteuerrecht. Aufwendungen für die Fahrt vom Wohnsitz dorthin und zurück kann ein Arbeitnehmer nur in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen.

Die Bedeutung der ersten Tätigkeitsstätte für die Lohnsteuerlast

Die erste Tätigkeitsstätte ist ein wichtiger Begriff im Lohnsteuerrecht. Aufwendungen für die Fahrt vom Wohnsitz dorthin und zurück kann ein Arbeitnehmer nur in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen. Da die an diesem Ort ausgeführte Arbeit keine Auswärtstätigkeit darstellt, können für die Fahrt dorthin keine Reisekosten als Werbungskosten angesetzt werden. Ein pauschal und damit günstiger besteuerter Fahrkostenzuschuss des Arbeitgebers ist ebenso wenig möglich (§ 40 Abs.2 S. 2 u. 3 EStG).

Bei Arbeitnehmern mit mehreren Arbeitsstätten lässt sich die Lohnsteuerlast durch Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte ein Stück weit steuern: Ist sie festgelegt, kann der Arbeitnehmer die genannten Vorteile in Bezug auf andere Arbeitsstätten in Anspruch nehmen.


Welche Voraussetzungen werden an eine erste Tätigkeitsstätte gestellt?

Der Arbeitgeber kann die erste Tätigkeitsstätte festlegen. Nimmt er keine Festlegung vor, kann sich die erste Tätigkeitsstätte durch zeitliche Kriterien oder durch die Nähe zum Wohnort des Arbeitnehmers ergeben – dazu gleich mehr. In jedem Fall kommt ein Beschäftigungsort jedoch nur dann als erste Tätigkeitsstätte in Frage, wenn die Voraussetzungen der Definition in § 9 Abs. 4 EStG. erfüllt sind:

  • Es muss sich um eine „ortsfeste“ betriebliche Einrichtung handeln. Eine mobile erste Tätigkeitsstätte gibt es nicht – Schiffe oder Flugzeuge beispielsweise sind ausgeschlossen.
  • Es muss sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgeber, eines mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmens (gemäß § 15 AktG, etwa ein Tochterunternehmen) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten handeln (etwa zur Auftragserfüllung vom Kunden überlassene Gewerberäume).
  • Der Arbeitnehmer muss dieser Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet sein oder dort seiner Beschäftigung nachgehen.

Grundsätzlich kann damit für einen Arbeitnehmer nur eine erste Tätigkeitsstätte existieren. Umgekehrt gibt es durchaus Arbeitnehmer ohne eine erste Arbeitsstätte. Das gilt etwa für einen Mitarbeiter, der ständig unterwegs und damit auswärts tätig ist. Arbeitet der Mitarbeiter ausschließlich im Home Office, liegt ebenfalls keine erste Tätigkeitsstätte vor, denn dieses wird steuerlich immer dem privaten Bereich zugeordnet.


Erste Tätigkeitsstätte durch Zuordnung des Arbeitgebers

Dem Arbeitgeber steht es – innerhalb der genannten Voraussetzungen - frei, ob er den Arbeitnehmer einer bestimmten Arbeitsstätte zuordnet. Dafür spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer täglich an dieser Tätigkeitsstätte arbeitet. Auch die dort erbrachten Arbeiten und die dort geleistete Gesamtarbeitszeit spielt keine Rolle. Es genügt grundsätzlich, wenn der Mitarbeiter an diesem Ort beispielsweise am Morgen Einsatzpläne oder Waren entgegennimmt und danach weiterfährt.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer baut für ein Möbelhaus Küchenmöbel ein. Morgens übernimmt er dazu im Auslieferungslager einen Lastwagen mit den gekauften Küchen sowie einen Tourenplan und fährt dann zur Montage zu den Kunden. Der Arbeitgeber kann, etwa im Arbeitsvertrag, das Lager als erste Tätigkeitsstätte festlegen. Damit muss er dem Mitarbeiter für die Fahrt zum Auslieferungslager keine Reisekosten zahlen. Bei der Fahrt vom Auslieferungslager zu den Liefer- und Montageterminen handelt es sich dagegen um eine Auswärtstätigkeit.

Die Zuordnung kann der Arbeitgeber später jederzeit für die Zukunft ändern. Dazu genügt eine Änderung der Reisekostenrichtlinie, oder ein geändertes Aufgabengebiet für das Mitarbeiter-Team, jedenfalls dann, wenn die Zuordnung nicht arbeitsvertraglich vereinbart wurde.

 

Festlegung durch zeitliche Kriterien

Hat der Arbeitgeber keine Festlegung getroffen, kann sich eine erste Tätigkeitsstätte durch zeitliche Kriterien ergeben. Diese sind in § 9 Abs. 4 S. 4 EStG festgelegt. Von einer ersten Tätigkeitsstätte ist demnach auszugehen, wenn der Arbeitnehmer an einem bestimmten Tätigkeitsort

  • typischerweise an jedem Arbeitstag oder
  • zumindest an zwei vollen Arbeitstagen in der Woche oder
  • zu einem Drittel seiner Arbeitszeit tätig ist.

Ausschlaggebend sind die Weisungen bzw. Regelungen des Arbeitgebers. Alternativ kann auch das Gesamtbild der Tätigkeit maßgeblich sein. Für die Betrachtung gemäß zeitlichen Kriterien darf es sich – anders als bei einer vom Arbeitgeber festgelegten ersten Tätigkeitsstätte – bei den dort ausgeführten Arbeiten nicht um reine Hilfstätigkeiten handeln. Das Abholen von Material oder das Beladen des Fahrzeugs genügt in diesem Fall nicht, der Arbeitnehmer muss am Arbeitsort vielmehr seiner eigentlichen Tätigkeit nachgehen, damit diese sich als seine erste Tätigkeitsstätte gemäß zeitlicher Kriterien ergibt.

 

Mehrere Arbeitsstätten

In vielen Fällen ergeben sich gemäß den zeitlichen Kriterien mehrere Einsatzorte als mögliche erste Tätigkeitsstätten. Dann bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, welche er davon zur ersten Tätigkeitsstätte erklärt. Macht er davon keinen Gebrauch, gilt jene als erste Tätigkeitsstätte, die am nächsten zur Wohnung liegt (§ 9 Abs. 4 Satz 6 EStG).
Keine erste Tätigkeitsstätte bei überwiegender Fahrtätigkeit

Viele Arbeitnehmer verbringen einen Großteil ihrer Arbeitszeit „auf Achse“ – sie gehen ihren Beruf auf einem Fahrzeug nach. Vielleicht fahren sie morgens zwar zu einem Depot oder einer Lagerhalle, um dort ein Fahrzeug oder Ladung zu übernehmen. Anschließend üben sie ihren Beruf dann aber als Fahrtätigkeit hinter dem Lenkrad aus.

Arbeitnehmer, die eine überwiegende Fahrtätigkeit ausüben, sind laut Festlegung der Lohnsteuer-Richtlinien „auswärts“ tätig (R 9.4 Abs. 2 S. 2 LStR). Insoweit sind die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte in aller Regel nicht erfüllt: Fahrzeuge sind wie erwähnt keine „ortsfeste Einrichtung“. Depots oder Warenlager erfüllen bei überwiegender Fahrtätigkeit die zeitlichen Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht, weil das Abholen des Fahrzeugs eine bloße Hilfstätigkeit darstellt.

Wegen der Auswärtstätigkeit dürfen diese Arbeitnehmer keine steuerfreien Reisekosten für die private Anfahrt zum Depot oder Lager geltend machen. Das soll eine Gleichbehandlung bei der Entfernungspauschale zu gewährleisten. Gleiches gilt im Übrigen für Arbeitnehmer, die in einem weiträumigen, festgelegten Tätigkeitsgebiet ihren Aufgaben nachgehen, wie es etwa bei einer Zustelltätigkeit mit festem Bezirk oder bei Forstarbeiten üblich ist.

 

Abgrenzung zwischen erster Tätigkeitsstätte und Auswärtstätigkeit

Gerade die Frage, ob es sich bei einem bestimmten Einsatzort um eine erste Tätigkeitsstätte oder um die Arbeitsstätte einer Auswärtstätigkeit handelt, bereitet in der Praxis häufig Probleme. Das gilt vor allem, wenn es sich um ein weitläufiges Tätigkeitsgebiet handelt, wie etwa ein Werksgelände, ein Bergwerk oder ein Lotsenrevier.

Das Finanzgericht Köln hat entschieden, dass selbst das flächenmäßig ausgedehnten Schienennetz eines Arbeitgebers auf dessen Werksgelände eine ortsfeste betriebliche Einrichtung darstellen kann (FG Köln, 11.07.2018, 4 K 2812/17). Der Kläger war als angestellter Lokführer täglich auf dem betriebseigenen Schienennetz unterwegs. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtkräftig, derzeit ist die Revision beim BFH anhängig.

 

Lohnabrechnungs-Knowhow

Die Frage nach der ersten Tätigkeitsstätte besitzt für die korrekte Erledigung der Lohn-und Gehaltsabrechnung große Bedeutung. Die richtige Entscheidung im konkreten Einzelfall ist selten trivial. Vielmehr ist solides Know-how im Lohnsteuerrecht gefordert. Als Dienstleister stehen wir unseren Kunden natürlich auch hier mit unserer fachlichen Expertise zur Seite.

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