Urlaubsabgeltung im Regelfall und in Sonderfällen

September 2020: In Folge der Corona-Krise müssen sich viele Unternehmen von Mitarbeitern trennen. Wenn Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheiden, haben sie häufig noch Anspruch auf Urlaubstage. In vielen Fällen ist es unkompliziert, den Abgeltungsanspruch zu erfassen und zu berechnen. Es gibt jedoch auch komplexere Fälle, zum Beispiel in Folge von Kurzarbeit.

Nachfolgend finden Sie Erläuterungen zum Berechnen des Abgeltungsanspruchs von Arbeitnehmern bei Ende des Arbeitsverhältnisses.

 

Wie viele Urlaubstage sind abzugelten?

Urlaubsanspruch: gesetzliche und arbeitsvertragliche Regelungen
Maßgeblich für die Höhe der Urlaubsabgeltung ist die Zahl der Urlaubstage, auf die der Arbeitnehmer noch Anspruch hat.

Der Urlaubsanspruch pro Jahr ergibt sich grundsätzlich aus dem Bundesurlaubsgesetz: mindestens 24 Werktage pro Kalenderjahr, bezogen auf eine Sechstage-Arbeitswoche. Im Fall einer Fünf-Tage-Woche ergibt sich anteilig ein Anspruch von 20 Tage usw.: für jeden Arbeitstag pro Woche ergeben sich vier Urlaubstage jährlich.

Im Arbeitsvertrag oder in Tarifverträgen kann zwar mehr als der gesetzliche Urlaubsanspruch vereinbart werden, nicht aber weniger.

 

Urlaub aus dem Vorjahr

Grundsätzlich gilt: Urlaub kann nur ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen und in Absprache zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ins erste Quartal des nächsten Jahres übertragen werden.

Deshalb werden Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr im Regelfall nur dann bei der Urlaubsabgeltung berücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer bis zum 31. März aus dem Unternehmen ausscheidet und eine Übertragung vereinbart wurde.

Wichtig: Allerdings verfällt der Urlaubsanspruch nach neuer Rechtsprechung nicht mehr automatisch, sondern nur dann, wenn der Arbeitgeber auf den drohenden Verfall hingewiesen hat (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 541/15).

Außerdem gibt es weitere Ausnahmen. So existieren Sonderregeln für langzeiterkrankte und berufsunfähige Arbeitnehmer – dazu gleich mehr.

 

Kein Wahlrecht des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer können nicht einfach wählen, ob sie ihren verbleibenden Urlaub vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen nehmen wollen oder die Auszahlung bevorzugen. Wenn genügend Zeit bleibt und die Inanspruchnahme des Urlaubs zumutbar ist, kann der Arbeitgeber Urlaub gewähren und damit den Resturlaub auf null reduzieren. Der verbleibende Urlaub kann außerdem auf eine bezahlte, unwiderrufliche Freistellung bis zum Ausscheiden angerechnet werden.

Hinweis: Eine außerordentliche Kündigung hebt den Urlaubsanspruch nicht auf. Auch und gerade im Fall einer fristlosen Kündigung muss der Urlaub abgegolten werden. Schließlich kann er dann nicht mehr genommen werden.

 

Jahreshälfte überschritten?

Wenn der Termin des Ausscheidens in die erste Jahreshälfte fällt (bis einschließlich 30. Juni), besteht kein Abgeltungsanspruch für den gesamten Jahresurlaub. In diesem Fall muss der Urlaub nur anteilig berücksichtigt werden: für jeden Monat bis zum Ausscheiden ein Zwölftel des Anspruchs auf Jahresurlaub, abzüglich der bereits genommenen Urlaubstage.

Endet das Arbeitsverhältnis dagegen in der zweiten Jahreshälfte, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf seinen gesamten Jahresurlaub – und damit auf die Abgeltung aller nicht genommenen Urlaubstage für das betreffende Kalenderjahr, einschließlich derjenigen, die gewissermaßen auf Monate nach seinem Ausscheiden fallen.

Eine Sonderregelung greift, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Ausscheiden noch keine sechs Monate gedauert hat. Dann beträgt der Abgeltungsanspruch in jedem Fall ein Zwölftel des Jahresanspruchs pro Arbeitsmonat, unabhängig vom Datum des Ausscheidens.

Beispiel: Das Arbeitsverhältnis begann am 01. Februar und endet zum 30. Juni. Der vereinbarte Jahresurlaub beträgt 28 Tage, es wurde kein Urlaub genommen.

Abzugelten sind 12 Urlaubstage.

Die Berechnung: 28 Tage multipliziert mit 5 Monaten geteilt durch 12 Kalendermonate. Das Ergebnis – 11,67 Tage – muss aufgerundet werden, das gilt für alle Bruchteilstage über einem halben Tag.

Hinweis:

  • Bruchteile unter einem halben Tag müssen nicht aufgerundet werden, wenn das nicht durch das Gesetz, Arbeits- oder Tarifverträge dies nicht vorschreiben. Sie dürfen aber auch nicht einfach „weggerundet“ werden. In solchen Fällen kann ein Anspruch auf den Bruchteil eines Urlaubstages bestehen (BAG, 23.01.2018 – 9 AZR 200/17).
  • Diese Regelungen gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Wurden mehr Urlaubstage vereinbart, kann der zusätzliche Abgeltungsanspruch auch abgerundet werden, oder auch in der zweiten Jahreshälfte nur anteilig bezahlt werden. Voraussetzung ist, dass der Arbeits- oder ein Tarifvertrag das festlegt.

 

Wie hoch fällt die Abgeltung aus?

Der Abgeltungsanspruch

Der Abgeltungsanspruch entspricht dem Lohn oder Gehalt für jeden nicht genommenen (und nicht verfallenen) Urlaubstag. Mit anderen Worten: Es wird das Urlaubsentgelt ausbezahlt, das für diese Urlaubstage fällig geworden wäre.
Die Berechnung erfolgt auf Grundlage des Durchschnittsverdiensts aus den letzten dreizehn Wochen vor dem Ausscheiden (§ 11 BUrlG).

Um die Höhe des Abgeltungsanspruchs zu ermitteln, werden die letzten drei Monatsentgelte vor dem Ausscheiden summiert, durch 13 dividiert (Abgeltungsanspruch pro Arbeitswoche) und noch einmal geteilt durch die Arbeitstage pro Woche. Das Ergebnis ist die Höhe der Abgeltung pro verbliebenem Urlaubstag.

Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält ein Gehalt von 2.100 Euro monatlich und arbeitet vier Tage pro Woche. Sein Abgeltungsanspruch pro nicht genommenem Urlaubstag ergibt sich aus folgender Berechnung:

Quartalsentgelt ermitteln:                 2.100 € x 3= 6.300 €
Wochenentgelt ermittelt:                 6.300 € : 13 = 484,62 €
Tagesentgelt (= Abgeltung pro Tag) ermitteln:         484,62 € : 4 = 121,15 €

 

Welche Lohn- und Gehaltsbestandteile werden berücksichtigt?

Bei der Berechnung gilt für variable und zusätzliche Lohnbestandteile folgendes:

  • Bezahlte Mehrstunden werden nicht berücksichtigt, weder das dafür bezahlte Grundentgelt noch Überstundenzuschlage. Das ergibt sich direkt aus dem Bundesurlaubsgesetz.
  • Andere variable Entgeltbestandteile fließen in die Berechnung mit ein, wenn sie einen Bezug zur Arbeitsleistung besitzen, wie etwa Provisionen, Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge, Sachlohn sowie Schmutz-, Gefahren- oder Leistungszulagen.
  • Nicht für die Urlaubabgeltung berücksichtig werden u. a. Einmalzahlungen, vermögenswirksame Leistungen, Umsatzbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Reisekosten und andere Zahlungen ohne Bezug zur Arbeitsleistung.

 

Sonderfälle bei der Urlaubsabgeltung

Urlaubsanspruch und Abgeltung bei Kurzarbeit

Bei Kurzarbeit berechnet sich die Urlaubsabgeltung auf Basis des ungekürzten Entgelts. Die Zahl der Urlaubstage, auf die Anspruch besteht, kann sich allerdings verringern.

  • Urlaubsentgelt berechnet sich ohne Kürzung, wenn während des Urlaubs oder davor Kurzarbeitergeld bezogen wurde. Nicht genommener Urlaub ist so abzugelten, als wäre der ungekürzte Lohn bezahlt worden.
  • Dagegen kann der Arbeitgeber nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs den Urlaubsanspruch für die Zeit der Kurzarbeit soweit kürzen, als wäre zeitlich entsprechende Teilzeit vereinbart (EuGH, 8.11.2012, C- 229/11 u. C-230/11). Bei Kurzarbeit Null geht damit der Urlaubsanspruch für diese Monate vollständig verloren! Allerdings ist bislang umstritten, ob das auch nach deutschem Recht gilt.

 

Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung oder Arbeitsunfähigkeit

Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern und Mitarbeitern, die arbeitsunfähig werden, verfallen Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Jahres. Abzugelten sind deshalb bei Langzeiterkrankten die nicht genommenen Urlaubstage der 15 Monate vor dem Tag des Ausscheidens (EuGH, 22.01.2012, C-214/10.).
Hinweis: Aktuell hat das Bundesarbeitsgericht den EuGH um eine Vorabentscheidung zu diesem Thema gebeten. Dabei geht es um die Frage, ob das Verfallen nach 15 Monaten an einen Hinweis des Arbeitgebers gebunden ist (BAG, Beschluss vom 07.07.2020 - AZR 401/19).

 

Urlaubsabgeltung nach Elternzeit

  • Ein Arbeitnehmer, der aus Elternzeit zurückkehrt und dann das Unternehmen verlässt, hat grundsätzlich Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
  • Das gilt sowohl für Urlaubsansprüche aus den zwei Jahren vor der Elternzeit wie für während der Elternzeit erworbenen Urlaub.
  • Allerdings kann der Arbeitgeber verhindern, dass während der Elternzeit Urlaubsansprüche entstehen. Dazu muss er für jeden Monat Elternzeit den Urlaubsanspruch um ein Zwölftel des Jahresurlaubs kürzen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht in Teilzeit arbeitet. Die Kürzung muss schriftlich erklärt werden.
  • Hat der Arbeitnehmer vor der Elternzeit mehr Urlaub genommen, als ihm aufgrund der Kürzung für die nachfolgenden Monate zustand, darf der Arbeitgeber den Überhang beim Errechnen der Abgeltung abziehen.

 

Abgeltung nach Tod des Arbeitnehmers

Ist der Arbeitnehmer verstorben, steht der Abgeltungsanspruch grundsätzlich seinen Erben zu. Die Berechnung erfolgt regulär. Als Tag des Ausscheidens gilt der Todestag.

 

Tipps für Arbeitgeber

  • Ausschluss vereinbaren: Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen werden. Allerdings lässt sich für solche Ansprüche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Ausschlussfrist vereinbaren. Das bedeutet, dass die Forderung nach einem angemessenen Zeitraum hinfällig ist, wenn sie nicht geltend gemacht wurde. Vorsicht: Solche Klauseln wirksam zu formulieren, ist arbeitsrechtlich nicht trivial.
  • Abgeltung im Aufhebungsvertrag: Im Rahmen von Aufhebungsverträgen kann vereinbart werden, dass mit der Zahlung einer Abfindung auch die Urlaubsansprüche abgegolten sind. Auch solche Regelungen müssen präzise formuliert werden, um rechtssicher zu sein.
  • Phantomlohn vermeiden: Selbst wenn der ausscheidende Arbeitnehmer eine fehlende oder zu geringe Urlaubsabgeltung nicht bemängelt – von den Prüfern der Deutschen Rentenversicherung ist so viel Nachsicht nicht zu erwarten. Schließlich werden auf die Urlaubsabgeltung sowohl Steuern wie Sozialversicherungsabgaben fällig. Die Sozialversicherungsträger werden Beiträge für abzugeltenden Urlaub nachfordern, wenn ein Anspruch des Arbeitnehmers besteht, selbst wenn die Abgeltung nie ausbezahlt wurde („Phantomlohn“).
  • Auf Resturlaub hinweisen: Arbeitgeber sollten angesichts der neuen Rechtsprechung Arbeitnehmer schriftlich darauf hinweisen, dass nicht genommener Urlaubs verfällt. Das verhindert, dass Urlaubsansprüche – und damit auch Abgeltungsansprüche – sich über Kalenderjahre hinweg ansammeln.

 

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Kategorie

Unternehmen, Arbeitgeber und Mitarbeiter

Themen:

Beschäftigungsverhältnis Lohn und Gehalt

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